Donnerstag, 31. Juli 2008

Fehler 404: Diese china-unfreundliche Seite konnte nicht gefunden werden

Lange nichts mehr über Olympia und das amöbenhafte, weil rückgratlose IOC geschrieben. Da kommt mir doch die Meldung recht, dass Peking - was Wunder! - trotz früherer Zusagen nun doch den Internetzugang für Journalisten einschränkt, womit natürlich nie jemand gerechnet hätte. Die Begründung der Chinesen ist vom Feinsten: Der gefilterte Zugang, den die Zensoren gewähren, sei für die Arbeit der Journalisten völlig ausreichend - schließlich seien nur ein paar Webseiten mit nicht sportthematischen Inhalten gesperrt, etwa die von Amnesty International. Das IOC nickte diesen schamlosen, wenngleich wenig überraschenden Wortbruch nicht nur eilfertig und dienstbeflissen ab - nein, sie wirkten auch noch mit.

Noch vor wenigen Tagen verstiegen sich IOC-Präsident Jacques Rogge und sein Pressechef Kevan Gosper zu der Behauptung, es gebe keine Internet-Zensur mehr in China. In was für einer Welt leben diese Männer eigentlich? Schon Rogges vor einigen Monaten verzweifelt hervorgestammelte Aufforderung an Peking, doch bitteschön jetzt mal mit den vereinbarten Menschenrechtsverbesserungen zu beginnen, wirkte derartig weltfremd, dass man sich fragen muss, ob der Mann noch bei Trost ist. Und das betrifft nicht nur Rogge: Auch Gosper beklagte sich nun, das Olympische Kommitee sei ohnmächtig - das chinesische Regime lasse sich halt nicht vorschreiben, ob es das Internet zensiere oder nicht.

Kleine Anmerkung meinerseits: Das hättet ihr auch vorher wissen können. Ein Blick ins Internet hätte gereicht. Aber wenn man selbst sowieso nur Sportseiten anklickt, wird das eben nichts.

Ein Auge riskieren wir - oder auch gleich mehrere

Erst die Übernahme der Quick Reaction Force, dann die geplante Aufstockung der Afghanistan-Truppe um 1000 Soldaten, nun die Awacs-Flüge - die Vernebelungs-Strategie von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der solch gravierende Vorhaben mit Vorliebe irgendwann einmal nebenbei kundtut, wenn der entsprechende Entschluss schon längst feststeht, scheint sich zu bewähren. Im aktuellen Fall war der Nato-Plan mit den Awacs-Maschinen schon seit März in Berlin bekannt - schön, dass wir's im Juli dann auch mal erfahren haben. Aber die zeitliche Verzögerung, die jetzt zum medialen Einweg-Aufreger mutiert, scheint mir vernachlässigbar zu sein - wenn man die peu à peu immer enger werdende Komplizenschaft Deutschlands am Krieg in Afghanistan dagegen hält.

Aber zunächst: Was ist eigentlich ein Awacs-Flugzeug? Ein Boeing-Jet mit einer unförmigen Antenne auf dem Buckel, bei dem man sich unwillkürlich fragt, wie das ganze Ding eigentlich noch fliegen kann. Diese Maschinen dienen der Luftraumüberwachung und sollen nun - mit deutschen Besatzungsmitgliedern - in Afghanistan zum Einsatz kommen, um frühzeitig vor Angriffen durch die Taliban-Luftwaffe zu warnen.

Sehr
frühzeitig allerdings, denn die Taliban besitzen keine Flugzeuge . . . die einzigen feindlichen Luftbewegungen, die es am Hindukush gibt, sind von der Schulter abgefeuerte Boden-Luft-Raketen, und um denen auszuweichen, hilft auch kein Awacs-Flugzeug.

Aber lieber vorbeugen als heulen! Vielleicht entwickeln die Gotteskrieger ja im Geheimen eine eigene Luftmacht. Sie könnten etwa mit Ballonbomben anfangen und sich langsam bis zur Entwicklung von Stealth Bombern vorarbeiten. Und bis es soweit ist, kann man ja die Lufträume Irans und Pakistans überwachen, nicht wahr? Wer weiß, wozu man's mal brauchen kann.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Die Stunde der Lobbyisten

Triumph für die Raucher: Das Verfassungsgericht erklärte heute die Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin als unvereinbar mit dem Grundgesetz. Damit hat sich das monatelange Gegeifer der Dehoga, die unermüdliche Wühlarbeit halbseidener Lobbyisten und so manche Medienkampagne bezahlt gemacht: Bis auf weiteres dürfen Raucher sich in Eckkneipen wieder ordentlich die Lunge teeren und alle anderen Gäste fröhlich daran teilhaben lassen. Dieses Urteil ist ein Trauerspiel.

Von mir aus kann jeder seinen Lungenkrebs füttern, wie er es möchte, aber hier geht es um die Gesundheit anderer Menschen. Dass Passivrauchen gesundheitsschädlich ist, stellt heute kein seriöser Mediziner mehr in Frage. Vor dem Verfassungsgesicht kam aber unter anderem ein gewisser Gerhard Scherer zu Wort, der dies leugnete - kein Wunder, wird dessen Forschungsinstitut doch von der Tabakindustrie geschmiert gesponsert wird. Ebenso ist das gebetsmühlenartig wiederholte Szenario eines drohenden Kneipensterbens durch Umsatzrückgänge durch eine ganze Reihe von Auslandsstudien längst widerlegt worden. Dennoch gab Karlsruhe den Klägern recht, dass das Rauchverbot geeignet sei, ihrem Geschäft zu schaden. Und wer das Rauchen in der Kneipe mit dem Genuss von Alkohol gleichsetzt, macht sich ohnehin argumentativ lächerlich - darf sich jetzt aber dennoch als Gewinner fühlen.

Ein Triumphzug von gewissenlosen Tabakstrategen. Denn auch wenn es hierbei erst einmal um Einraumkneipen geht: der erste Hammerschlag ist getan, und die Zigarettenindustrie und ihr Büttel namens Dehoga werden keine Ruhe geben, bis jegliche Form von Rauchverbot Geschichte ist. Und jeder Tabaksüchtige, der sich demnächst wieder am Tresen genüsslich eine Fluppe ansteckt, darf sich freuen, dass ihm dieses Recht von rückgratlosen Widerlingen erstritten worden ist, die sich nicht nur an seiner Sucht dumm und dämlich verdienen, sondern denen über 3.000 Passivrauchopfer pro Jahr scheissegal sind. Wohl bekommt's.

Ich würde mir wünschen, dass sich die Deutschen einmal über andere gewichtige politische Fragen so massiv aufregen wie über das Rauchverbot. Deutschland führt Krieg in Afghanistan, die Union verwehrt den Bürgern die Zusicherung eines Mindestlohns, von dem man leben kann, und spielt mit dem atomaren Feuer. Aber wofür Deutsche wirklich erbittert kämpfen, ist ihr Recht, die Gesundheit anderer zu ruinieren.

Dienstag, 29. Juli 2008

Die Fahne hoch, die Fenster dicht geschlossen

Das Sommerloch ist in diesem Jahr so tief, dass manche, die hineingeplumpst sind, gar nicht mehr herausfinden. So etwa die niedersächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Carsten Höttcher und Frank Oesterhelweg - nein, Sie brauchen sich diese Namen nicht zu merken. Der eine ist bestenfalls ein parlamentarischer Hinterbänkler, dessen Stuhl man auch gleich aus dem Plenarsaal entfernen und auf dem Flur aufstellen könnte. Und der andere ist ein Unsympath, den man am besten gleich wieder vergisst, egal, was er sagt. Die beiden mussten nun leidvoll erfahren, wie garstig die Welt im Allgemeinen und die Jugendorganisation der Linkspartei im Besonderen ist.

Denn die hatte während der EM dazu aufgerufen, diese dämlichen Autofahnen - zu deren bedingungslosen Befürwortern ich nun auch nicht gerade zähle - abzuknicken und auf ihre Internetseite eine Botschaft zum ausdrucken gestellt, die dem Autofahrer erklären sollte, dass man die Fahnen einfach "nicht mehr ertrage". Aufgedeckt hat diese höchst brisante gesellschaftliche Entwicklung das Buntebilderblättchen Focus, das so gerne Nachrichtenmagazin anstelle des Nachrichtenmagazins wäre. Eine "radikale Minderheit von Spaßbremsen", heißt es dort, sei Nacht für Nacht unterwegs und reiße schamlos die Fähnchen ab.

Man fragt sich da schon, wer hier wirklich die Spaßbremsen sind - und damit kommen wir wieder zu Höttcher und Oesterhelwig. Die beiden B-Politiker sind sich nicht zu blöde, deswegen einen Monat später - zu einem Zeitpunkt, an dem kein Mensch mehr an die EM denkt und ohnehin nahezu alle Fahnen, auch ohne Zutun der Nachwuchslinken, verschwunden sind - Anzeige zu erstatten. "Das neue sympathische Deutschlandbild in aller Welt" wolle man "sich nicht kaputtmachen lassen", heißt es in einer Pressemitteilung. Ob dieses Bild wirklich so sympathisch ist, möchte ich nach den Hooligan-Krawallen von Klagenfurt mal bezweifeln. Aber weiter im Text: "Gerade entdecken wir Deutschen auf so unverkrampfte Art, [...] ohne nationalistische Tendenzen, die Liebe zu unserem Land wieder", jammern die beiden und poltern im selben Atemzug: "Es darf nicht sein, dass diese Leute ungestraft [...] nationale Symbole verunglimpfen!" Man kann das "Schnorch!" dahinter regelrecht hören.

Wirklich eine sehr unverkrampfte Art, wie diese beiden Volksvertreter mit ihrem Nationalstolz umgehen . . . Und nachts, nachdem sie sich in den Schlaf geweint haben, träumen sie davon, wie die Berliner Jung-Linken in Ketten abgeführt und in den Kerker geworfen werden. Denn schließlich kann die mutwillige Beschädigung der Deutschlandfahne mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden - übrigens mehr, als so mancher Vergewaltiger bekommt.

Und wenn das geschafft ist, dann können die von chinesischen Kindern zusammengetackerten Fähnchen endlich wieder mit Stolz am Streitwagen geführt werden, wo sie von der unverkrampften Vaterlandsliebe des Fahrers zeugen, bis sie - in Würde und Ehre gealtert - den Weg alles Stofflichen gehen und Straßengräben im ganzen Land verstopfen. Und die Welt ist dank Höttcher und Oesterhelweg ein lebenswerterer Ort.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Nicht bloß blühende, nein: strahlende Landschaften brauchen wir!

Nachdem das französische Kernkraftwerk Tricastin in der Nähe von Avignon vor zwei Wochen seine Umgebung mit 30.000 Litern radioaktiver Uransuppe verseucht hatte, waren gestern nun die Mitarbeiter an der Reihe. Durch ein neuerliches Leck seien 100 Beschäftigte des AKWs "leicht kontaminiert" worden, heißt es. Da bin ich ja beruhigt, dass sie nur "leicht" verstrahlt wurden. Dann wächst ihnen vielleicht doch kein drittes Auge am Rücken oder ein neuer Finger am Ohr. Und hey, Krebs kriegen wir doch alle irgendwann, oder?

Auf der Störfallskala der Atomaufsichtsbehörde, die von null bis sieben reicht, wurde der Vorfall als "null" gewertet. Hmmm... Normalerweise behaupten AKW-Betreiber eigentlich immer bei Störfällen, es sei rein gar nichts passiert, alles paletti usw. Ist das dann eine "minus drei" auf der Skala oder was? Wenn 100 verstrahlte Mitarbeiter die unterste Störfall-Stufe darstellen, dann möchte ich nicht wissen, was etwa für Stufe vier nötig ist.

Geplatzte Rohre, undichte Dichtungen, Brände - Schön, dass unsere westlichen AKWs ja so unglaublich sicher sind, wie uns seit Tschernobyl schließlich immer wieder eingetrichtert worden ist. Und schön auch, dass die CDU einen Ausstieg aus dem Atomausstieg erwägt. Nächstes Jahr (spätestens) steht die Bundestagswahl auf dem Programm. Es bleibt zu hoffen, dass das Thema "Störfälle in AKWs" bis dahin nicht ganz in Vergessenheit gerät . . .

. . . aber angesichts der Häufigkeit solcher Fälle glaube ich das eigentlich nicht.

Mittwoch, 23. Juli 2008

Heute schon einen Skandal aufgedeckt? Oder wieder nur unjournalistisches Zeugs gesabbelt?

Uiuiui, da fühlen sich ein paar Spiegel-Schreiberlinge aber mal so richtig angefasst. Und zwar von - Trommelwirbel! - den deutschen Bloggern, die in der hiesigen Medienwelt und im politischen Diskurs nur eine geringe Rolle spielen. Eine typische Sommerloch-Geschichte, die eigentlich völlig unbedeutsam ist. Aber um der Erwartungshaltung der drei zu entsprechen, werde ich ihrer zu Anfang formulierten These "Egal, was man über Blogger schreibt, hinterher wird man von ihnen doch nur verdroschen" selbstverständlich pflichtschuldigst nachkommen. Gern geschehen; da nich für.

Was wollen sie uns eigentlich mitteilen? Den Bloggern hierzulande, als ob man diese pauschal in eine Schublade stecken könnte, fehle es an politischem Gewicht, lamentieren die drei - in den USA sei man schon viel weiter. Es ist schön, dass endlich mal jemand im altehrwürdigen Vergleich von Äpfel und Birnen eine Entscheidung fällt, wobei ich jetzt allerdings nicht genau weiß, welche Nation der Apfel und welche die Birne ist. Ich behaupte mal: Apfel = USA, wegen Mom's Apple Pie, und Birne = Deutschland, wegen 16 Jahren Kohl. Von jetzt an und immerdar steht fest: Die Birne zieht den Kürzeren.

Aber ich schweife ab: Dass die Medienlandschaft und die Rezeption in den USA eine ganz andere ist als hierzulande, erläutern die drei Spiegel-Autoren sogar ansatzweise, verzichten aber darauf, aus diesen Umständen eine Art Schlußfolgerung zu ziehen. Statt dessen wird bemängelt, dass deutsche Blogger noch keinen handfesten Skandal aufgedeckt haben.
Ich bin erschüttert. Und beschämt. Wie konnte ich nur glauben, die Bloggerei diene meinem Privatvergnügen bzw. der Befriedigung erhöhten Mitteilungsbedürfnisses, während der Marktführer im Bereich Internet-Nachrichten, der ja bekanntlich jeden Tag mindestens ein deutsches Watergate ans Tageslicht zerrt, doch von mir erwartet, dass ich ihm diese Arbeit abnehme?

Außerdem seien die Blogger viel zu sehr damit beschäftigt, sich in ihren Blogs gegenseitig ans Bein zu pinkeln, so etwa Henryk M. Broder, heißt es in dem Text. Schönes Beispiel haben sie sich da rausgesucht: Broder wird für seine Hetztiraden und Beleidigungen (tschuldigung, ich meinte: polemischen Essays) schließlich auch schon mal vom Spiegel bezahlt, aber dann ist er ja in dem Moment auch kein Blogger, schon klar. Dann ist er seriöser Journalist.

So, ich denke, ich habe dem herablassenden Elaborat der Spon-Autoren genug Zeilen gewidmet. Nur eine Frage noch: Wenn sie den "Beta-Bloggern" vorwerfen, politisch nichts zu bewegen - warum machen die drei das eigentlich nicht selbst? Ein Blog ist doch schnell eingerichtet.

Soso, Sie waren also schon mal in Surinam...

Ich habe mich hier bereits mehrfach mit dem Thema "Fragebögen für Ausländer" beschäftigt. Während man in Villabajo (Berlin) aber noch am endgültigen Entwurf für einen Einbürgerungstest herumdoktert, hat man in Villarriba (in diesem Fall Düsseldorf) im letzten Herbst schon Nägel mit Köpfen gemacht und die Aufenthaltsgenehmigung von Ausländern in NRW vom Ausfüllen eines Fragebogens abhängig gemacht, der nicht nur ziemlich diskriminierend, sondern noch dazu haarsträubend dümmlich ist.

Ob man Ahnung von Sprengstoff hätte, wird man da gefragt. Ob man Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei oder jemanden kenne, der Terrorist sei oder der wiederum Terroristen kenne. Oder ob man wenigstens schon mal in einem Land war, aus dem ohnehin nur Verbrecher kommen, wie etwa . . . es folgt eine Auflistung von 26 zumeist islamischen Ländern. (Die Ausnahmen bilden hier - wenig überraschend - Nordkorea und - das ist schon merkwürdiger - Kolumbien und Surinam, das meines Wissens eher durch den Export von Bauxit als von Terroristen hervorgetreten ist. Aber vielleicht rückte das Ländchen aufgrund des martialischen Namens seiner Streitkräfte ("Surinamische Kriegsmacht") auf die schwarze Liste der Schurkenstaaten.) Und ob man gerne Kontakt zum Geheimdienst aufnehmen wolle - die Beantwortung dieser letzten Frage ist freigestellt, aber wer da mit "nein" antwortet, verhält sich doch irgendwie verdächtig, oder?

Dieser Test ist so grotesk, dass er von allen Berufsgruppen der Welt nur auf dem Mist von deutschen Sicherheitsbeamten gewachsen sein kann. Was glaubt man im Innenministerium - dass tatsächliche Terroristen ihre Identität preisgeben, weil sie sich nicht trauen, einen deutschen Beamten anzulügen? Oder geht es eher darum, Ausländer, die sich beim Ausfüllen merkwürdig verhalten (etwa schweißnasse Hände bekommen, die Stirn runzeln, sauer werden), künftig besonders nachdrücklich zu überwachen? Gehen den Staatsschützern ansonsten die Verdächtigen aus? Haben sie Warnungen über explodierende Bananen aus Surinam bekommen? Und als ob der Fragebogen nicht schon lächerlich genug wäre, galt er bislang auch noch als geheim - Ausländer, die ihn ausfüllen mussten, bekamen keine Kopie davon und wenn ein marokkanischer Student nicht dagegen geklagt hätte, wüsste man wohl nichts von der Existenz dieses Tests.

Nun gut, kann ich verstehen. Wäre ich als Mitarbeiter im Innenministerium an der Entwicklung dieses Bogens beteiligt gewesen, würde ich auch nicht wollen, dass diese Peinlichkeit an die Öffentlichkeit gelangt. Aber, um den Gedanken weiterzuspinnen: Wenn ich ein solcher Mitarbeiter wäre, würde ich vorschlagen, den Test aus Geld- und Zeitersparnisgründen zu vereinfachen und auf eine einzige Frage reduzieren: "Sind Sie Terrorist?" Wer "nein" ankreuzt, darf bleiben, weil es ja für diesen Fall die richtige Antwort ist. Und wer "ja" ankreuzt, darf auch bleiben - dann so jemand wäre schlicht zu blöd, um einen Sprengsatz zu zünden.

Dienstag, 22. Juli 2008

Na also, geht doch!

Radovan Karadzic, ehemaliger Präsident der bosnischen Serben und als solcher während des Bosnienkrieges hauptverantwortlich für zahllose Kriegsverbrechen, ist nach 13 Jahren gefasst worden. Diese Zeite verbrachte der Mann mit der Fönwelle aber nicht in einer Höhle irgendwo in den Kaparten, sondern allem Anschein nach mitten in Serbien (bzw. der serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina). Tja, ist wohl schwierig, jemanden zu verhaften, den Angehörige von Armee und Polizei schützen und den viele nicht als Kriegsverbrecher, sondern als Kriegsheld sehen.

Es gibt Grund zur Annahme, dass die serbischen Regierungen vor dem amtierenden Präsidenten Boris Tadic aber auch kein übergroßes Interesse daran hatten, Karadzic festzunehmen und an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auszuliefern, wo sämtliche Greueltaten - an denen Serbien zumindest unterstützend beteiligt war - vor der Weltöffentlichkeit noch einmal ausgebreitet würden. Tadic dagegen hatte allen Grund, die Ermittlungen voranzutreiben, hängt doch nicht zuletzt eine Aufnahme Serbiens in die EU von der Auslieferung Karadzics und dessen Schlächters Ratko Mladic ab.

Nun kommt es zum bislang bedeutendsten Prozess vor dem Tribunal. Und die Institution kann jetzt zeigen, wie sie mit so einem Fall umgeht. An der Prozessführung gegen den vor dem Urteilsspruch verstorbenen Slobodan Milosevic gab es genug Kritikpunkte, vor allem durch den immensen öffentlichen Druck aufgrund der massiven Vorverurteilung des ehemaligen serbischen Präsidenten (der aber sicher kein Unschuldslamm war). Bei Karadzic dürfte der Fall anders liegen: Als Präsident der bosnischen Serben war er viel stärker am Geschehen beteiligt, seine letztliche Verantwortlichkeit für die Kriegführung dürfte kaum in Frage stehen. Man darf gespannt sein.

Montag, 21. Juli 2008

Die Räuber - ein Steuerdrama in mehreren Akten

Erinnern Sie sich noch an die Liechtenstein-Affäre? Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe und so? Wenn nicht, ist das nicht verwunderlich: Das war Mitte Februar - medientechnisch gesehen also im nachrichtlichen Paläolithikum. Ich darf also die Fakten in Erinnerung rufen: Ominöse Daten-DVD vom Erpresser gekauft, Razzien in Hunderten Büros und Wohnungen - unter anderem der des damaligen Postchefs Klaus Zumwinkel -, Ermittlungen gegen rund 700 Personen, von denen einige schon an den Schandpfahl gestellt und mit gammeligem Obst beworfen wurden, bevor sie ihre langjährige Haftstrafe antreten mussten... verzeihung, die letzte Szene entsprang meinen Träumen.

Nachdem sich die Verdächtigen nach dem Auffliegen des großen Steuer-Clous reihenweise selbst anzeigten, um harte Strafen zu vermeiden, schlagen einige von ihnen nun zurück - und verklagen die Liechtensteinische Fürstenbank LGT, der damals die DVD gestohlen worden ist, auf Schadenersatz! Richtig gelesen: Der Dieb verklagt, nachdem er erwischt worden ist, seinen Hehler, der mit den Namen seiner Komplizen geschludert hat.

Begründung der Klage: Die Bank habe ihre ehrenwerte Kundschaft nicht über den Datenklau in Kenntnis gesetzt. Hätte sie es getan, hätten die Steuerhinterzieher - so die Argumentation - per Selbstanzeige das Schlimmste verhindern können. Ich persönlich halte es für wahrscheinlicher, dass sie ihre Gelder noch schnellstmöglich abgezogen hätten - oder zusammengelegt, um den Erpresser auszuzahlen. Man hätte ihn ja später immer noch mit einem Gewicht an den Füßen in den Genfer See werfen können.

Man muss sich dass auf der Zunge zergehen lassen: Wäre der Klagegrund nicht eingetreten, die DVD also nicht gestohlen worden, hätten diese Kreaturen weiterhin Milliarden Euro am deutschen Fiskus - und damit an Schulen, Unis, Krankenhäusern et cetera - vorbeigelotst. Diese Leute strengen also eine Zivilklage an, weil sie nun nicht mehr schamlos in die öffentlichen Kassen greifen können. Eine satte "Zehn" auf der nach oben offenen Milloy-Skala der Niedertracht. Kann man in solchen Fällen eigentlich nicht strafverschärfende Maßnahmen ergreifen, da sich die Betreffenen erwiesenermaßen uneinsichtig zeigen?

Sonntag, 20. Juli 2008

Obama in Berlin: Mr. Medwedew, tear down this Gate!

Was soll das denn nun schon wieder? Nachdem Barack Obama die wochenlange Debatte um seine geplante Rede am Brandenburger Tor mit diplomatischem Geschick aufgelöst und angekündigt hat, die Rede woanders halten zu wollen, soll er nun auch nicht an der Siegessäule sprechen dürfen. Begründung (man halte sich fest): Die Nazi-Vergangenheit des Ortes.

Wir wollen dem FDP-Vize Rainer Brüderle, der diese Kritik geäußert hat, jetzt nicht daran erinnern, dass ganz Berlin eine Nazi-Vergangenheit hat. Aber ein bißchen Geschichtsnachhilfe muss sein: Die Siegessäule wurde nach dem erfolgreichen Krieg Preußens gegen Dänemark 1864 begonnen und 1873, zwei Jahre nach Gründung des Kaiserreiches, eingeweiht. Da Preußen während der Bauzeit noch zwei weitere Kriege geführt hat, nämlich gegen Österreich-Ungarn und gegen Frankreich, erinnert die Säule mit der Goldelse auch daran.

Und was haben nun die Nazis damit zu tun? Die Siegessäule stand zunächst auf dem Platz der Republik und wurde 1938 an ihren heutigen Standort versetzt, da sie den Umbauplänen Hitlers und Speers für Berlin im Weg war. Nicht mehr, nicht weniger. Dass die Siegessäule weniger ein Symbol des Nationalsozialismus, sondern eher des preußisch-deutschen Militarismus ist, hat zumindest der CDU-Hinterbänkler Andreas Schockenhoff erkannt: Die Säule sei "dem Sieg über Nachbarn gewidmet, die heute unsere europäischen Freunde und Verbündeten sind. Das halte ich für eine unglückliche Symbolik." Ich auch. Allerdings halte ich es ebenfalls für eine unglückliche Symbolik, wenn eine halbe Million Deutsche mit Nationalfahnen vor der Siegessäule das Deutschlandlied singen. Meines Wissens hat im Zuge der letzten WM aber niemand gefordert, die Fanmeile woandershin zu verlegen.

Nur - wo soll Obama denn nun sprechen? Vor dem Reichstagsgebäude, in dem Hitler und Goebbels gegen die Demokratie gewettert haben und dessen Brand als Alibi für den ersten gewichtigen Schritt Richtung NS-Diktatur diente? Oder vielleicht doch am Flughafen Tempelhof, der von den Nazis ausgebaut worden ist? Oder im Olympiastadion, von den Nazis für die Spiele von 1936 errichtet? Das könnte man ewig weiterführen. Auch das Brandenburger Tor hat durch den Fackelzug vom 30. Januar 1933 natürlich eine Nazi-Symbolik - die war aber nicht maßgeblich für die Debatte, ob Obama dort sprechen dürfe oder nicht, sondern Merkels Überlegung, ob er im Wahlkampf von der jüngeren geschichtlichen Bedeutung des Ortes profitieren könne.

Lächerlich, das Ganze. Wer nach Berlin kommt, begibt sich zwangsläufig auf historisch belastetes Pflaster (das zudem noch dauernd mit Hundescheiße bedeckt ist). Das ist nun mal das Erbe der ehemaligen Reichs- und geplanten Welthauptstadt. Irgendwie habe ich das Gefühl, gewisse Berliner Kreise wollen Obama mit dieser höchst überflüssigen Debatte möglichst weit aus dem Stadtzentrum heraushalten. Soll er doch am Brandenburger Tor sprechen - wo ist das Problem? Dass sich der schwarze Demokrat Obama in der Tradition des Kalten Kriegers Ronald Reagan aalen will, halte ich für nicht gerade wahrscheinlich. Außerdem befindet sich dort die neue US-amerikanische Botschaft Festung. McCain kann ja auch am Brandenburger Tor auftreten, wenn er will. Will er aber vermutlich nicht, denn er ist nach wie vor Kriegsbefürworter, und das nehmen ihm die Berliner übel.

Sollte es nicht ohnehin eher darum gehen, was man sagt - und nicht, wo man es sagt?

Samstag, 19. Juli 2008

Wahrlich, ich sage euch: Du sollst nicht Australier vergewaltigen

Donnerwetter! Der Papst entschuldigt sich für sexuelle Übergriffe katholischer Geistlicher auf Minderjährige - na endlich, möchte man sagen. Allerdings, und das taucht in den meisten Berichten dazu erst im zweiten oder dritten Absatz auf, äußerte er diese Entschuldigung in Sydney - mit explizitem Hinweis auf die Missbrauchsfälle in Australien. Die anderen Vergewaltigungsopfer von katholischen Geistlichen auf der ganzen Welt sind damit offenbar weiterhin selbst schuld an ihrem Unglück. Was führen sie die armen Priester auch dauernd in Versuchung, die kleinen Racker.

Na ja, denken wir positiv. Bereits im April hat er sich in den USA mit Missbrauchsopfern getroffen. Zwar hat er meines Wissens nicht das Wort "Entschuldigung" in den Mund genommen; und ich bin mir nicht so sicher, ob es den Opfern wirklich geholfen hat, gemeinsam mit dem obersten Chef ihres Vergewaltigers zu beten, oder ob eine Therapie in Verbindung mit einem erklecklichen Schmerzensgeld nicht sinnvoller wäre. Aber hier ein Treffen, dort eine Entschuldigung - wenn das so weitergeht, hört die Kirche vielleicht sogar eines Tages damit auf, Missbrauchsfälle zu vertuschen und fängt an, die Täter der Justiz zu übergeben.

Und damit meine ich nicht das Jüngste Gericht.

Freitag, 18. Juli 2008

Schatz, haben wir noch irgendwo Problemlösungs-Pillen?

Wer kennt das nicht: Da will (oder muss) man einen möglichst interessanten Text formulieren, etwa für seinen Blog, oder man braucht bei der Arbeit dringend eine zündende Idee - aber es fällt einem partout nichts ein. Das muss nicht sein, schließlich gibt es Mittelchen dagegen - meint die Pharma-Industrie und will uns nun ihre Demenz-Medikamente als Gehirn-Turbolader verkaufen, die die grauen Zellen ordentlich auf Trab bringen sollen.

Dass sich ein Wirkstoff, der gegen Alzheimer eingesetzt wird, auch als Mittel zur Verbesserung der "normalen" Gedächtnisleistung vermarkten lässt, ist ja auch irgendwo naheliegend. Vielleicht ein bißchen zu naheliegend. Man mag mich eines übertriebenen Misstrauens zeihen, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, da soll eine neue Einnahmequelle erschlossen werden, weil Alzheimer allein als Absatzmarkt nicht lukrativ genug ist.

Schließlich müssen die Pharma-Unternehmen ständig überlegen, wie sie weiterhin ihre Umsätze steigern wollen: Die lancierte Cholesterin-Panik zieht längst nicht mehr so wie früher; die Regierungen haben sich mittlerweile hinreichend mit Tamiflu eingedeckt - das ist auch kein Wachstumsmarkt mehr, schließlich hat die Vogelgrippe irgendwann ihren medialen Schrecken verloren - und die Kampagne mit den "Wechseljahren des Mannes" war wohl auch nicht so erfolgreich wie geplant.

Da kommt doch ein Schlaumach-Mittel gerade recht! Schließlich kann man das schon an 16-Jährige verkaufen, denen täglich von den Medien eingetrichtert wird, sie wären zu doof, um irgendeinen Beruf ergreifen zu können. Nun gut: Ich kenne tatsächlich Leute, denen man ein solches Mittelchen zur Belebung der Denkfähigkeit zwangsweise in den Schlund stopfen sollte - etwa wie bei der Gänsemast. Dreimal täglich vor den Mahlzeiten eine Kapsel Kreativität, eine Pille Pfiffigkeit oder ein paar Tropfen Tiefgang - und schon flutschen die brillianten Einfälle nur so heraus oder werden die schlimmsten Torheiten wenigstens vermieden. An sich doch eine prima Idee.

Es sei denn natürlich, es machen sich beim Gehirn-Doping nach Jahren dann doch Nebenwirkungen bemerkbar, von denen man heute noch keinen Schimmer hat. Ich sehe schon das Gesicht meines Hausarztes vor mir: "Tut mir leid, Dr. No, aber Ihr Hirn hat sich zu grünem Schleim zersetzt. Aber machen Sie sich keine Sorgen: Bayer hat ein brandneues Medikament entwickelt, das genau in solchen Fällen hilft . . ." - Würg.

Montag, 14. Juli 2008

Neue Umfrage: Mario Barth ist primitiv, aber stinkreich

Es wird so langsam Zeit für eine neue Umfrage. Und da bin ich auch schon über ein paar vielversprechende Artikel gestolpert: Mario Barth, Deutschlands dümmlichster Comedian, hat es geschafft, nicht weniger als 70.000 Menschen ins Berliner Olympiastadion zu locken und sich damit einen Platz im "Guiness Buch der Rekorde" zu sichern. Nicht als prolligster Possenreißer der Welt, wie man zunächst vermuten möchte, sondern wegen der vielen Leute.

Da muss man doch mal mittels einer Erhebung nachfragen, was so viele Menschen dazu bewegt, ein schweineteures Eintrittsgeld zu zahlen, um sich beknackte geschlechterklischeebeladene Schenkelklopfer anzuhören, über die eigentlich schon seit 30 Jahren keiner mehr lachen dürfte. Wenn man so viele Leute dazu bringt, sich eine Eintrittskarte zu kaufen, indem man vorgibt, witzig zu sein - erfüllt das dann nicht den Straftatbestand der Vorspiegelung falscher Tatsachen? Na, egal. Die Umfrage steht wie immer rechts oben; bitte klicken Sie jetzt.

Bleibt die Umfrage vom letzten Mal: Um Nazi-Wahlerfolge zu verhindern, haben sich aus den Antwortmöglichkeiten zwei Favoriten herauskristallisiert - die Mauer wieder aufzubauen und/oder ein Wahlsystem einzuführen, bei dem der Wähler den Namen der Partei, für die er stimmen will, fehlerfrei buchstabieren muss. Das scheint mir der erfolgversprechenste und kostengünstigste Weg zu sein. Der durchschnittliche NPD-Wähler wird daran scheitern.

Dennoch sollte man den Vorschlag, Sachsen an Polen abzutreten (immerhin 38%), nicht leichtfertig abtun. Letzten Endes läuft es doch sowieso darauf hinaus, wenn man Nazis wählt. Da könnte man doch den Krieg gleich überspringen und wäre die Arschkrampen los.

Sonntag, 13. Juli 2008

The Great Fuel'n'Fareast Swindle

Fragen Sie mal jemand auf der Straße, warum der Benzinpreis so exorbitant angestiegen ist. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bekommen Sie die Antwort: Weil die Chinesen so viel Öldurst haben. Diese Erklärung ist dank distanzloser Medien-Nachplapperei am weitesten verbreitet, führt aber dennoch auf die falsche Spur.

Die Wirtschaft im Reich der Mitte boomt nicht erst seit zwei Jahren, und in den letzten zwei Jahren wuchs sie sicher nicht in einem Maße, das die explosionsartige Verteuerung des Rohöls rechtfertigen könnte. Wenn der durch die wirtschaftliche Entwicklung in China bedingte Bedarf tatsächlich maßgeblich für den Weltmarktpreis an Rohöl wäre, so hieße das zwangsläufig, dass die Ölkonzerne in den Jahren bis, sagen wir: 2004, den Barrelpreis nicht entsprechend der dadurch gesteigerten Nachfrage angeglichen hätten - im Endeffekt also eine Schmälerung ihrer Profite hinnahmen. Das kann doch niemand ernsthaft glauben. (Manche Leute, denen diese Unlogik aufgefallen ist, versuchen sich an Erklärungsmodellen, die die derzeit besonderen Umstände berücksichtigen - Stichwort Olympia. Warum ein Sportfest mit ein paar tausend Teilnehmern aber die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs treiben sollte, erschließt sich mir jedoch nicht.)

Den Chinesen die Schuld am hohen Ölpreis zu geben ist fast so schwachsinnig wie Ausländer für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Was ich hingegen für einen viel realistischeren Ansatz halte, ist einer, der kaum in den Medien thematisiert wird - vielleicht, weil er so nahe liegt: Nackte Profitgier. Beispiele gefällig? Chevron steigert seinen Überschuss um zehn Prozent auf 5,2 Mrd. Dollar, Exxon sogar um 17 Prozent auf 10,9 Mrd. Dollar, BP - um mal einen europäischen Anbieter zu nennen - um rund 50 Prozent (!) auf 6,6 Mrd Dollar. Alles, wohlgemerkt, im ersten Quartal 2008.

Natürlich steigt die weltweite Nachfrage, und natürlich senkt man bei steigender Nachfrage die Preise nicht. Aber wir sprechen hier nicht von Umsätzen, die durch das hohe Preisniveau künstlich aufgebläht werden, sondern von Gewinnen. Und da der Markt seit jeher in den Händen einiger weniger Multis ist, greifen auch keine anderen marktwirtschaftlichen Regeln. Öl ist eben nicht irgendeine Ware, sondern ein Produkt, ohne das die Industrienationen nicht auskommen - eine Einladung zum Gelddrucken, zumal in Zeiten, in denen jede gesprengte Pipeline in Nigeria als zusätzliche Rechtfertigung herhalten muss.

Nicht zu vergessen die Rolle von Börsenspekulanten. Dass diese fleissig mit an der Preisschraube drehen, ist durchaus nichts neues. Nicht einmal das Investorenblatt "Fortune", sicherlich nicht der übermäßigen Kapitalismuskritik verdächtig, bezweifelt deren Rolle bei der galoppierenden Preissteigerung. Dass die Internationale Energieagentur, eine von den Industrienationen kontrollierte Organisation, den Börsen jegliche Verantwortung abspricht und weiterhin mit dem Finger in den Fernen Osten zweigt, ist ebenso nachvollziehbar wie lächerlich - vor allem, wenn die Agentur selbst von einer jährlichen Wachstumsrate der Nachfrage von lediglich 1,6 Prozent bei gleichzeitig leicht wachsender Produktionsmenge ausgeht.

Und während wir uns an der Tankstelle verwundert die Augen reiben, ist längst Stufe zwei der Operation "Enduring Robbery" angelaufen: Das Volk wird schon mal darauf eingestimmt, sich mittelfristig an diese Preise gewöhnen zu müssen - was nichts anderes heisst, als den Familienschmuck für ein paar Tankfüllungen herzugeben. Dafür hat wenigstens der andauernde Streit um Erbrechtsfragen ein Ende - wer will schon Omas Häuschen behalten, wenn er's im Winter nicht heizen kann?

Donnerstag, 10. Juli 2008

Gipfel der Heuchelei

Ein weiterer G8-Gipfel, ein weiteres Festival der Lippenbekenntnisse. Dieses Mal weitgehend ungestört von ungewaschenen Protestierern konnten sich die selbsternannten Weltenlenker einmal mehr so richtig als Retter aufspielen. Nur wen retten sie? Hungernde Menschen sicher nicht, Kriegsflüchtlinge auch nicht und die Natur schon mal gar nicht.

Immerhin lässt sich gegenüber Heiligendamm ein Fortschritt verzeichnen. Hieß es damals noch, man wolle eine deutliche Reduzierung des CO2-Ausstosses "ernsthaft in Erwägung ziehen", so formulierten die Staatschefs nun eine konkrete Zahl: Der Ausstoss von Treibhausgasen soll bis 2050 um 50 Prozent reduziert werden. Klingt doll, ist aber Fantasterei: Erstens werden Indien, China und andere Schwellenländer da nicht mitziehen, was den USA das nötige Alibi liefert, sich ebenfalls auszuklinken; und zweitens werden schon heute die viel bescheideneren Ziele der Kyoto-Konferenz nirgends erreicht. An eine derartig deutliche Reduktion der CO2-Emissionen glaube ich nur, wenn bis dahin das Erdöl ausgeht.

Damit sind wir beim zweiten Punkt. In einem geradezu rührend anmutenden, gleichwohl zur Schau gestellten Glauben an die Regeln der Marktwirtschaft forderten die G8-Staatschefs die Ölförderländer auf, mehr Öl zu produzieren, um den Preis wenigstens einigermaßen stabil zu halten. Vielleicht wäre es in diesem Zusammenhang sinnvoll gewesen, Vertreter dieser Länder zum Gipfel einzuladen - zu den "wichtigsten Industrienationen", wie sich die G8-Staaten selbstherrlich titulieren, gehören Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Staaten sicherlich längst, denn ohne Öl keine Industrie. Naja, denken wir positiv: Wenn wir mehr Öl fördern, ist das Zeug früher als erwartet alle, und das wird uns der Planet danken. Wenn er die Kriege um die letzten Ölreserven überstehen sollte, heißt das.

Das Ganze betrifft aber nicht erst die Welt in 42 Jahren, sondern wohl schon Deutschland im nächsten (Wahl-) Jahr. Nachdem es die Viererbande der deutschen Energieversorger bislang nicht geschafft hat, mittels ihrer heimischen Lobbyisten und ihrer Medienpropaganda die Bundesregierung zu einer Rückkehr zur Atomenergie zu bewegen, versuchen sie es nun über den Umweg der Außenpolitik. Dass ausgerechnet Bush den Energiekonzernen den Andrack macht, um Merkel unter Druck zu setzen, verwundert nicht - dabei ist das wohl gar nicht nötig, denn bei ihr rennt man offene Türen ein. Der einzige Grund, weshalb der Ausstieg aus der Atomenergie noch nicht vollzogen wurde, ist die Scheu vor dem daraus folgenden Ende der Koalition. Feuer im AKW Krümmel hin, Verseuchung im Endlager Asse II her: Nach der nächsten Wahl wird die Rückkehr zur Atomenergie Inhalt des ersten Dokuments sein, das die Unionsspitze auf den Tisch legt.

War sonst noch was? Ach ja: Die Ankündigung, die Entwicklungshilfe aufzustocken. Selten so gelacht: Schon die in Heiligendamm großmäulig angekündigten Erhöhungen sind mittlerweile im Papierkorb gelandet. Für eine intensive Beschäftigung mit der globalen Nahrungskrise hat es dann wohl nicht mehr gereicht - man kann sich ja nicht um alles kümmern.

So endet erneut der globalpolitisch-postkoloniale Herrenclub-Abend samt Dame als ein Gipfel der Heuchelei. Bis zum nächsten Mal.

Dienstag, 8. Juli 2008

Früh übt sich, wer mal ein Rassist sein will

Rassismus findet man überall: in der Kneipe, beim Fußball - und auch im Kindergarten. Ganz recht. Und deshalb setzen britische Behörden nun dort den Hebel an: Wenn ein Kindergarten-Kind mit rassistischen Äußerungen auffällt, müssen sofort erzieherische Maßnahmen ergriffen werden. Was wohl soviel heißt wie: Es bekommt ordentlich eins an die Löffel.

Nach dem Motto "Man ist, was man isst" gilt es den Plänen zufolge schon als rassistisch, stark gewürzte Mahlzeiten mit Begriffen wie "igitt" oder - noch schlimmer - "bäh" zu bezeichnen. Weil: Gewürze = Ausland = "Bäh". Auf so was muss man erstmal kommen. Aber dadurch weiß ich selbst jetzt endlich, warum ich - mal anders herum betrachtet - einen derartigen Mangel an Patriotismus habe: Ich habe schon als Kind typisch deutsche Gerichte wie Kohlrabi und Rote Bete gehasst - und meine Kindergärtnerinnen griffen nicht ein.

Nur eines verstehe ich nicht: Müsste nicht angesichts der englischen Küche jeder Brite zur Hausmannskost ständig "bäh" sagen? Ist das auch ein Zeichen für Rassismus, ja: Hassen die Briten sich gar selbst? Das würde immerhin einiges erklären.

Dienstag, 1. Juli 2008

Der große EM-Rückblick: Tore, Truppen, Terrorkampf

Die EM ist vorbei. Das ist schön: Die beste Mannschaft hat gewonnen, die Autos - die mit ihrer Beflaggung zeitweilig eher Streitwagen ähnelten - sehen wieder aus wie das, was sie eigentlich sind, nämlich Kompensationsobjekte für verkümmerte Geschlechtsorgane und die Leitmedien hören endlich auf, ihre Homepages tagelang mit Michael Ballacks Wadenproblemen aufzumachen.

Zeit, sich den üblen Geschmack übermäßigen Biergenusses von den Zähnen zu bürsten, die vom "Humba, humba, humba Täteräääää"-Singen gebrochene Stimme mit Kamillentee zu ölen und einen Rückblick zu wagen. Und zwar auf das, was man aufgrund der besonderen Umstände nicht so recht mitbekommen hat:

Seit Montag, 30. Juni, stellt die Bundeswehr die "Quick Reaction Force" in Nordafghanistan. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg sind damit reguläre deutsche Soldaten offiziell in einem anderen Land im Kampfeinsatz.

Am Donnerstag, 26. Juni, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, ihr Versprechen zur Anhebung der Entwicklungshilfe doch nicht einzulösen. O.k., das wird hierzulande wohl keine Revolte auslösen. Ein Wortbruch bleibt es dennoch.

Dienstag, 24. Juni: Verteidigungsminister Franz-Josef Jung gibt bekannt, mit der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr die dort stationierten Truppen um 1.000 Soldaten anheben zu wollen. Das wäre ein Anstieg um ein knappes Drittel.

Freitag, 20. Juni: Wolfgang Schäuble legt die Neufassung des BKA-Gesetzes vor, mit dem nicht nur die Online-Durchsuchung, sondern auch die Videoüberwachung von Wohnungen ermöglicht wird. Ein weiteres Grundrecht, mit dem sich der Innenminister den Hintern abwischt.

Mittwoch, 18. Juni: Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht eine Studie über rechtsextreme Tendenzen, nach der sich beinahe jeder sechste Deutsche einen "Führer" wünscht.

Sonntag, 15. Juni: Aussenminister Frank-Walter Steinmeier erweist den Machthabern in Peking seine Ehrerbietung. Um die Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung nicht zu verderben, verzichtet er auf jede Erwähnung des Dalai Lama oder der Gewaltaktion in Tibet. Fehlt eigentlich nur noch eine Tributzahlung.

Dienstag, 10. Juni: Die deutsche Autoindustrie setzt sich im Streit über Klimaschutzvorgaben durch. Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy handeln einen "Kompromiss" aus, nach dem BMW, Benz und Co. weiterhin ihre spritsaufenden und umweltverpestenden Monsterkarren bauen dürfen.
(Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; weitere Hinweise nehme ich gerne entgegen.)

Von Ereignissen im Ausland, die hier niemanden interessiert haben, weil man sich lieber Sorgen um Torsten Frings' Rippe machte, ganz zu schweigen. Ein alter politischer Taschenspielertrick: Hast du ein unpopuläres Vorhaben zu verkünden, mach' es während eines großen Fußballturniers. Man kann sich - netter Nebeneffekt - darauf verlassen, dass die Medien mitspielen und die Fußball-Schiene auch nach Beendigung des Turniers so lange weiter bedienen, bis es groteske Züge annimmt. Wenn die Leute anschließend wieder zur Besinnung kommen, ist die Meldung schon zwei Wochen alt - und irgendwie kein Aufreger mehr.