Mittwoch, 31. Dezember 2008

"So wird 2009", würde die Blödzeitung schreiben

Wer "A" sagt (wie etwa "Adieu 2008"), sollte auch "B" sagen (wie z.B. "Bitte nicht noch so ein Scheißjahr"). Letztlich ist es ja nur konsequent, nachdem es im vorangegangenen Posting eine Art von Rückblick gab, nun auch einen Blick ins kommende Jahr zu werfen. Macht ja auch das letzte Feld-, Wald- und Wiesenblatt. Die Zahl "Fünf" hat sich als ganz brauchbar erwiesen - alsdann: Das Jahr 2009 in fünf Punkten.
  • Andrea Ypsilanti, mit Fackeln und Mistforken aus Hessen vertrieben, tritt als SPD-Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl an, nachdem Frank-Walter Steinmeier über Murat Kurnaz gestolpert ist. Obwohl sie vorher geschworen hat, niemals mit den Verfassungsfeinden von der FDP auch nur zu sprechen, schließt sie nach der Wahl plötzlich eine schwarzrotgelbe Koalition nicht mehr aus. Das interessiert aber niemanden, da die SPD an der Fünfprozenthürde gescheitert ist. Neuer Parteivorsitzender wird ein gewisser Bonifatius Müller-Klöbner-Schimmelpfennig.
  • Den hauptberuflichen Euphemismus-Erfindern der Bundesregierung ist es immer noch nicht gelungen, einen netteren Ausdruck für "Weltwirtschaftskrise" (Ex-"Finanzmarktkrise"-ex-"Bankenkrise"-ex-"US-Immobilienkrise") zu finden. Das macht aber nichts, sie haben noch ein paar Jahre Zeit dafür - denn Experten sagen, die Krise sei noch lange nicht überstanden. Andere Experten sagen hingegen, es habe gar keine Krise gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück garantieren den Bundesbürgern derweil, dass ihre CD-Sammlungen sicher sind.
  • Um die Konjunktur anzukurbeln, erlässt das Kabinett ein Gesetz, durch das jeder, der sich bis zum 31. Januar ein Mehrfamilienhaus kauft, für ein halbes Jahr von den Müllgebühren befreit wird. Unterdessen werden weite Teile Bremerhavens abgerissen, um Platz für noch ein paar Millionen nicht verkaufte Autos zu schaffen. Die deutsche Wirtschaft schwenkt um, Hauptexportartikel werden elektronische Zigaretten. Dennoch bricht das System zusammen, als Sabine Bätzing vorschlägt, eine 0,0001-prozentige Steuer auf Bier zu erheben. In der darauf losbrechenden Revolution wird die gegenwärtige Regierung hinweggefegt, zwei Tage später aber unverändert wieder eingesetzt, da die Anführer der Revolution zu dem Schluss gekommen sind: "Wir als kleine Bürger können ja eh nichts machen."
  • Die Deutsche Hochseeflotte besiegt in einer gnadenlosen und ruhmreichen Entscheidungsschlacht die Flotte der Piraten vor Somalia. Zwei einsame Fregatten setzen sich mit genialer Taktik und übermenschlicher Leistung der Besatzungen gegen eine vielfache Übermacht von Piraten-Tretbooten durch. Der Tag der Schlacht wird zum staatlichen Feiertag erklärt, die Kinder bekommen schulfrei und müssen Matrosenanzüge tragen. In Wilhelmshaven wird ein neues Marine-Ehrenmal eingerichtet. Die Marine blickt aber schon in die Zukunft und bestellt weitere 342 Fregatten und 2138 Korvetten.
  • Nachdem Barack Obama von durchgeknallten Rassisten und Hillary Clinton von einem durchgeknallten Republikaner dahingemeuchelt worden sind und John McCain einen Herzinfarkt erlitten hat, wird Sarah Palin doch noch US-Präsidentin. Als erste Amtshandlung lässt sie den Mann verhaften, der ihr damals beim High-School-Abschlussball einen Korb gegeben hat. Anschließend erklärt sie diesem merkwürdigen Land namens "Russland" oder so ähnlich den Krieg, weil es ihr von ihrem Ferienhaus in Alaska den Ausblick auf die freie See nimmt. Dafür wird der Krieg im Irak beendet, da ein Großteil des Staatshaushaltes für Kleider und Kosmetik draufgeht. Ihre Tochter verdonnert Palin dazu, jedes Jahr ein Kind zu bekommen, um sich von der Sünde des vorehelichen Verkehrs reinzuwaschen.
In diesem Sinne: Zwar bin ich mir vollkommen im Klaren darüber, dass Silvester ein Tag wie jeder andere ist und es nicht die geringsten Anhaltspunkte gibt zu glauben, dass sich von heute auf morgen irgendetwas ändern sollte.

Da ich aber nicht nur mit Stöckchen, sondern auch gerne mit Floskeln um mich werfe und mich dem gesellschaftlichen Druck kaum entziehen kann, sei allen, die dies lesen, hiermit viel Glück im neuen Jahr gewünscht. Wir werden viel davon brauchen.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Das Jahr in fünf leichtverdaulichen Häppchen

Das Stöckchen von Impi gerne aufnehmend und dabei vor dem nicht totzukriegenden Trend nach Rankingshows kapitulierend präsentiere ich in dieser Stelle meine fünf "Besten 2008". Aber keine Sorge: Bei mir gibt es keine B-Promis, die mit völlig nichtssagenden verbalen Einwürfen nerven.

Los geht's:
  • Die Schlagzeile des Jahres lieferte die hiesige Regionalzeitung, die auf Seite 1 allen Ernstes titelte: "Sonnige Zeiten an Nordseeküste". Zur Kenntnisnahme: Der Hintergrund dieses Artikels, der schon mal künftig sprudelnde Tourismuseinnahmen feiert, ist die drohende Klimakatastrophe und eine Umweltstudie, aus der unter anderem hervorgeht, dass die Niederlande demnächst untergehen werden. Das wird auch mit einem Satz pflichtschuldigst erwähnt. Aber hey - Hauptsache, die Strandkörbe sind voll, oder?

  • Zur peinlichsten Argumentationskeule des Jahres erkläre ich den beliebten, wenngleich zumeist unpassenden Nazivergleich. Den Preis, ein vergoldetes Entschuldigungsschreiben, teilen sich: Helmut Schmidt, Jann Jakobs (beide SPD), Christoph Stölzl, Christian Wulff (beide CDU), Martin Lindner (FDP), Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein (ebenda) und Hans-Werner Sinn (Internationales Kapital). Den Preis für den besten ausländischen Nazivergleich gewinnt der Libyer Giasalla Ettalhi. Und einen Sonderpreis erhält Josef Schmid (CSU), der trotz zahlreicher entsprechender Überschriften gar keinen Nazi-Vergleich von sich gegeben hat, sondern offenbar selbst wie ein Nazi denkt.

  • Die schwachsinnigste Geschenkidee des Jahres dünkt mich die elektrische Kakerlake zu sein, die auch heißer Kandidat für den Preis des überflüssigsten Stromverbrauchers ist. Wer eine Ungeziefer-Sammlung aufbauen will, muss sich in Geduld üben: Die Hersteller arbeiten noch an der Entwicklung elektrischer Maden und elektrischer Schmeissfliegen.

  • Die Arschkarte des Jahres hat Thorsten Schäfer-Gümbel, der es geschafft hat, gefühlte 0,005 Sekunden nach seiner Nominierung zum hessischen SPD-Spitzenkandidaten medial bereits völlig erledigt worden zu sein. Die Leitartikler dieser Republik, keuchend über dem frisch erlegten Kadaver von Ypsilanti stehend, aber noch voll im Blutrausch befindlich, stürzten sich sofort auf den nächsten, der sich in ihrem eingeengten Sichtfeld bewegt hat. Schäfer-Gümbel hat noch nicht einmal etwas Schlimmes gesagt oder ein brechbares Versprechen abgegeben, als er schon in der Luft zerrissen wurde - mangels besserer Angriffsfläche aufgrund seines Namens, seiner Brille und seines Aussehens. Das I-Tüpfelchen in dieser hochnotpeinlichen Kampagne setzte schlussendlich Schäfer-Gümbel selbst, als er sich auf das Niveau seiner Kritiker herabließ und sagte, die Landtagswahl sei kein Schönheitswettbewerb - den er allerdings gegen Koch gewinnen würde.

  • Das Lehrgeld des Jahres zahlte Elke Heidenreich, der auf die schmerzhafte Tour klargemacht wurde, dass sie nicht Marcel Reich-Ranicki ist. Während dieser nach seiner Ablehnung des Fernsehpreises damit davonkam, ein paar Tage später von Thomas Gottschalk öffentlich vorgeführt zu werden, wurde Heidenreich kurzerhand hinausgeworfen. Mit dem Imperium legt man sich halt nicht an. Vielleicht hätte sie einmal kurz daran zurückdenken sollen, dass sie ihren Bekanntheitsgrad wohl kaum ihrer Literatursendung zu verdanken hat, sondern der TV-Figur "Else Stratmann" - und die war, ähem, auch nicht gerade ein Paradebeispiel intellektuellen Bildungsfernsehens.

So, und in schönster Bloggertradition apportiere ich das Stöckchen natürlich nicht zurück zum Werfer, sondern werfe es weiter, und zwar an JuWi, BuStä und Carluv. Was sind eure fünf besten Was-auch-Immer?

Außerdem wünsche ich jedem, der's bis hierher geschafft hat, schöne Restweihnachten. Allen anderen natürlich auch.

Sonntag, 21. Dezember 2008

Herr Doktor, ich sehe auf dem rechten Auge so schlecht - und taub werde ich auch

Was für eine Woche: An jeder Straßenecke werden CDs mit Telefonnummern, Kreditkarten-PINs und Cholesterinwerten der Karteninhaber feilgeboten. Wirtschaftsexperten streiten darüber, ob 2009 gar nicht so schlimm wird wie befürchtet oder ob das Land in steinzeitlichen Tauschhandel zurückfallen wird. Die Blödzeitung veröffentlich schon mal eine Art Fahndungsfoto des freigelassenen Christian Klar und hetzt die Leute auf wie in den guten alten 60ern. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass Deutschland dank zweier BND-Agenten so tief in einem Angriffskrieg verstrickt ist wie seit 1941 nicht mehr und wie man es überhaupt nur sein kann, ohne selbst Schüsse abzugeben. Das dürfen deutsche Soldaten jetzt immerhin in einem anderen Teil der Welt, vor Somalia nämlich - die Chance für die seit Generationen mit Minderwertigkeitskomplexen geschlagene Marine, endlich einmal einen glorreichen Sieg zur See zu erringen.

Viel Stoff zum Bloggen - zuviel eigentlich angesichts der Tatsache, dass man derzeit auch genug anderes zu tun hat und ein akuter Anfall von Bloggerstarre droht. Konzentrieren wir uns daher auf ein Thema: Den Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl und die Reaktionen darauf. Dass es der "Welt", dem Springer-Hetzblatt für Leser mit mittlerer Reife, nicht zu blöd ist, den Anschlag sofort auf eine Stufe mit den 1.-Mai-Krawallen zu stellen, verwundert kaum. Wenn aber der Regierungssprecher eine ganz "neue Qualität" rechtsextremer Gewalt ausmacht - dann stimme ich aus vollem Herzen Dieter Hildebrandt zu, der daraus schlussfolgerte, dass die zahllosen Angriffe von Neonazis auf Ausländer und Linke dann wohl eine andere, offenbar niedrigere Qualität dargestellt hätten.

Aber lassen wir einmal Regierungssprecher, Kabarettisten und Medien beiseite - was sagt eigentlich unser Innenminister zu dem Vorfall? In den ersten Tagen gar nichts; null, nada, nothing. Darüber, dass der Psychopath auf der Regierungsbank mal ein paar Tage die Klappe hält, hätte ich mich zu anderen Zeiten sehr gefreut. Jetzt allerdings erscheint dies merkwürdig: Wenn politisch motivierte Gewalttäter Mordanschläge auf hochrangige Polizeibeamte durchführen, ist dann nicht die gerade in letzter Zeit so viel beschworene Sicherheit des Staates gefährdet? Wenn nicht in diesem Falle - wann denn, bitteschön, dann? Muss nicht geradezu zwangsläufig das Thema Rechtsextremismus auf die Terror-Agenda gesetzt werden?

Also warum äußerte sich Schäuble nicht? Meine Befürchtung: Es interessiert ihn gar nicht so besonders, was sich da im braunen Sumpf regt. Neonazis werden in diesem Land nach wie vor nicht wie Terroristen behandelt. Normale Bürger schon, ihnen wird ein Recht nach dem anderen entzogen - auch ohne dass sie Bomben auf dem Oktoberfest platzieren, Wohnungen von Ausländern brandschatzen und tausendfache alltägliche Gewaltakte begehen. Mannichl hat die Gefahr von rechts mittlerweile erkannt und ist gegen sie vorgegangen. Unter anderem war er an der Exhumierung der Reichskriegsflagge am Grab des Obernazis Busse beteiligt und musste sich dafür als "Grabschänder" beschimpfen lassen - einer der harmloseren Begriffe, mit denen der widerwärtige braune Mob - allen voran die NPD - den Boden für den Lynchmord-Versuch vorbereitet hat.

Ich will Schäuble allerdings nicht Unrecht tun. Vermutlich durchsuchte er in den Tagen nach dem Angriff höchstpersönlich sämtliche Passauer Festplatten nach Beweismaterial. Bislang ist nicht viel herausgekommen: Gefahndet wird nach einem Mann mit Glatze. Gott sei dank nicht nach einem Mann mit Turban - was dann hier los wäre, möchte ich mir gar nicht ausmalen.

Nun aber, eine knappe Woche später, konnte sich auch der schweigende Schäuble des Themas nicht mehr entziehen - und sagte was? Genau: "Wir dürfen nicht ein Verbotsverfahren gegen die NPD beantragen, ohne sicher zu sein, dass wir es auch gewinnen können." Ein uraltes Scheinargument, das nur eines belegt: Dass im Innenministerium überhaupt kein Wille besteht, diese Drecksackvereinigung zu verbieten. Vermutlich wurde seit dem grandiosen Scheitern des ersten Verbotsverfahrens kein einziger der verdeckten Ermittler aus der Partei abgezogen, um auch ja sicherzustellen, dass auch ein etwaiger erneuter Anlauf danebengeht.

Und so marschiert die Nazibande weiter unter Polizeischutz durch die Straßen, während die Staatsmacht wegschaut - mit einem Auge auf Ihre und meine E-mails, mit dem anderen auf Überwachungskameras blickend; mit dem Ohr am Telefon-Mitschnitt lauschend und die Klappe dicht geschlossen - ähnlich wie bei den berühmten drei Affen. Kein Wunder, dass man da blind und taub wird - zumindest auf einer Kopfseite. Der rechten.

Montag, 15. Dezember 2008

Ho-Ho-Hoffenheim!

Obgleich sich mein Interesse für Fußball in sehr überschaubaren Grenzen hält, freute ich mich im Sommer diebisch über den Aufstieg der TSG Hoffenheim in die Bundesliga. Im Gegensatz zu vielen anderen, die darüber auf eine Art und Weise erbost waren, die ich mir bei anderen Themen wünschen würde. Diese meine Freude ist nun noch einmal gesteigert worden: Der "Dorfverein" ist Herbstmeister.

Warum hatten die selbsternannten Fußballkritiker seinerzeit so viel Schaum vor dem Mund? Hoffenheim sei ein Retortenklub, wurde da gemeckert, keine gewachsene Tradition, der ganze Erfolg des Vereins, der noch vor ein paar Jahren in der Verbandsliga spielte, nur mit den Millionen des SAP-Mitbegründers Joachim Hopp zusammengekauft. Aber Erfolg dürfe nicht erkauft werden, hieß es; Hoffenheim mache "den Fußball kaputt", sagte mancher und ließ offen, welchen Ball genau er meinte. Als nächstes, so fürchteten viele, könnte sich auch noch herausstellen, dass es bei Casting-Shows nicht ums Singen, sondern bloß ums Geldverdienen gehe.

Nun werden die bierbäuchigen Stammtischsportler allmählich ruhiger. Der Mensch gewöhnt sich schließlich an alles, sogar an Hoffenheim an der Spitze der Bundesliga. Zeit, die Verhältnisse zurechtzurücken: Den Dorfverein gibt es länger als Schalke oder Dortmund - so viel zur Tradition. Der Marktwert der Mannschaft von Hoffenheim beträgt etwa so viel wie der der Ersatzbankdrücker von Bayern München - die sich ihre Erfolge im Übrigen seit Jahrzehnten erkaufen, weshalb aber niemand schreit, dass die Bayern in der ersten Liga nichts zu suchen hätten. Der Erfolg der Hoffenheimer beruht also auf etwas anderem. Der wissenschaftliche Fachbegriff dafür lautet "Spielwitz".

Das bundesweite Gemeckere ging ja auch schon in der Zweiten Liga los, als Hopp ein paar Mal ins Portemonnaie griff und eine Handvoll Spieler nachkaufte, als der Verein ins sportliche Straucheln geriet. Und? Aus den Vertretern der anderen Vereine, die sich darüber aufgeregt haben, sprach doch nur der blanke Neid. Jeder Verein kauft Spieler, wenn es nicht so gut läuft und die Kohle da ist. Und deshalb hätte jeder Verein gerne einen solchen Mäzen. Hat aber nicht jeder, also wird drauflosgemotzt.

Sich als Fan angesichts der Vorgänge verwundert die Augen zu reiben und empört auszurufen: "Was denn - Fußball hat etwas mit Geld zu tun? Davon habe ich nichts gewusst, das ist ja skandalös!" zeugt dagegen von grenzenloser Dummheit oder quasi-religiöser Überhöhung des runden Leders - was eigentlich dasselbe ist. Angefeuert von Sportmedien und Moderatoren, die sich mitunter geradezu esoterisch anmutende Erklärungsschemata aus dem Hirn wringen, um Spielverläufe zu beschreiben, ist der gesunde Menschenverstand irgendwo zwischen Außenlinie und Strafraum auf der Strecke geblieben.

Vielleicht wird Hoffenheim ja sogar Meister. Die dann zu erwartende Selbstmordwelle wäre zwar unschön, aber vielleicht auch angetan, an dieser merkwürdig sakralen Vorstellung eines Ballspiels etwas zu ändern. Dann hätte das Gelabere endlich ein Ende und man könnte in Ruhe Fußball gucken.

Wenn man denn will.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Wir ziehen gegen Engeland (rumta-rumta-rumtata)

Krise zwischen London und Berlin: Wieder einmal giftet ein deutscher Politiker über die Politik des perfiden Albion. Diese Griffe ins diplomatische Klo haben eine schöne Tradition: Willem Zwo ließ sich seinerzeit im berüchtigten "Daily Telegraph"-Interview über die gehassliebten Inselbewohner aus, und das polternde Auftreten eines Joachim von Ribbentrop in Londoner Politikerkreisen hat schon damals Anlass zu Witzen gegeben. "Deutschland gegen den Rest der Welt" zu titeln, wie es die msn-Nachrichten tun, ist allerdings zu viel des Schlechten - so was hatten wir schon zweimal, mit eher mäßigem Erfolg, und ganz so weit ist es nun auch wieder nicht. Nein, es ist bloß Finanzminister Peer Steinbrück, der sein Haupthaar gen Themse schüttelt.

Klar, wer kann's ihm verdenken: Die Regierung von Gordon Brown senkt die Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte und gibt damit ein schlechtes Beispiel - zumindest aus der Sicht eines deutschen Finanzministers. Da könnten ja andere auf die Idee kommen, einen ähnlichen Schritt auch von ihm zu verlangen. Und Peer hat doch seine Milliarden so sehr ins Herz geschlossen, dass er sich von keiner einzigen trennen mag. Übrigens: Steinbrück gehört derselben Partei an, die vor dem Regierungswechsel 2005 gegen die als "Merkelsteuer" gebrandmarkte Mehrwertsteuererhöhung gewütet hatte. Nun ja.

So weit, so geizig. Aber wie musste Steinbrück seine Ablehnung einer Mehrwertsteuersenkung begründen? "Kein Mensch kauft einen DVD-Spieler, weil er statt 39,90 Pfund nur noch 39,10 Pfund kostet", wettert er Richtung London und zeiht die Brownsche Scheinchenbewegung zugunsten der Verbraucher als Irrweg zur Konjunkturankurbelung. Hat er natürlich nicht unrecht: Wer sich keinen DVD-Spieler leisten kann, kauft ihn auch nicht, weil er 80 Pennys billiger ist. Besser machen es natürlich die Deutschen, genauer gesagt: er. Denn Tausende, ach was: Zehntausende Bürger werden sich in den kommenden Wochen noch schnell ein neues Auto für 39.000 Euro kaufen, weil sie dadurch im nächsten Jahr ein paar hundert Euro Kfz-Steuer Sparen. So wird den Leuten etwas zurückgegeben! Das ist ein schlüssiges Konzept! Die Inselaffen sind doch eh alle Kommunisten.

Nein, im Ernst. Jeder, der über ein auch nur halbwegs funktionstüchtiges Denkorgan verfügt, muss sich fragen: Ist unser Finanzminister einfach ein bißchen blöd oder verachtet er das Volk so sehr, dass er glaubt, es mit einem derartigen Schwachsinnsargument abspeisen zu können?
Für den Fall, dass er nur blöd ist, erkläre ich ihm gerne an dieser Stelle - langsam und zum mitschreiben -, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht nur den DVD-Spieler billiger macht, sondern auch die Tankfüllung, die Turnschuhe und den Tomatensaft - was einen Geringverdiener evtl. in die Lage versetzen könnte, sich vom gesparten Geld eben doch den DVD-Spieler zu kaufen.

Das Dumme ist nur: Ich glaube nicht, dass Steinbrück blöd ist. Also bleibt nur die andere Möglichkeit, nämlich ein unerträgliches Maß an Ignoranz und Arroganz. "Briten-Schelte bringt Steinbrück Applaus ein", lobt Spon des Ministers Verbalbreitseite - wäre ich dabei gewesen, hätte es noch ein bißchen lauter geklatscht.

Aber keinen Applaus.

Montag, 8. Dezember 2008

Captain, der Scanner zeigt einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum

Beim unmotivierten abendlichen Herumzappen kam ich am Samstag nicht umhin festzustellen, dass das Fernsehen uns mit gleich zwei Jahresrückblicken beglückte - selbstredend zur selben Sendezeit. Kerner wurde auf Jauch losgelassen, vielleicht auch andersherum, völlig unwichtig. Viel bedeutsamer finde ich indes folgenden Umstand: Es ist ja längst Usus, dass das Weihnachtsgeschäft immer früher loszugehen scheint und die ersten Dominosteine und Lebkuchenherzen schon Mitte August in den Verkauf kommen. Das ist ja so weit auch nichts verwerfliches. Aber ein Jahresrückblick Anfang Dezember? Ist das nicht ein bißchen... nun ja, früh?

Schließlich fließt bis Sylvester noch eine Menge Wasser die Weser herunter. Oder Blut den Strom der Geschichte, um mal einem Anflug von Prosaismus nachzugeben. Die Atommächte Indien und Pakistan sind kurz davor, sich an die Gurgel zu gehen; Dutzende Kriegsschiffe laden ihre Kanonen durch, um somalische Seeräuberboote samt Insassen zu Klump zu schießen; Tausende wütende Autonome nehmen Athen auseinander und vielleicht kommt George W. Bush ja noch auf die Idee, zum Abschluss seiner Amtszeit irgendeine Wahnsinnstat zu vollbringen - das Jahr 2008 hat also noch einiges in petto. Dies alles wird dann aber wohl erst im nächsten Jahresrückblick Platz finden - der vermutlich Ende Oktober 2009 gesendet wird. Schließlich gilt es in der beinharten TV-Branche, der Konkurrenz immer ein Stückchen voraus zu sein! Deshalb werden ja auch Jahrestage mittlerweile schon Wochen vorher medial abgefeiert.

Also: Es ist wohl ein Irrglaube, dass sich Jahresrückblicke zwangsläufig nach dem Kalender richten sollten. Was soll's: Schließlich gibt es ja Kirchenjahre, Geschäftsjahre, Schuljahre - und dann eben auch TV-Jahre. Das ist ja keine große Sache und es gibt durchaus schlimmere Probleme - aber die Beliebigkeit, mit der das Fernsehen seinen Zuschauern seine persönliche Definition von Zeit aufzwingt, nervt ganz schön.

So, das musste mal raus. Bis denn, ich gehe jetzt Sylvester feiern.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Neue Umfrage: ... dann sollen sie doch Kuchen essen!

Och menno. Ich hatte es mir so schön vorgestellt mit den Konsumgutscheinen: Endlich soll den verelendeten Massen etwas zurückgegeben werden. Ein Anflug von wohltätiger Gesinnung, ja sogar Nächstenliebe! Ich sah innerlich schon vor mir, wie Steinbrück und Merkel in prächt'gem Ornat hoch zu Ross durch die zugeschissenen Straßen von Berlin traben und mit edelmütiger Geste Goldmünzen Gutscheine an das ungewaschene Volk verteilen. Heerscharen delirierender Proletarier mit struppigen Schnurrbärten standen bereit, mit zitternden Händen das Dokument der Glückseligkeit entgegenzunehmen und es mit leerem Blick, dafür aber entschlossen ausgefahrenen Ellbogen in den nächsten Media Markt zu tragen.

Mit den Gutscheinen sollte die Konjunktur angekurbelt werden, denn es droht bekanntlich eine Rezession. Da will das Geld in Umlauf gebracht werden! Jeder Einzelne ist hier gefordert - wer spart, begeht einen mittelschweren Akt des Landesverrats und ist mit Schuld an der Misere. Nun gut, eigentlich müssen wir alle sparen, damit wir im Alter nicht verhungern. Und wenn man's ganz genau nimmt, können viele weder sparen noch großartig konsumieren, weil sie jetzt schon am Hungertuch nagen und die letzten paar Kröten für die nächste Gasrechnung zurückgehalten werden müssen. Es ist ein bisschen wie bei dem Marie Antoinette zugeschriebenen Ausspruch, dass das Volk, wenn es kein Brot mehr habe, doch Kuchen essen solle.

Aber genau dieses Problem hat die Regierung ja jetzt erkannt und wollte den Leuten Geld zum Ausgeben in die Hand drücken! Einfach so! Für lau! Direkt vor Weihnachten! Okay - wer zu genau hinguckt, auf seine letzte Steuererklärung nämlich, wird eine Ahnung davon haben, wo das Geld eigentlich herkommt. Aber Leute, die darauf hinweisen, sind eh alles Miesepeter, die an allem etwas herumzumäkeln haben.

Und nun? Nix gibt's. Politiker beider Koalitionsparteien stellen sich quer, das Thema ist wohl vom Tisch. Hinterher will's niemand gewesen sein, der diese Idee laut ausgesprochen hat - und das Volk fühlt sich langsam verarscht. Vom erwähnten Kuchen bekommt es sowieso niemals etwas ab, und nun sollte es sich freuen, nach dem Backen die Schüssel auslecken zu dürfen.

Was bleibt, ist der Gedanke daran, was man sich hätte zulegen können von diesem Konsumgutschein. Und das ist auch gleich Inhalt der aktuellen Umfrage, wie immer rechts oben auf der Seite. Viel Spaß.

Ach, und dann war da ja noch das letzte Voting, das der Frage nachging, warum die Gasversorger, die ihren Kunden in Zeiten steigender Ölpreise unter Hinweis auf die berüchtigte Preisbindung kräftig und schamlos in die Tasche gegriffen haben, nun - unter Berücksichtigung fallender Ölpreise - ihre Tarife nicht wieder senken. Die Antwort fiel deutlich aus: 70 Prozent der Bundesbürger sind der Meinung, die Versorger verhalten sich so, weil niemand sie daran hindert. Ein paar glaubten auch, dass die Russen schuld sind, aber das ist zu vernachlässigen.

Und die vorletzte Umfrage hatte ich auch noch gar nicht ausgewertet. Kurz zusammengefasst: Je die Hälfte der Teilnehmer war der Meinung, dass Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein ein aus zahllosen Inzest-Generationen hervorgegangener degenerierter Adliger bzw. ein kleinlicher Despot sei, der seinem Volk eine quasi-absolutistische Verfassung aufgezwungen hat und gerne mit Dreck nach anderen wirft. Nun ja, das schließt sich ja nicht aus.