Krise zwischen London und Berlin: Wieder einmal giftet ein deutscher Politiker über die Politik des perfiden Albion. Diese Griffe ins diplomatische Klo haben eine schöne Tradition: Willem Zwo ließ sich seinerzeit im berüchtigten "Daily Telegraph"-Interview über die gehassliebten Inselbewohner aus, und das polternde Auftreten eines Joachim von Ribbentrop in Londoner Politikerkreisen hat schon damals Anlass zu Witzen gegeben. "Deutschland gegen den Rest der Welt" zu titeln, wie es die msn-Nachrichten tun, ist allerdings zu viel des Schlechten - so was hatten wir schon zweimal, mit eher mäßigem Erfolg, und ganz so weit ist es nun auch wieder nicht. Nein, es ist bloß Finanzminister Peer Steinbrück, der sein Haupthaar gen Themse schüttelt.
Klar, wer kann's ihm verdenken: Die Regierung von Gordon Brown senkt die Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte und gibt damit ein schlechtes Beispiel - zumindest aus der Sicht eines deutschen Finanzministers. Da könnten ja andere auf die Idee kommen, einen ähnlichen Schritt auch von ihm zu verlangen. Und Peer hat doch seine Milliarden so sehr ins Herz geschlossen, dass er sich von keiner einzigen trennen mag. Übrigens: Steinbrück gehört derselben Partei an, die vor dem Regierungswechsel 2005 gegen die als "Merkelsteuer" gebrandmarkte Mehrwertsteuererhöhung gewütet hatte. Nun ja.
So weit, so geizig. Aber wie musste Steinbrück seine Ablehnung einer Mehrwertsteuersenkung begründen? "Kein Mensch kauft einen DVD-Spieler, weil er statt 39,90 Pfund nur noch 39,10 Pfund kostet", wettert er Richtung London und zeiht die Brownsche Scheinchenbewegung zugunsten der Verbraucher als Irrweg zur Konjunkturankurbelung. Hat er natürlich nicht unrecht: Wer sich keinen DVD-Spieler leisten kann, kauft ihn auch nicht, weil er 80 Pennys billiger ist. Besser machen es natürlich die Deutschen, genauer gesagt: er. Denn Tausende, ach was: Zehntausende Bürger werden sich in den kommenden Wochen noch schnell ein neues Auto für 39.000 Euro kaufen, weil sie dadurch im nächsten Jahr ein paar hundert Euro Kfz-Steuer Sparen. So wird den Leuten etwas zurückgegeben! Das ist ein schlüssiges Konzept! Die Inselaffen sind doch eh alle Kommunisten.
Nein, im Ernst. Jeder, der über ein auch nur halbwegs funktionstüchtiges Denkorgan verfügt, muss sich fragen: Ist unser Finanzminister einfach ein bißchen blöd oder verachtet er das Volk so sehr, dass er glaubt, es mit einem derartigen Schwachsinnsargument abspeisen zu können?
Für den Fall, dass er nur blöd ist, erkläre ich ihm gerne an dieser Stelle - langsam und zum mitschreiben -, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht nur den DVD-Spieler billiger macht, sondern auch die Tankfüllung, die Turnschuhe und den Tomatensaft - was einen Geringverdiener evtl. in die Lage versetzen könnte, sich vom gesparten Geld eben doch den DVD-Spieler zu kaufen.
Das Dumme ist nur: Ich glaube nicht, dass Steinbrück blöd ist. Also bleibt nur die andere Möglichkeit, nämlich ein unerträgliches Maß an Ignoranz und Arroganz. "Briten-Schelte bringt Steinbrück Applaus ein", lobt Spon des Ministers Verbalbreitseite - wäre ich dabei gewesen, hätte es noch ein bißchen lauter geklatscht.
Aber keinen Applaus.
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