Freitag, 4. Februar 2011

Friede den Mietwohnungen, Krieg den Museen

Die Zeiten sind bekanntlich hart, und viele Menschen auch in Deutschland kämpfen um ihr Überleben oder stehen vor dem Nichts. So auch die Dynastie der Wettiner, die es besonders schlimm getroffen hat: Eben noch - also bis zum großen Adelsreinemachen 1918 - saß man auf einem richtigen Thron in einem richtigen Schloss und verurteilte richtige Aufrührer zu richtigen Todesstrafen, heute sitzt man auf einem Küchenstuhl "Börje" in einer tristen Mietwohnung und guckt Dschungelcamp (wo man vielleicht demnächst zu landen droht). Das Elend dieser Familie schreit zum Himmel - und die sächsische Landesregierung antwortet. Und hilft gerne.

Es ist erschütternd: Die Nachkommen Augusts des Starken leben in "bedrückenden Verhältnissen", heißt es; sie müssten sich tatsächlich mit kleinen* Wohnungen in München zufriedengeben; der Thronfolger Prinz Albert gar wohnt - festhalten bitte - zur Miete. Zur MIETE! Ein Prinz! O tempora, o mores. Aristokraten, die leben müssen wie profanes Leibeigenenpack: Keine Burg, kein Palais, nicht mal mehr zu einer eigenen Villa reicht es - statt dessen müssen sie irgendeinem dahergelaufenen Immobilienkapitalisten Monat für Monat Geld geben. Vermutlich ist das auch noch ein Bürgerlicher! Ach, früher... da war alles besser. Da ging das noch andersherum.

Das sind Schicksale, die kann sich ein normaler Mensch gar nicht vorstellen.Gut, zugegeben: Die meisten normalen Menschen können sich auch nicht vorstellen, wie sie eine Wohnung in München finanzieren sollen, aber drauf geschissen. Nun aber erbarmt sich das Land Sachsen und überweist dem am Hungertuch nagenden Blaublüterclan 4,2 Millionen Euro: Eine Vergleichszahlung für unsagbar kitschige Porzellanobjekte ("Harlekin mit Mops"), die die Wettiner 1918 bei ihrem übereilten Auszug offenbar vergessen haben mitzunehmen, woraufhin sie in Staatsbesitz übergingen.

Es ist ja immer schön, Nachzahlungen von Ämtern zu erhalten; über so etwas freut sich jeder Arbeitslose und jeder Bafög-Empfänger. Warum also auch nicht die darbende Ex-Herrscherdynastie? Schließlich haben die Herrschaften ja keine Einkünfte mehr: Steuern dürfen sie nicht mehr erheben, und einen richtigen Beruf haben sie vielleicht nie gelernt. Die letzte große Rückzahlung des Freistaats an die Familie anno 1999 umfasste ja nur ein paar tausend popelige Kunstwerke und eine Handvoll läppische Dresdner Immobilien im Wert von gerade mal 12 Millionen Mark.** Nur unverbesserliche Nöhlköppe werfen jetzt die Frage auf, warum die Familie nicht in diesen Häusern wohnt, was ihr ja zumindest die Mieten sparen würde: Auch ich würde lieber in München leben als in Dresden. Und wie schnell sind so ein paar Millionen ausgegeben! Gut, dass da die nächsten Rückzahlungsverfahren bereits angestoßen sind.

Nur eine Frage hätte ich da noch, nur so zum besseren Verständnis: Wenn eine einzige Familie mehr als 800 Jahre lang ein Land beherrscht, das Volk auspresst und von den eingezogenen Steuern, Abgaben und vielleicht der einen oder anderen Kriegsbeute ihren Hausstand finanziert - ist das dann im Grunde genommen nicht sowieso schon Staatsbesitz? Und ist dann nicht eigentlich schon 1918 für nachhaltige Gerechtigkeit gesorgt worden?

Ich frag' ja nur.



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* Nein, im Text wird nicht näher erläutert, was Prinz Vonundzu unter einer "kleinen" Wohnung versteht.
** Hier hatte ich zunächst fälscherweise "Euro" geschrieben. Dass es sich bloß um D-Mark handelte, macht die Sache noch viel dramatischer. Mit Dank an Terkey für den Hinweis.

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