Mittwoch, 31. Dezember 2008

"So wird 2009", würde die Blödzeitung schreiben

Wer "A" sagt (wie etwa "Adieu 2008"), sollte auch "B" sagen (wie z.B. "Bitte nicht noch so ein Scheißjahr"). Letztlich ist es ja nur konsequent, nachdem es im vorangegangenen Posting eine Art von Rückblick gab, nun auch einen Blick ins kommende Jahr zu werfen. Macht ja auch das letzte Feld-, Wald- und Wiesenblatt. Die Zahl "Fünf" hat sich als ganz brauchbar erwiesen - alsdann: Das Jahr 2009 in fünf Punkten.
  • Andrea Ypsilanti, mit Fackeln und Mistforken aus Hessen vertrieben, tritt als SPD-Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl an, nachdem Frank-Walter Steinmeier über Murat Kurnaz gestolpert ist. Obwohl sie vorher geschworen hat, niemals mit den Verfassungsfeinden von der FDP auch nur zu sprechen, schließt sie nach der Wahl plötzlich eine schwarzrotgelbe Koalition nicht mehr aus. Das interessiert aber niemanden, da die SPD an der Fünfprozenthürde gescheitert ist. Neuer Parteivorsitzender wird ein gewisser Bonifatius Müller-Klöbner-Schimmelpfennig.
  • Den hauptberuflichen Euphemismus-Erfindern der Bundesregierung ist es immer noch nicht gelungen, einen netteren Ausdruck für "Weltwirtschaftskrise" (Ex-"Finanzmarktkrise"-ex-"Bankenkrise"-ex-"US-Immobilienkrise") zu finden. Das macht aber nichts, sie haben noch ein paar Jahre Zeit dafür - denn Experten sagen, die Krise sei noch lange nicht überstanden. Andere Experten sagen hingegen, es habe gar keine Krise gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück garantieren den Bundesbürgern derweil, dass ihre CD-Sammlungen sicher sind.
  • Um die Konjunktur anzukurbeln, erlässt das Kabinett ein Gesetz, durch das jeder, der sich bis zum 31. Januar ein Mehrfamilienhaus kauft, für ein halbes Jahr von den Müllgebühren befreit wird. Unterdessen werden weite Teile Bremerhavens abgerissen, um Platz für noch ein paar Millionen nicht verkaufte Autos zu schaffen. Die deutsche Wirtschaft schwenkt um, Hauptexportartikel werden elektronische Zigaretten. Dennoch bricht das System zusammen, als Sabine Bätzing vorschlägt, eine 0,0001-prozentige Steuer auf Bier zu erheben. In der darauf losbrechenden Revolution wird die gegenwärtige Regierung hinweggefegt, zwei Tage später aber unverändert wieder eingesetzt, da die Anführer der Revolution zu dem Schluss gekommen sind: "Wir als kleine Bürger können ja eh nichts machen."
  • Die Deutsche Hochseeflotte besiegt in einer gnadenlosen und ruhmreichen Entscheidungsschlacht die Flotte der Piraten vor Somalia. Zwei einsame Fregatten setzen sich mit genialer Taktik und übermenschlicher Leistung der Besatzungen gegen eine vielfache Übermacht von Piraten-Tretbooten durch. Der Tag der Schlacht wird zum staatlichen Feiertag erklärt, die Kinder bekommen schulfrei und müssen Matrosenanzüge tragen. In Wilhelmshaven wird ein neues Marine-Ehrenmal eingerichtet. Die Marine blickt aber schon in die Zukunft und bestellt weitere 342 Fregatten und 2138 Korvetten.
  • Nachdem Barack Obama von durchgeknallten Rassisten und Hillary Clinton von einem durchgeknallten Republikaner dahingemeuchelt worden sind und John McCain einen Herzinfarkt erlitten hat, wird Sarah Palin doch noch US-Präsidentin. Als erste Amtshandlung lässt sie den Mann verhaften, der ihr damals beim High-School-Abschlussball einen Korb gegeben hat. Anschließend erklärt sie diesem merkwürdigen Land namens "Russland" oder so ähnlich den Krieg, weil es ihr von ihrem Ferienhaus in Alaska den Ausblick auf die freie See nimmt. Dafür wird der Krieg im Irak beendet, da ein Großteil des Staatshaushaltes für Kleider und Kosmetik draufgeht. Ihre Tochter verdonnert Palin dazu, jedes Jahr ein Kind zu bekommen, um sich von der Sünde des vorehelichen Verkehrs reinzuwaschen.
In diesem Sinne: Zwar bin ich mir vollkommen im Klaren darüber, dass Silvester ein Tag wie jeder andere ist und es nicht die geringsten Anhaltspunkte gibt zu glauben, dass sich von heute auf morgen irgendetwas ändern sollte.

Da ich aber nicht nur mit Stöckchen, sondern auch gerne mit Floskeln um mich werfe und mich dem gesellschaftlichen Druck kaum entziehen kann, sei allen, die dies lesen, hiermit viel Glück im neuen Jahr gewünscht. Wir werden viel davon brauchen.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Das Jahr in fünf leichtverdaulichen Häppchen

Das Stöckchen von Impi gerne aufnehmend und dabei vor dem nicht totzukriegenden Trend nach Rankingshows kapitulierend präsentiere ich in dieser Stelle meine fünf "Besten 2008". Aber keine Sorge: Bei mir gibt es keine B-Promis, die mit völlig nichtssagenden verbalen Einwürfen nerven.

Los geht's:
  • Die Schlagzeile des Jahres lieferte die hiesige Regionalzeitung, die auf Seite 1 allen Ernstes titelte: "Sonnige Zeiten an Nordseeküste". Zur Kenntnisnahme: Der Hintergrund dieses Artikels, der schon mal künftig sprudelnde Tourismuseinnahmen feiert, ist die drohende Klimakatastrophe und eine Umweltstudie, aus der unter anderem hervorgeht, dass die Niederlande demnächst untergehen werden. Das wird auch mit einem Satz pflichtschuldigst erwähnt. Aber hey - Hauptsache, die Strandkörbe sind voll, oder?

  • Zur peinlichsten Argumentationskeule des Jahres erkläre ich den beliebten, wenngleich zumeist unpassenden Nazivergleich. Den Preis, ein vergoldetes Entschuldigungsschreiben, teilen sich: Helmut Schmidt, Jann Jakobs (beide SPD), Christoph Stölzl, Christian Wulff (beide CDU), Martin Lindner (FDP), Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein (ebenda) und Hans-Werner Sinn (Internationales Kapital). Den Preis für den besten ausländischen Nazivergleich gewinnt der Libyer Giasalla Ettalhi. Und einen Sonderpreis erhält Josef Schmid (CSU), der trotz zahlreicher entsprechender Überschriften gar keinen Nazi-Vergleich von sich gegeben hat, sondern offenbar selbst wie ein Nazi denkt.

  • Die schwachsinnigste Geschenkidee des Jahres dünkt mich die elektrische Kakerlake zu sein, die auch heißer Kandidat für den Preis des überflüssigsten Stromverbrauchers ist. Wer eine Ungeziefer-Sammlung aufbauen will, muss sich in Geduld üben: Die Hersteller arbeiten noch an der Entwicklung elektrischer Maden und elektrischer Schmeissfliegen.

  • Die Arschkarte des Jahres hat Thorsten Schäfer-Gümbel, der es geschafft hat, gefühlte 0,005 Sekunden nach seiner Nominierung zum hessischen SPD-Spitzenkandidaten medial bereits völlig erledigt worden zu sein. Die Leitartikler dieser Republik, keuchend über dem frisch erlegten Kadaver von Ypsilanti stehend, aber noch voll im Blutrausch befindlich, stürzten sich sofort auf den nächsten, der sich in ihrem eingeengten Sichtfeld bewegt hat. Schäfer-Gümbel hat noch nicht einmal etwas Schlimmes gesagt oder ein brechbares Versprechen abgegeben, als er schon in der Luft zerrissen wurde - mangels besserer Angriffsfläche aufgrund seines Namens, seiner Brille und seines Aussehens. Das I-Tüpfelchen in dieser hochnotpeinlichen Kampagne setzte schlussendlich Schäfer-Gümbel selbst, als er sich auf das Niveau seiner Kritiker herabließ und sagte, die Landtagswahl sei kein Schönheitswettbewerb - den er allerdings gegen Koch gewinnen würde.

  • Das Lehrgeld des Jahres zahlte Elke Heidenreich, der auf die schmerzhafte Tour klargemacht wurde, dass sie nicht Marcel Reich-Ranicki ist. Während dieser nach seiner Ablehnung des Fernsehpreises damit davonkam, ein paar Tage später von Thomas Gottschalk öffentlich vorgeführt zu werden, wurde Heidenreich kurzerhand hinausgeworfen. Mit dem Imperium legt man sich halt nicht an. Vielleicht hätte sie einmal kurz daran zurückdenken sollen, dass sie ihren Bekanntheitsgrad wohl kaum ihrer Literatursendung zu verdanken hat, sondern der TV-Figur "Else Stratmann" - und die war, ähem, auch nicht gerade ein Paradebeispiel intellektuellen Bildungsfernsehens.

So, und in schönster Bloggertradition apportiere ich das Stöckchen natürlich nicht zurück zum Werfer, sondern werfe es weiter, und zwar an JuWi, BuStä und Carluv. Was sind eure fünf besten Was-auch-Immer?

Außerdem wünsche ich jedem, der's bis hierher geschafft hat, schöne Restweihnachten. Allen anderen natürlich auch.

Sonntag, 21. Dezember 2008

Herr Doktor, ich sehe auf dem rechten Auge so schlecht - und taub werde ich auch

Was für eine Woche: An jeder Straßenecke werden CDs mit Telefonnummern, Kreditkarten-PINs und Cholesterinwerten der Karteninhaber feilgeboten. Wirtschaftsexperten streiten darüber, ob 2009 gar nicht so schlimm wird wie befürchtet oder ob das Land in steinzeitlichen Tauschhandel zurückfallen wird. Die Blödzeitung veröffentlich schon mal eine Art Fahndungsfoto des freigelassenen Christian Klar und hetzt die Leute auf wie in den guten alten 60ern. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass Deutschland dank zweier BND-Agenten so tief in einem Angriffskrieg verstrickt ist wie seit 1941 nicht mehr und wie man es überhaupt nur sein kann, ohne selbst Schüsse abzugeben. Das dürfen deutsche Soldaten jetzt immerhin in einem anderen Teil der Welt, vor Somalia nämlich - die Chance für die seit Generationen mit Minderwertigkeitskomplexen geschlagene Marine, endlich einmal einen glorreichen Sieg zur See zu erringen.

Viel Stoff zum Bloggen - zuviel eigentlich angesichts der Tatsache, dass man derzeit auch genug anderes zu tun hat und ein akuter Anfall von Bloggerstarre droht. Konzentrieren wir uns daher auf ein Thema: Den Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl und die Reaktionen darauf. Dass es der "Welt", dem Springer-Hetzblatt für Leser mit mittlerer Reife, nicht zu blöd ist, den Anschlag sofort auf eine Stufe mit den 1.-Mai-Krawallen zu stellen, verwundert kaum. Wenn aber der Regierungssprecher eine ganz "neue Qualität" rechtsextremer Gewalt ausmacht - dann stimme ich aus vollem Herzen Dieter Hildebrandt zu, der daraus schlussfolgerte, dass die zahllosen Angriffe von Neonazis auf Ausländer und Linke dann wohl eine andere, offenbar niedrigere Qualität dargestellt hätten.

Aber lassen wir einmal Regierungssprecher, Kabarettisten und Medien beiseite - was sagt eigentlich unser Innenminister zu dem Vorfall? In den ersten Tagen gar nichts; null, nada, nothing. Darüber, dass der Psychopath auf der Regierungsbank mal ein paar Tage die Klappe hält, hätte ich mich zu anderen Zeiten sehr gefreut. Jetzt allerdings erscheint dies merkwürdig: Wenn politisch motivierte Gewalttäter Mordanschläge auf hochrangige Polizeibeamte durchführen, ist dann nicht die gerade in letzter Zeit so viel beschworene Sicherheit des Staates gefährdet? Wenn nicht in diesem Falle - wann denn, bitteschön, dann? Muss nicht geradezu zwangsläufig das Thema Rechtsextremismus auf die Terror-Agenda gesetzt werden?

Also warum äußerte sich Schäuble nicht? Meine Befürchtung: Es interessiert ihn gar nicht so besonders, was sich da im braunen Sumpf regt. Neonazis werden in diesem Land nach wie vor nicht wie Terroristen behandelt. Normale Bürger schon, ihnen wird ein Recht nach dem anderen entzogen - auch ohne dass sie Bomben auf dem Oktoberfest platzieren, Wohnungen von Ausländern brandschatzen und tausendfache alltägliche Gewaltakte begehen. Mannichl hat die Gefahr von rechts mittlerweile erkannt und ist gegen sie vorgegangen. Unter anderem war er an der Exhumierung der Reichskriegsflagge am Grab des Obernazis Busse beteiligt und musste sich dafür als "Grabschänder" beschimpfen lassen - einer der harmloseren Begriffe, mit denen der widerwärtige braune Mob - allen voran die NPD - den Boden für den Lynchmord-Versuch vorbereitet hat.

Ich will Schäuble allerdings nicht Unrecht tun. Vermutlich durchsuchte er in den Tagen nach dem Angriff höchstpersönlich sämtliche Passauer Festplatten nach Beweismaterial. Bislang ist nicht viel herausgekommen: Gefahndet wird nach einem Mann mit Glatze. Gott sei dank nicht nach einem Mann mit Turban - was dann hier los wäre, möchte ich mir gar nicht ausmalen.

Nun aber, eine knappe Woche später, konnte sich auch der schweigende Schäuble des Themas nicht mehr entziehen - und sagte was? Genau: "Wir dürfen nicht ein Verbotsverfahren gegen die NPD beantragen, ohne sicher zu sein, dass wir es auch gewinnen können." Ein uraltes Scheinargument, das nur eines belegt: Dass im Innenministerium überhaupt kein Wille besteht, diese Drecksackvereinigung zu verbieten. Vermutlich wurde seit dem grandiosen Scheitern des ersten Verbotsverfahrens kein einziger der verdeckten Ermittler aus der Partei abgezogen, um auch ja sicherzustellen, dass auch ein etwaiger erneuter Anlauf danebengeht.

Und so marschiert die Nazibande weiter unter Polizeischutz durch die Straßen, während die Staatsmacht wegschaut - mit einem Auge auf Ihre und meine E-mails, mit dem anderen auf Überwachungskameras blickend; mit dem Ohr am Telefon-Mitschnitt lauschend und die Klappe dicht geschlossen - ähnlich wie bei den berühmten drei Affen. Kein Wunder, dass man da blind und taub wird - zumindest auf einer Kopfseite. Der rechten.

Montag, 15. Dezember 2008

Ho-Ho-Hoffenheim!

Obgleich sich mein Interesse für Fußball in sehr überschaubaren Grenzen hält, freute ich mich im Sommer diebisch über den Aufstieg der TSG Hoffenheim in die Bundesliga. Im Gegensatz zu vielen anderen, die darüber auf eine Art und Weise erbost waren, die ich mir bei anderen Themen wünschen würde. Diese meine Freude ist nun noch einmal gesteigert worden: Der "Dorfverein" ist Herbstmeister.

Warum hatten die selbsternannten Fußballkritiker seinerzeit so viel Schaum vor dem Mund? Hoffenheim sei ein Retortenklub, wurde da gemeckert, keine gewachsene Tradition, der ganze Erfolg des Vereins, der noch vor ein paar Jahren in der Verbandsliga spielte, nur mit den Millionen des SAP-Mitbegründers Joachim Hopp zusammengekauft. Aber Erfolg dürfe nicht erkauft werden, hieß es; Hoffenheim mache "den Fußball kaputt", sagte mancher und ließ offen, welchen Ball genau er meinte. Als nächstes, so fürchteten viele, könnte sich auch noch herausstellen, dass es bei Casting-Shows nicht ums Singen, sondern bloß ums Geldverdienen gehe.

Nun werden die bierbäuchigen Stammtischsportler allmählich ruhiger. Der Mensch gewöhnt sich schließlich an alles, sogar an Hoffenheim an der Spitze der Bundesliga. Zeit, die Verhältnisse zurechtzurücken: Den Dorfverein gibt es länger als Schalke oder Dortmund - so viel zur Tradition. Der Marktwert der Mannschaft von Hoffenheim beträgt etwa so viel wie der der Ersatzbankdrücker von Bayern München - die sich ihre Erfolge im Übrigen seit Jahrzehnten erkaufen, weshalb aber niemand schreit, dass die Bayern in der ersten Liga nichts zu suchen hätten. Der Erfolg der Hoffenheimer beruht also auf etwas anderem. Der wissenschaftliche Fachbegriff dafür lautet "Spielwitz".

Das bundesweite Gemeckere ging ja auch schon in der Zweiten Liga los, als Hopp ein paar Mal ins Portemonnaie griff und eine Handvoll Spieler nachkaufte, als der Verein ins sportliche Straucheln geriet. Und? Aus den Vertretern der anderen Vereine, die sich darüber aufgeregt haben, sprach doch nur der blanke Neid. Jeder Verein kauft Spieler, wenn es nicht so gut läuft und die Kohle da ist. Und deshalb hätte jeder Verein gerne einen solchen Mäzen. Hat aber nicht jeder, also wird drauflosgemotzt.

Sich als Fan angesichts der Vorgänge verwundert die Augen zu reiben und empört auszurufen: "Was denn - Fußball hat etwas mit Geld zu tun? Davon habe ich nichts gewusst, das ist ja skandalös!" zeugt dagegen von grenzenloser Dummheit oder quasi-religiöser Überhöhung des runden Leders - was eigentlich dasselbe ist. Angefeuert von Sportmedien und Moderatoren, die sich mitunter geradezu esoterisch anmutende Erklärungsschemata aus dem Hirn wringen, um Spielverläufe zu beschreiben, ist der gesunde Menschenverstand irgendwo zwischen Außenlinie und Strafraum auf der Strecke geblieben.

Vielleicht wird Hoffenheim ja sogar Meister. Die dann zu erwartende Selbstmordwelle wäre zwar unschön, aber vielleicht auch angetan, an dieser merkwürdig sakralen Vorstellung eines Ballspiels etwas zu ändern. Dann hätte das Gelabere endlich ein Ende und man könnte in Ruhe Fußball gucken.

Wenn man denn will.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Wir ziehen gegen Engeland (rumta-rumta-rumtata)

Krise zwischen London und Berlin: Wieder einmal giftet ein deutscher Politiker über die Politik des perfiden Albion. Diese Griffe ins diplomatische Klo haben eine schöne Tradition: Willem Zwo ließ sich seinerzeit im berüchtigten "Daily Telegraph"-Interview über die gehassliebten Inselbewohner aus, und das polternde Auftreten eines Joachim von Ribbentrop in Londoner Politikerkreisen hat schon damals Anlass zu Witzen gegeben. "Deutschland gegen den Rest der Welt" zu titeln, wie es die msn-Nachrichten tun, ist allerdings zu viel des Schlechten - so was hatten wir schon zweimal, mit eher mäßigem Erfolg, und ganz so weit ist es nun auch wieder nicht. Nein, es ist bloß Finanzminister Peer Steinbrück, der sein Haupthaar gen Themse schüttelt.

Klar, wer kann's ihm verdenken: Die Regierung von Gordon Brown senkt die Mehrwertsteuer um 2,5 Prozentpunkte und gibt damit ein schlechtes Beispiel - zumindest aus der Sicht eines deutschen Finanzministers. Da könnten ja andere auf die Idee kommen, einen ähnlichen Schritt auch von ihm zu verlangen. Und Peer hat doch seine Milliarden so sehr ins Herz geschlossen, dass er sich von keiner einzigen trennen mag. Übrigens: Steinbrück gehört derselben Partei an, die vor dem Regierungswechsel 2005 gegen die als "Merkelsteuer" gebrandmarkte Mehrwertsteuererhöhung gewütet hatte. Nun ja.

So weit, so geizig. Aber wie musste Steinbrück seine Ablehnung einer Mehrwertsteuersenkung begründen? "Kein Mensch kauft einen DVD-Spieler, weil er statt 39,90 Pfund nur noch 39,10 Pfund kostet", wettert er Richtung London und zeiht die Brownsche Scheinchenbewegung zugunsten der Verbraucher als Irrweg zur Konjunkturankurbelung. Hat er natürlich nicht unrecht: Wer sich keinen DVD-Spieler leisten kann, kauft ihn auch nicht, weil er 80 Pennys billiger ist. Besser machen es natürlich die Deutschen, genauer gesagt: er. Denn Tausende, ach was: Zehntausende Bürger werden sich in den kommenden Wochen noch schnell ein neues Auto für 39.000 Euro kaufen, weil sie dadurch im nächsten Jahr ein paar hundert Euro Kfz-Steuer Sparen. So wird den Leuten etwas zurückgegeben! Das ist ein schlüssiges Konzept! Die Inselaffen sind doch eh alle Kommunisten.

Nein, im Ernst. Jeder, der über ein auch nur halbwegs funktionstüchtiges Denkorgan verfügt, muss sich fragen: Ist unser Finanzminister einfach ein bißchen blöd oder verachtet er das Volk so sehr, dass er glaubt, es mit einem derartigen Schwachsinnsargument abspeisen zu können?
Für den Fall, dass er nur blöd ist, erkläre ich ihm gerne an dieser Stelle - langsam und zum mitschreiben -, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer nicht nur den DVD-Spieler billiger macht, sondern auch die Tankfüllung, die Turnschuhe und den Tomatensaft - was einen Geringverdiener evtl. in die Lage versetzen könnte, sich vom gesparten Geld eben doch den DVD-Spieler zu kaufen.

Das Dumme ist nur: Ich glaube nicht, dass Steinbrück blöd ist. Also bleibt nur die andere Möglichkeit, nämlich ein unerträgliches Maß an Ignoranz und Arroganz. "Briten-Schelte bringt Steinbrück Applaus ein", lobt Spon des Ministers Verbalbreitseite - wäre ich dabei gewesen, hätte es noch ein bißchen lauter geklatscht.

Aber keinen Applaus.

Montag, 8. Dezember 2008

Captain, der Scanner zeigt einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum

Beim unmotivierten abendlichen Herumzappen kam ich am Samstag nicht umhin festzustellen, dass das Fernsehen uns mit gleich zwei Jahresrückblicken beglückte - selbstredend zur selben Sendezeit. Kerner wurde auf Jauch losgelassen, vielleicht auch andersherum, völlig unwichtig. Viel bedeutsamer finde ich indes folgenden Umstand: Es ist ja längst Usus, dass das Weihnachtsgeschäft immer früher loszugehen scheint und die ersten Dominosteine und Lebkuchenherzen schon Mitte August in den Verkauf kommen. Das ist ja so weit auch nichts verwerfliches. Aber ein Jahresrückblick Anfang Dezember? Ist das nicht ein bißchen... nun ja, früh?

Schließlich fließt bis Sylvester noch eine Menge Wasser die Weser herunter. Oder Blut den Strom der Geschichte, um mal einem Anflug von Prosaismus nachzugeben. Die Atommächte Indien und Pakistan sind kurz davor, sich an die Gurgel zu gehen; Dutzende Kriegsschiffe laden ihre Kanonen durch, um somalische Seeräuberboote samt Insassen zu Klump zu schießen; Tausende wütende Autonome nehmen Athen auseinander und vielleicht kommt George W. Bush ja noch auf die Idee, zum Abschluss seiner Amtszeit irgendeine Wahnsinnstat zu vollbringen - das Jahr 2008 hat also noch einiges in petto. Dies alles wird dann aber wohl erst im nächsten Jahresrückblick Platz finden - der vermutlich Ende Oktober 2009 gesendet wird. Schließlich gilt es in der beinharten TV-Branche, der Konkurrenz immer ein Stückchen voraus zu sein! Deshalb werden ja auch Jahrestage mittlerweile schon Wochen vorher medial abgefeiert.

Also: Es ist wohl ein Irrglaube, dass sich Jahresrückblicke zwangsläufig nach dem Kalender richten sollten. Was soll's: Schließlich gibt es ja Kirchenjahre, Geschäftsjahre, Schuljahre - und dann eben auch TV-Jahre. Das ist ja keine große Sache und es gibt durchaus schlimmere Probleme - aber die Beliebigkeit, mit der das Fernsehen seinen Zuschauern seine persönliche Definition von Zeit aufzwingt, nervt ganz schön.

So, das musste mal raus. Bis denn, ich gehe jetzt Sylvester feiern.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Neue Umfrage: ... dann sollen sie doch Kuchen essen!

Och menno. Ich hatte es mir so schön vorgestellt mit den Konsumgutscheinen: Endlich soll den verelendeten Massen etwas zurückgegeben werden. Ein Anflug von wohltätiger Gesinnung, ja sogar Nächstenliebe! Ich sah innerlich schon vor mir, wie Steinbrück und Merkel in prächt'gem Ornat hoch zu Ross durch die zugeschissenen Straßen von Berlin traben und mit edelmütiger Geste Goldmünzen Gutscheine an das ungewaschene Volk verteilen. Heerscharen delirierender Proletarier mit struppigen Schnurrbärten standen bereit, mit zitternden Händen das Dokument der Glückseligkeit entgegenzunehmen und es mit leerem Blick, dafür aber entschlossen ausgefahrenen Ellbogen in den nächsten Media Markt zu tragen.

Mit den Gutscheinen sollte die Konjunktur angekurbelt werden, denn es droht bekanntlich eine Rezession. Da will das Geld in Umlauf gebracht werden! Jeder Einzelne ist hier gefordert - wer spart, begeht einen mittelschweren Akt des Landesverrats und ist mit Schuld an der Misere. Nun gut, eigentlich müssen wir alle sparen, damit wir im Alter nicht verhungern. Und wenn man's ganz genau nimmt, können viele weder sparen noch großartig konsumieren, weil sie jetzt schon am Hungertuch nagen und die letzten paar Kröten für die nächste Gasrechnung zurückgehalten werden müssen. Es ist ein bisschen wie bei dem Marie Antoinette zugeschriebenen Ausspruch, dass das Volk, wenn es kein Brot mehr habe, doch Kuchen essen solle.

Aber genau dieses Problem hat die Regierung ja jetzt erkannt und wollte den Leuten Geld zum Ausgeben in die Hand drücken! Einfach so! Für lau! Direkt vor Weihnachten! Okay - wer zu genau hinguckt, auf seine letzte Steuererklärung nämlich, wird eine Ahnung davon haben, wo das Geld eigentlich herkommt. Aber Leute, die darauf hinweisen, sind eh alles Miesepeter, die an allem etwas herumzumäkeln haben.

Und nun? Nix gibt's. Politiker beider Koalitionsparteien stellen sich quer, das Thema ist wohl vom Tisch. Hinterher will's niemand gewesen sein, der diese Idee laut ausgesprochen hat - und das Volk fühlt sich langsam verarscht. Vom erwähnten Kuchen bekommt es sowieso niemals etwas ab, und nun sollte es sich freuen, nach dem Backen die Schüssel auslecken zu dürfen.

Was bleibt, ist der Gedanke daran, was man sich hätte zulegen können von diesem Konsumgutschein. Und das ist auch gleich Inhalt der aktuellen Umfrage, wie immer rechts oben auf der Seite. Viel Spaß.

Ach, und dann war da ja noch das letzte Voting, das der Frage nachging, warum die Gasversorger, die ihren Kunden in Zeiten steigender Ölpreise unter Hinweis auf die berüchtigte Preisbindung kräftig und schamlos in die Tasche gegriffen haben, nun - unter Berücksichtigung fallender Ölpreise - ihre Tarife nicht wieder senken. Die Antwort fiel deutlich aus: 70 Prozent der Bundesbürger sind der Meinung, die Versorger verhalten sich so, weil niemand sie daran hindert. Ein paar glaubten auch, dass die Russen schuld sind, aber das ist zu vernachlässigen.

Und die vorletzte Umfrage hatte ich auch noch gar nicht ausgewertet. Kurz zusammengefasst: Je die Hälfte der Teilnehmer war der Meinung, dass Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein ein aus zahllosen Inzest-Generationen hervorgegangener degenerierter Adliger bzw. ein kleinlicher Despot sei, der seinem Volk eine quasi-absolutistische Verfassung aufgezwungen hat und gerne mit Dreck nach anderen wirft. Nun ja, das schließt sich ja nicht aus.

Montag, 24. November 2008

Pirates reloaded

Die Deutschen erweisen sich ja als erstaunlich effizient im Kampf gegen die Seeräuber. Bereits zum zweiten Mal hat die Bundesmarine vor dem Horn von Afrika Piraten in die Flucht geschlagen - durch ihr bloßes Erscheinen. Diese friedfertige Art der Piratenbekämpfung lobe ich mir. Allerdings bewahrheitet sich dadurch einmal mehr, dass mangelnde Bildung Nachteile im Beruf mit sich bringt.

Denn: Wüssten die Piraten, dass die Soldaten der Bundesmarine überhaupt nicht eingreifen dürfen, könnten sie ja auch völlig unbeeindruckt die Kaperung durchziehen. Und den Hubschrauberpiloten anschließend die Zunge rausstrecken. So aber haben sie den Sprit für ihr Motorboot umsonst verbraucht. Und bei den heutigen Energiekosten kann das kleinen und mittelständischen Seeräuberunternehmen schnell das Genick brechen.

Vielleicht haben sie ja deswegen den Supertanker gekapert...?

Sonntag, 23. November 2008

Arrrh! Nehmt dies, elende Landratten!

Typisch: Während in Deutschland noch bis Weihnachten diskutiert wird, ob die Marine gegen Piraten vorgehen darf oder ob die vielen sauteuren Kriegsschiffe nun wirklich zu gar nichts nutze sind, legen Amis und Russen mal wieder vor: Nach dem Motto "Nicht kleckern, sondern klotzen" wollen sie die Piratenjagd am Horn von Afrika intensivieren und auch an Land gegen die seefahrenden Kriminellen vorgehen. Beim Kapern eines Tankers mit Öl im Wert von 130 Millionen Dollar hört der Spaß eben auf, nicht wahr?

Na, dann hoffe ich ja mal, dass die Amerikaner bei der Auswahl ihrer Ziele etwas wählerischer sind als in Afghanistan oder im Irak, wo jeder, der zu schnell oder zu langsam fährt, einen zu langen Bart hat, sich auf einer Hochzeitsfeier befindet oder sonst irgendwo herumsteht, als Terrorist durchgeht und damit zum legitimen Ziel wird.

Zugegeben: Irgendwelche Richtlinien brauchen die Soldaten ja nun. Wie ich den US-Generalstab einschätze, lauten sie etwa wie folgt: Jeder Somali, der sich auf 50 Meter dem Strand nähert, gilt als Bedrohung. Jeder, der in einem Boot die Küste verlässt, könnte Terrorist Pirat sein; wenn mehr als zwei im Boot sitzen, sind es ganz bestimmt welche. Jedes Fischerdorf könnte ein Piratennest sein!

Die Deutsche Marine hingegen wird für das Eröffnen des Feuers zur Bedingung machen, dass zuvor zweifelsfrei nachgewiesen sein muss, dass mindestens einer der Insassen des verdächtigen Bootes eine Augenklappe oder ein Holzbein haben muss. Diese Hintergrundinformation zu Piraten bekommt die Bundeswehr aus Geheimdienstberichten des BND. Weht keine "Jolly Roger"-Fahne am Heck und kann an Bord des Fahrzeugs kein Papagei ausgemacht werden, so muss zunächst der Bundestag zu Rate gezogen werden. Diese Regeln werden allerdings erfahrungsgemäß bald über den Haufen geworfen und der US-Vorgehensweise angepasst werden.

Es steht zu befürchten, dass nun auch dort die "Erst schießen, dann fragen"-Taktik angewandt wird. Die somalischen Fischer tun mir jetzt schon leid. Noch schlimmer könnte es eigentlich nur kommen, wenn die Russen ihre erprobte "Tschetschenien-Taktik" anwenden: Einfach das ganze Land plattbomben, bis sich nichts mehr rührt.

Nachtrag: Vielleicht erledigt sich die Sache aber auch von selbst...

Samstag, 22. November 2008

Il cavaliere, Silvio Schäublesconi

Erst pfiffen ihn die Bundesrichter zurück, nun versagte ihm ein Teil des Koalitionspartners die Gefolgschaft - und wenn man das Volk fragen würde, was natürlich niemand tut, so würde es mit überwältigender Mehrheit sagen, wohin Wolfgang Schäuble sich das BKA-Gesetz stecken könne. Das alles ficht ihn aber nicht an: Wenn sein neuestes Überwachungspäckchen im Bundesrat nicht durchkommt, dann müssen eben die Abstimmungsregeln geändert werden - so der jüngste Vorstoß dieses - entschuldigung - gemeingefährlichen Irren.

Enthaltungen sollten demnach nicht mehr mitgezählt werden, schlägt Schäuble vor, da sie faktisch wie eine Ablehnung behandelt würden. "Es müsse geprüft werden, ob diese Praxis dem Verständnis des Bundesrats entspreche", zitiert Spon den Innenminister. Damit könnten Gesetze künftig auch mit weniger als 50% Zustimmung in der Länderkammer abgenickt werden. Nun, sein Vorschlag entspricht nicht meinem Verständnis von demokratischen Entscheidungsinstanzen. Eine Enthaltung ist nun einmal keine Zustimmung, also ist es auch nicht problematisch, dass sie faktisch wie ein "Nein" gewertet wird.

Dieser Vorstoß ist, selbst für Schäubles sonstige Maßstäbe, in seinem Mangel an demokratischer Denkweise beängstigend. Nicht nur, dass der Innenminister nun Neigungen zeigt, verfassungsgemäße Instanzen und Strukturen nach seinen Vorstellungen und zu seinen Gunsten beliebung ändern zu wollen - eine Politik, die man bislang eher von Leuten wie Silvio Berlusconi kannte. Offenbar will er nun auch noch die kleinen Oppositionsparteien, die angesichts der komfortablen Mehrheit der Großen Koalition schon im Bundestag nichts zu melden haben, aus dem restlichen Gesetzgebungsverfahren ausschließen.

Denn welche Länder sind es denn, die sich im Bundesrat enthalten hätten? Diejenigen, in denen - von Sachsen einmal abgesehen - einer der beiden Berliner Großkoalitionäre sich die Macht mit einer der kleineren Parteien teilen muss. FDP, Grüne und Linke lehnen das BKA-Gesetz ab, also stimmen die Bundesländer, in denen sie an der Regierung beteiligt sind, nicht für das Gesetz, sondern enthalten sich - so sieht es jeder normale Koalitionsvertrag vor. Wenn Schäuble nun dieses Abstimmungsverhalten entwerten will, so heißt das letztlich: Nur die Stimmen der Länder, in denen dieselbe Koalition regiert wie in Berlin, sollen zählen. Das Ergebnis ließe sich an zwei Fingern abzählen.

Aber ich lasse Schäubles Allmachtsfantasien jetzt einmal beiseite, denn ich bin nicht der Psychotherapeut, den der Innenminister dringend bräuchte. Stattdessen möchte ich darauf hinweisen, dass es eine einfache Lösung gibt: Wenn eine Koalition in einem Bundesland keine Einigung über eine Gesetzesvorlage des Bundes erzielen kann, dann kann sie im Bundesrat ja nicht bloß per Enthaltung "faktisch wie Nein" stimmen, sondern auch gleich offiziell mit "Nein". Was spräche dagegen?

Damit müsste auch Schäuble zufrieden sein. Schließlich wollte er ja keine Enthaltungen mehr. Und Irren soll man ja bekanntlich immer recht geben.

Mittwoch, 19. November 2008

The Show must go on

Man sollte meinen, der Sieg der reaktionären Wadenbeißer sei total: Die hessische SPD zur Lachnummer degradiert, Ypsilanti auf ganzer Linie geschlagen, die erste Linkskoalition im Westen bis auf weiteres verhindert. Der Landtag in Wiesbaden hat sich aufgelöst, Koch darf sich einige Hoffnung auf eine weitere Legislaturperiode machen.

Nun also, sollte man meinen, ist endlich jeder Affront ausgesprochen, jede absurde Behauptung aufgestellt, jeder Dreck geworfen und jeder miese Trick angewandt worden. Zeit, dass wieder Ruhe einkehrt und der Mantel des Schweigens über das gescheiterte hessische Experiment gebreitet wird. Denn worüber, so fragt man sich, sollte ein konservatives Medium jetzt noch ablästern?

Ganz einfach: Über Schäfer-Gümbels Brille.

Dienstag, 18. November 2008

Helle Köpfchen, kahle Schädel?

Aus Sachsen kam auch noch nie was Gutes, war ich in den letzten Jahren geneigt zu glauben. Dass der Freistaat indes doch zu was nütze sein kann, hat sich jetzt gezeigt: Ausgerechnet das Land, dessen sofortige Abtretung an Polen ich bisweilen gefordert habe, bringt Schäubles Überwachungs-Pläne zu Fall - die SPD, Juniorpartner in der Regierungskoalition (die man beim besten Willen nicht als "Große" bezeichnen kann) versagt ihre Zustimmung zum BKA-Gesetz in der bevorstehenden Bundesrats-Abstimmung. Okay, diese Entscheidung fiel auf Betreiben der traditionell aufmüpfigen Jusos; und die Parteispitze schäumt mal wieder ob des Ungehorsams. Aber egal: freuen wir uns über die Verschnaufpause auf dem Weg nach 1984.

Damit nicht genug: Sachsens Schüler sind die klügsten im ganzen Universum, heißt es unter Berufung auf die neueste PISA-Studie. Nun denn: Es besteht wohl doch noch Hoffnung für den Freistaat. Irgendwann dürfen die ja alle wählen - und vielleicht, nur vielleicht, sitzen ja in 20 bis 30 Jahren nicht mehr in jedem sächsischen Kreistag Nazis.

Allerdings muss ich von früheren Plänen zur Eindämmung der Wahlerfolge von Faschisten wieder Abstand nehmen: Ein Wahlrecht, bei dem man den Namen der Partei, die man wählen möchte, fehlerfrei buchstabieren statt ankreuzen muss, hilft nun nicht mehr. Buchstabieren kann die Brut ja offenbar mittlerweile.

Samstag, 15. November 2008

Demonstrationsrecht, made in Lower Saxony

"Wenn die Deutschen bei ihrer Revolution einen Bahnhof besetzen wollen, kaufen sie sich vorher eine Bahnsteigkarte", sagte Lenin einmal und hatte im Großen und Ganzen recht. Der Deutsche neigt nicht dazu, sich aufzulehnen. Selbst Demonstrationen, bei denen es nicht ums eigene Portemonnaie geht, sind hierzulande eine eher seltene Erscheinung. Und auch bei solchen alles andere als umstürzlerischen Aktionen neigen die Deutschen nicht gerade dazu, Vororte in Brand zu setzen oder Parlamentsgebäude zu besetzen. Außer am vergangenen Mittwoch in Hannover - und sofort rennen aufgeschreckte Politiker wie ein Hühnerhaufen durcheinander und gackern aufgebracht herum.

Erst Gorleben, dann die niedersächsische Variante des Sturms auf die Bastille - manch einer hält es nun offenbar an der Zeit, das ganze Versammlungsrecht komplett zu kastrieren, bevor so etwas wieder passiert. Es wäre doch viel besser, ruhiger und vor allem ordentlicher, wenn Demonstranten künftig gewissen... nun ja: Regeln unterworfen werden würden. An Vorschlägen mangelt es derzeit nicht.

Da wäre zunächst einmal Innenminister Uwe Schünemann, der am liebsten in jedes Klo eine Überwachungskamera einschrauben und Muslimen Fußfesseln verpassen möchte. Nun will er auch, dass die Gorleben-Demonstranten für die Kosten des Polizeieinsatzes aufkommen. Ich kann ja verstehen, dass er angefressen darüber ist, dass das Land ständig alle Kosten der Atommüll-Transporte alleine übernehmen muss, weil zufälligerweise beide Atommüll-Lager in Niedersachsen liegen und nicht etwa in Hessen oder Bayern - die zwar am lautesten das Lied der Atomlobby singen, aber mit dem radioaktiven Abfall nichts zu tun haben wollen. Mich nervt das auch. Noch viel mehr nervt mich allerdings, dass die Verursacher des Mülls, nämlich die Energiekonzerne, auch keinen müden Euro rüberwachsen lassen. Vermutlich zahle ich mehr für die Endlagerung des strahlenden Mülls als Eon-Kernkraft.

Aber ich schweife ab. Schünemann will also Demonstranten zur Kasse bitten. Gute Idee, entlastet den Staatshaushalt. Ich vermute, ihm schwebt auch eine gerechte Kostenverteilung vor: Wer die staatlichen Dienstleistungen intensiv in Anspruch genommen hat, weil er sich von Beamten ordentlich die Scheiße hat rausprügeln oder sich von einem Wasserwerfer quer übers Feld hat jagen lassen, sollte selbstverständlich mehr zahlen als jemand, der artig mit einem Teelicht in der Hand an einer Dorfstraße 20 Kilometer entfernt stehend Anti-Atomkraft-Lieder singt. Und wer gleich ganz zu Hause bleibt, könnte gar einen Bonus gutgeschrieben bekommen - vielleicht einen Gutschein über zwei Kilowattstunden Atomstrom. Die daraus resultierenden Verdienstausfälle bei Eon und Co. müsste das Land selbstverständlich ausgleichen, alles andere wäre Kommunismus.

Und dann war da noch Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann. Sie spottete über die Zahl der Demonstranten ("Wir haben eine Million Schüler in Niedersachsen") und stellte sie pauschal als Krawallbrüder, mit denen man sich gar nicht abzugeben brauche, an den Pranger ("Ich kann mich nicht mit Leuten unterhalten, die Straftaten begehen"). Sie salbaderte im Landtag darüber, dass mit der Bildung alles in Ordnung sei, und kapierte nicht, warum die Leidtragenden selbigen stürmen wollten. Am tollsten finde ich jedoch, dass Heister-Neumann den Schülern das Demonstrieren am liebsten gleich ganz verbieten will, zumindest während des Unterrichts - und damit Tausende von Protestlern zu bloßen Schulschwänzern degradiert. Sie könnten ja nachmittags, nach dem Unterricht, demonstrieren gehen, erdreistet sich das Ministerium vorzuschlagen. Also in ihrer Freizeit.

Auch dies dünkt mich eine prima Idee zu sein: Man könnte auch gleich per Gesetz vorschreiben, dass Demonstrationen generell zu Zeiten abzuhalten sind, an denen die Teilnehmer nicht durch Schule, Beruf oder ähnliches gebunden sind. Wo kämen wir da denn hin, wenn Leute zu Uhrzeiten auf die Straße gehen, zu denen sie die größte Aufmerksamkeit bekämen, aber zugleich für ihren Arbeitgeber Werte zu schaffen haben! Also, wenn es schon sein muss, dann zu einer volkswirtschaftsverträglichen Zeit. Metallarbeiter vielleicht abends um halb sieben und Beschäftigte im Einzelhandel nachts um zwei.

Und der Chef der Baggage, Christian Wulff? Hat vielleicht kurz überlegt, ob er die Schüler-Proteste mit SA-Randale vergleichen soll, es dann aber doch sein gelassen und lieber - weil sich diese Taktik zigfach bewährt hat - den Linken die Schuld gegeben (*gähn*). "Die Linke verfolgt eine perfide Strategie, das Parlament herabzuwürdigen und die Konflikte auf die Straße zu verlagern", wütet der Landesvater und präsentiert damit nicht nur ein erbärmlich peinliches Scheinargument, sondern auch einen offensichtlichen Hang zu Verschwörungstheorien. Tausende Schüler haben die Schnauze voll und sagen das laut - und das alles ist eine "perfide Strategie der Linken"? Vielleicht sollte Wulff sich mal untersuchen lassen. Sonst sieht er demnächst noch Reptiloiden am Werk.

Fazit: So geht es nicht weiter mit den Demonstrationen, das muss alles durchorganisiert werden. Wir haben ja nicht umsonst eine hochentwickelte Bürokratie. Ich bin bekanntlich immer bereit, konstruktiv mitzuwirken:
  • Ich stelle mir da eine Art Basisgebühr von zehn Euro für jeden Teilnehmer vor, die bei Anmeldung der Demo vom Veranstalter an das Innenministerium zu entrichten ist. Kommen mehr Teilnehmer als angekündigt, zahlt der Veranstalter Strafgebühren. Jeder Teilnehmer hat sich schriftlich anzumelden und eine Kopie des Personalausweises einzureichen.
  • Ferner muss, wenn die Demo zwischen 8 und 22 Uhr stattfinden soll, jeder Demonstrant auf Verlangen eine schriftliche Entschuldigung seines Arbeitgebers/Klassenlehrers/Hartz-IV-Sachbearbeiters/seiner Mami vorweisen können.
  • Parteimitglieder der Linken werden, wenn sie an der Demo teilnehmen oder mit Demonstranten sprechen oder sich in Sichtweite des Demonstrationszuges aufhalten, sofort des Hochverrats angeklagt und standrechtlich erschossen.
  • Für den Fall, dass über das Basispaket hinaus Leistungen aus dem Premium-Demopaket (Wegtragen von Personen, Auftrennen von Ketten) oder dem Gold-Demopaket (Schlagstöcke, Hunde, Tränengas usw.) in Anspruch genommen werden, hat der Veranstalter die zusätzlichen Kosten in vollem Umfang zu übernehmen.
Und das allerbeste ist: Im Kleingedruckten wird jegliche Gewährleistung, dass die Demonstration irgendetwas bringt, per Gesetz ausgeschlossen. So und nicht anders haben Demonstrationen in diesem Land vonstatten zu gehen!

Und ich muss jetzt los, Bahnsteigkarte kaufen. Bis denn.

Freitag, 14. November 2008

Mein AKW, dein AKW - AKWs sind für alle da

Meine zugegebenermaßen ohnehin schon recht blauäugige Art, im Großen und Ganzen manchmal doch einen Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit zu sehen, hat erneut einen schweren Dämpfer erlitten. Das war vielleicht auch nötig, denn die Wahl eines schwarzen US-Präsidenten und die sich verbreitende Erkenntnis, dass Kapitalismus nicht der Weisheit letzter Schluss ist, sorgten für ein gefährliches "Vielleicht wird ja doch noch alles gut"-Gefühl. Ich bin der US-Firma "Hyperion Power Generation" dankbar, dass sie mich aus diesem einlullenden Zustand befreit hat.

Denn Hyperion gibt die Antwort auf die ungelösten Fragen nach den Gefahren der Atomkraft und dem Umgang mit Atommüll: Noch mehr Atomkraftwerke! Nicht zwei, nicht fünf, auch nicht hundert - Hyperion denkt in Dimensionen von zigtausenden ihrer neu entwickelten Mini-AKWs. Die könnten jeweils eine Kleinstadt versorgen und seien gaaaanz ungefährlich, und selbst wenn es zu einer (natürlich gaaaanz kleinen) Kernschmelze käme, mache das nichts - sie seien ja tiiief vergraben. Da unten ist ja keiner, also passiert auch nix. Und auch der ewige Streit um die Laufzeiten hätte endlich ein Ende, denn die Dinger halten eh nur fünf Jahre.

Dieses Schreckensszenario ist leider schon weit über das Stadium einer Schnapsidee hinausgewachsen. Erste Bestellungen scheinen schon vorzuliegen; wenn man Spon glauben darf, auch aus unseren Nachbarländern. Offenbar steht nur noch eine Genehmigung durch die Nuclear Regulatory Commission aus - und mein Vertrauen in US-Behörden, ihre Entscheidungen von Umwelt- und Gesundheitsaspekten abhängig zu machen und sich gegen die Wirtschaft zu wenden, ist mehr als begrenzt. Wäre das nicht eigentlich ein Fall für die internationale Atomenergiebehörde? Oder sind die mittlerweile nur noch dafür da, sich für die US-Falken zum Affen zu machen?

Zehntausende von Mini-Atommeilern, die unter unseren Füßen vor sich hin reagieren - das ist ein wirklich gruseliges Szenario. Aber kein neues: In den 50er Jahren, auf dem ersten Höhepunkt der Atomgeilheit, träumten Forscher und Unternehmer von atomgetriebenen Autos und Häusern mit eigenem Kernreaktor. Von diesen Plänen wurde dann doch Abstand genommen. Dass sich nun, im 21. Jahrhundert, Leute wieder auf dieses wahnwitzige Niveau begeben - das holt mich wirklich wieder auf den schönen, flauschigen Teppich des Zynismus und der Misanthropie zurück. Danke, Hyperion!

Donnerstag, 13. November 2008

Uri Geller und das außerirdische Ü-Ei

In der Reihe "Comebacks, die die Welt nicht braucht" tingelt seit einiger Zeit wieder Uri Geller durch's Fernsehen und nimmt nun offenbar in Talkshows den Platz ein, den die zeitweise omnipräsente Nina Hagen dankenswerterweise geräumt hat. So auch am Dienstag bei Kerner, wo er erklärte, wie er als Fünfjähriger zu seinen mentalen Fähigkeiten kam: "Irgendwas traf mich an der Stirn und warf mich ins Gras. Ich weiß nicht, was es war..." - Ich schon. Erwas schweres und sehr hartes, vermute ich.

Aber seine mentale Kraft sollte man nicht unterschätzen. Auch wenn er nicht mehr alle Löffel in der Schublade hat, vermag er es doch immerhin, meinen Computer in einer Art und Weise zu bestrahlen, dass sich der Player der ZDF-Mediathek, in dem ich mir die Kerner-Auszüge angetan habe, nicht mehr schließen lässt. Vielleicht hängt das mit dem golden angesprühten Überraschungsei vom Planeten Finkelwurbelwix zusammen, das er dabei hatte. Jedenfalls bin ich nun dazu verdammt, den Quark bis zum bitteren Ende anzuschauen. Ich hoffe, ohne allzu große geistige Schäden davon zu tragen...

Montag, 10. November 2008

... aber auf mich hört ja nie einer

Es sind die kleinen Dinge, über die man sich dieser Tage freuen sollte. Zum Beispiel die Lernfähigkeit der SPD. Nach dem Desaster in Hessen machen führende Sozialdemokraten nun Butter bei die Fische und schließen eine mögliche Koalition mit der Linken nach der nächsten Landtagswahl nicht mehr aus. Ich will ja jetzt nicht altklug daherschnacken und darauf herumreiten, dass ich das ja gleich gesagt habe, aber: Ich hab's ja gleich gesagt.

Hätte die SPD sich gleich auf eine Koalition eingelassen, wäre der Schaden auch nicht größer gewesen - und Roland Koch wäre längst dort, wo er hingehört: Auf dem Kerichthaufen der Geschichte (Es sei denn, er macht den Standard-Karriereschritt abgewählter Landespolitiker und wird Minister in Berlin - brrr.)

Nun denn: Holen wir tief Luft und warten wie die Neuwahlen ab. Hoffen wir, dass es zu einer Anti-Koch-Mehrheit reichen wird. Und seien wir endlich froh, dass Andrea Ypsilanti nicht mehr tagtäglich durchs Dorf getrieben wird. Es wurde zuletzt nämlich ein wenig ermüdend.

Mittwoch, 5. November 2008

Zeigt her eure Platten, zeigt her eure Files...

Ich störe das allgemeine Jubilieren über Obamas Sieg nur ungern - schließlich freue auch ich mich unheimlich über seinen Einzug ins Weiße Haus. Allerdings möchte ich noch kurz loswerden, dass der scheinbare Triumph Obamas gar keiner ist. Denn die mehr als doppelt so viel Wahlmännerstimmen, die der Demokrat gegenüber McCain für sich gewinnen konnte, resultieren aus dem reichlich dämlichen wie auch ungerechten US-Wahlsystem und täuschen darüber hinweg, dass beinahe jeder zweite republikanisch gewählt hat: Obama 52%, McCain 47%. Fast jeder Zweite machte also sein Kreuz für Krieg, gegen Abtreibung und gegen Krankenversicherung. Das nur am Rande. Eigentlich wollte ich auf etwas anderes hinaus.

In der hysterischen Anti-Ypsilanti-Propaganda der letzten Wochen haben sich einige Medien nicht entblödet, der hessischen SPD-Chefin neben Babymorden und Kirchenbrandstiftungen auch noch zu unterstellen, sie habe den Termin für die Ministerpräsidentenwahl hinterhältigsterweise absichtlich auf den 4. November gelegt - damit im Windschatten der Obamania niemand mitbekommt, wie sie sich klammheimlich an die Macht stiehlt oder so ähnlich.

Dabei ist in diesem Windschatten etwas viel, viel verabscheuungswürdigeres geschehen: Die Große Koalition hat sich auf das neue BKA-Gesetz geeinigt, das nun den Weg für Online-Durchsuchungen frei machen soll - und DAS war vom Datum her mit Sicherheit kein Zufall. Die Verabschiedung durch den Bundestag ist zwar erst für nächsten Mittwoch angesetzt - angesichts der derzeitigen großkoalitionären Mehrheitsverhältnisse, durch die die Regierung auch das Parlament beherrscht, was jede Idee einer demokratischen Gewaltenteilung ad absurdum führt, ist das allerdings nur noch eine Formsache.

Nachdem sich das Bundesverfassungsgericht über die erste Fassung - die übrigens auch schon zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt vorgelegt wurde - mokiert hatte, musste eine neue ausgearbeitet werden. Nunmehr solle ein Richter die Überwachung anordnen, was sich ja schon beim Abhören von Telefongesprächen als höchst effektive Sicherung des Rechts auf Privatsphäre erwiesen hat. Zudem müsse "sichergestellt
werden, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht verletzt" werde. Darüber soll ein Datenschutzbeauftragter wachen - und zwar, halten Sie sich fest - der vom BKA. (Bitte fügen Sie hier ihre eigene Pointe ein: __________________________)

Und wie soll
definiert werden, ob Daten überhaupt zu diesem Kernbereich gehören, ohne die entsprechenden Dateien erstmal zu sichten? "Du, Heinz-Jürgen, ich glaube, diese Word-Datei dürfen wir nicht weiter lesen. Ich glaube, es handelt sich hierbei um ein Tagebuch." - "Bist du sicher, Karl-Rudolf?" - "Ja, Klaus-Dieter. Guck mal, hier beschreibt sie in allen Einzelheiten ihre Gefühle beim Tod ihrer Großmutter. Und hier über die Erkrankung ihrer kleinen Nichte. Und hier detailliert die heiße Liebesnacht, die sie letzten Samstag..." - "WAS? Zeig her! Das gehört nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung, sondern könnte eine verschlüsselte Botschaft für Terroristen sein! Ich werde das jetzt ausführlich lesen und analysieren!"

Was tun?, fragte schon Lenin. Ich bin ja immer um Neutralität bemüht. Nachdem ich vor einigen Monaten Vorschläge gesammelt habe, mit welcher E-Mail-Betreffzeile die Staatschützer am besten ihren Bundestrojaner an den Mann oder die Frau bringen, gibt es nun Ratschläge für die 08/15-Computernutzer.

  • Als erstes würde ich vorschlagen, unter "Eigene Dateien" einen Ordner anzulegen mit dem Titel "Der Schnüffler auf meiner Platte ist ne miese kleine Ratte." Hinein packt man alles mögliche, was geeignet ist, dem BKA-Beamten den Tag zu versauen. Bilder von hässlichen Menschen, Liedtexte von deutschen Schlagerinterpreten und so weiter.
  • Dann wäre zu überlegen, ob sich nicht möglicht viele Computernutzer an ihrem PC unter dem Namen "Mohammed" anmelden sollten. Man könnte auch den Google-Kalender so einrichten, dass er fünfmal pro Tag eine Mail schickt, die an das fällige Gebet erinnert. Mp3s mit arabischer Musik sind auch gut (ist auch schöne Musik, nebenbei gesagt), besser wären aber Mp3s mit Titeln wie "Osamas Botschaft", die aus einem Trillerpfeifengeräusch von um die 120 Dezibel Lautstärke bestehen.
  • Wer sich etwas besser in der Materie auskennt, legt eine spezielle Datei an, verseucht sie gezielt mit möglichst bösartigen Viren (und lässt sie vom Virenscanner in Quarantäne legen) und nennt sie dann anschließend "Wichtig - Al-Qaida Telefonnummern".

Man sieht, es gibt viele Möglichkeiten, sich gegen die protofaschistischen Staatsspanner zur Wehr zu setzen. Wählen soll übrigens auch helfen.

Dienstag, 4. November 2008

Grußworte zum 125. Todestag von Karl Marx, Folge 7

"Die marxistische Bewegung hat reale Ursachen und viele berechtigte Anliegen."
Schon wieder Reinhard Marx, Erzbischof von München, im Spiegel-Interview. Nomen est manchmal eben doch omen.

Montag, 3. November 2008

Der Vormittag der langen Messer

Wenigstens hatte sie einen schnellen Tod: Wenn gleich vier Parteigenossen gleichzeitig ihre Dolche zücken und die ehemals zukünftige Ministerpräsidentin Hessens, Andrea Ypsilanti, hinterrücks abstechen, einen Tag vor der entscheidenden Wahl, rechne ich nicht mit einem langen Dahinsiechen - zack, mitten ins Herz, gut is. Morgen werden ihre Überreste verscharrt, das Blut von den Klingen abgewischt und der Blick nach vorne gerichtet: Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger freuen sich auf weitere fünf Jahre mit dem ausländerhassenden Demagogen Roland Koch. Denn darauf wird es nun hinauslaufen. Die grandiose Lust der Sozialmasochistischen Partei Deutschlands an ihrer Selbstzerfleischung ist mit Worten eigentlich nicht zu beschreiben.

Immerhin hatte Metzger Ypsilanti vor Monaten gewarnt ("Pass auf, ich bin bewaffnet!") . Walter hingegen konnte seinen kleinen Rachefeldzug dafür, dass Ypsilanti und nicht er 2007 zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Januar 2008 gekürt worden ist, fast ein Jahr lang minutiös planen. Er kann niemandem erzählen, dass er bis zuletzt um seine Entscheidung gerungen und sich jede Nacht vor Gewissensbissen in den Schlaf geweint hat. Die SPD hat die Wahl zur Ministerpräsidentin sogar geübt, um sicher zu gehen - und Walter stimmte ganz offensichtlich für Ypsilanti, bevor er wieder in sein Hinterzimmer verschwand, um sein Messer zu wetzen. Aber selbst, wenn er nach diesem politischen Attentat Spitzenkandidat anstelle der Spitzenkandidatin werden sollte, wäre es ein Pyrrhussieg: denn die Partei wird bei den zu erwartenden Neuwahlen wohl untergehen. Zwar nicht mit wehenden Fahnen, aber dafür in einem geradezu epischen Ausmaß. Vielleicht haben Union und Liberale den Abtrünnigen aufgrund des ebenfalls zu erwartenden Parteiausschlusses auch schon den roten (hehe) Teppich ausgelegt - wer weiß das schon.

Vorangegangen war eine beispiellose monatelange Hetzkampagne gegen Ypsilanti, an der sich nicht nur die Pofallas und Westerwelles dieser Welt geifernd betätigten, sondern dazu fast die komplette Medienlandschaft - nicht nur Bild-Diekmann, sondern auch der allerletzte Bauernkurier aus Klein-Wölferode fühlte sich bemüßigt, auf der Hessen-SPD einzudreschen. Der Tenor: Mit den Linken spielt man nicht; Schluss, aus, fertig. Einen konkreten Grund dafür, warum man glaubt, sich derartig arrogant über den Willen von 140.769 Bürgern - das sind jene 5,1 %, die im Januar die Linke gewählt haben - hinwegsetzen zu können, hat niemand genannt. Und wenn doch, dann war der vorgeschobene Grund ein selten dämlicher:

  • "Die Linke ist die SED-Nachfolgepartei!" - Was für ein Unfug. Eine Partei ist eine Organisationsstruktur, sie hat demzufolge keine Erbanlagen, die ihr genetisches Grundmuster an die nächste oder in diesem Fall übernächste Generation weitergeben könnte. Eine Partei definiert sich in erster Linie über ihr Programm, in zweiter über ihre Mitglieder. Dass das Programm der Linken ein demokratisches ist, daran gibt es nichts zu rütteln. Bleiben die einen oder anderen Mitglieder. Das ist sicher nicht schön, Stasi-Betonköpfe in den eigenen Reihen zu haben - aber da sollte die Union, mit Verlaub gesagt, einfach mal die Fresse halten; vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Studie, die belegt, dass jeder vierte CDU-Landtagsabgeordnete in Niedersachsen braun war, bevor er sich über den Untergang des Großdeutschen Reichs schwarz geärgert hat - dies übrigens eine Nachricht, die in ziemlich wenigen Medien erschienen ist, obwohl sie per Agentur-Ticker in sämtlichen Redaktionen angekommen sein dürfte. Und über die Anfänge der FDP als Sammelbecken für SS-Veteranen brauchen wir hier nicht zu diskutieren.
    Abgesehen davon geht diese abgegriffene Floskel mit geradezu übelkeitserregender Großkotzigkeit über die vielen tausend WASG-Mitglieder hinweg, die mit SED-Verbrechen aber auch gar nichts zu tun haben und ohne die die Linke in den alten Bundesländern noch längst nicht so weit wäre.
  • "Ypsilanti lügt, weil sie vor der Wahl jede Zusammenarbeit mit den Linken ausgeschlossen hat!" - Stimmt so nicht, sie hat vor der Wahl eine Koalition mit ihnen ausgeschlossen. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man eine feste Koalition mit einer anderen Partei eingeht oder sich lediglich bei Bedarf ihrer Stimmen bedient. Eine Koalition basiert auf festen Abmachungen, die vertraglich festgelegt werden und normalerweise bindend sind. Natürlich muss eine Minderheitsregierung zusehen, wo sie die fehlenden Stimmen hernimmt - das gilt aber auch, wenn eine normale Regierungskoalition zwecks Verfassungsänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Als Kohl 1998 den Großen Lauschangriff mit Stimmen der SPD durchsetzte, hat ja auch niemand von einer Großen Koalition gesprochen.
  • "Die Linken sind nicht regierungsfähig!" - Das sehen Berliner und Mecklenburger unter Umständen etwas anders. Oder zählen die nicht, weil bloß frustrierte Ossis? Oder sind diese beiden Länder irgendwann untergegangen, und nur ich habe es nicht mitbekommen? Man sollte sich mal ehrlicherweise fragen, ob eine Partei regierungsfähig ist, die überlegt, fundamentale Mechanismen zur Bildung einer Regierung zu boykottieren oder die eine gemeinsame Verurteilung antisemitischer Tendenzen zum Platzen bringt, nur um keinesfalls einmal auf derselben Seite zu stehen wie die Linke - so geschehen bei der CDU.
Man merkt es mir vielleicht an: Dieses mittlerweile jahrelange Linke-Bashing hängt mir wirklich, wirklich, WIRKLICH langsam zum Hals heraus. Man muss die Partei ja nicht mögen. Man muss sie auch nicht wählen, wenn man nicht will. Aber man muss allmählich akzeptieren, dass es sich hier um eine nicht wegzuleugnende, demokratisch legitimierte und demokratisch agierende Kraft im politischen Spektrum handelt. Dauernd auf der schieren Existenz der Linken herumzuhacken, zeugt von nichts anderem als von der Verachtung, mit der die etablierten Parteien den Urnenpöbel betrachten. In diesem Staat wird lieber ein bedeutendes Bundesland wie Hessen ein Jahr lang unregierbar gehalten, bevor man den Wählerentscheid respektiert. Und dann wird eben nochmal gewählt - so lange, bis das Ergebnis genehm ist.

Und dieses Ergebnis wird schwarz-gelb sein. Hat die Propaganda-Maschine also wieder einmal ihre Schuldigkeit getan.

Freitag, 31. Oktober 2008

Es saugt und bläst der Kirchenmann . . .

Das Bistum Essen kauft sich eine aufblasbare Kirche. Das macht Sinn - schließlich ist es nie verkehrt, mit den Ressourcen zu arbeiten, die einem im Überfluss zur Verfügung stehen. Und das ist im Falle der Kirche nun einmal heiße Luft.

Kleiner Tipp: Als nächstes bestellt ihr dann bitte aufblasbare Meßdiener, okay? Die Jungs werden es euch danken.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Rien ne va plus dans le casino global

Da es ja offenbar kein anderes Thema von Belang mehr gibt und sogar die Rettung der Welt vor dem Klimawandel vorerst auf den St.-Nimmerleinstag verschoben wurde, um mit den Geldern stattdessen Sozialhilfeleistungen für notleidende Banker zu finanzieren, fühle ich mich geradezu genötigt, doch auch mal was zur Weltwirtschaftskrise - noch hat niemand einen cool klingenden Euphemismus dafür gefunden - zu schreiben. Schließlich blickt vielleicht der eine oder andere nicht mehr so richtig durch.

Mal sehen, ob ich das auf die Reihe kriege.

Eine Reihe von Bankern hat Geschäfte getätigt, die es eigentlich nicht gibt, zu diesem Zweck mit Papieren gehandelt, die anderen gehören, und das alles mit Geld bezahlt, das sie nicht haben. Eigentlich kein Wunder, dass die gesamte Finanzwelt vor die Wand gefahren ist.

Nun kommt Finanzminister Peer Steinbrück und schnürt ein Care-Paket über 32.768 Fantastilliarden Euro. Damit will er die Banken retten. Er hat das Geld aber auch nicht in der Hosentasche, sondern muss es sich leihen. Von den Banken natürlich. Aha. Wenigstens ist schon geklärt, wer's letzlich zurückzahlt, nämlich wir.

Noch viel mehr Gelder, nämlich die Notgroschen auf dem Sparkonto - insgesamt etwa dreieinhalb Kubikhektar Taler - seien "sicher", sagen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück unisono zur Beruhigung des niederen Volkes, auf dass es nicht zur Bank rennt, sein sauer Erspartes abhebt und in einem Strumpf unterm Kopfkissen versteckt. Die Sparguthaben sind offenbar so sicher, dass Merkel und Steinbrück es gar nicht für nötig halten, auch ein entsprechendes Gesetz zur Sicherung zu verabschieden; die simple Ankündigung muss reichen. Wenn also alles zusammenbrechen sollte, will die Regierung die verlorenen Guthaben der Bürger ausgleichen. Mit Steuergeldern selbstredend. Von den Bürgern, die soeben alles verloren haben. Hm.

Um das Ganze noch ein wenig zu verkomplizieren, wollen die Banken nun gar keine Hilfsgelder. Die Landesbanken sind da schmerzfreier; sie sind es gewohnt, mit Steuermitteln aufgepäppelt zu werden. Aber die privaten zieren sich. Und Onkel Steinbrück muss sie jetzt regelrecht dazu zwingen, die Kohle anzunehmen. Ob diese vornehme Zurückhaltung der Geldinstitute unter Umständen wohl daran liegt, dass die Bankmanager ihre Bezüge auf 500.000 Euro reduzieren müssten, wenn sie die Mittel in Anspruch nähmen? Vielleicht haben sie aber auch nur das Interview mit dem ebenso omnipräsenten wie unerträglichen Hans-Werner Sinn gelesen und nun Angst, in Viehwaggons abtransportiert zu werden, wenn sie ihre Glastürme verlassen.

Die Börsen-Berichterstatter von Tagesschau und Heute wissen gar nicht mehr, wie sie in die Kamera gucken sollen. Sie verfügen von Berufs wegen nur über zwei Gesichtsausdrücke, nämlich einem zerknirscht-betroffenen Katastrophenblick und einem selig-bräsigem Erleichterungsgrinsen. Beide kämen derzeit in Frage: Nikkei, Dow Jones und Dax stürzen ab und verzeichnen Rekordgewinne an ein und demselben Tag. Die Kurse von 29 der 30 Dax-Unternehmen befinden sich im freien Fall; der Index selbst klettert dennoch eifrig weiter, weil Aktienhändler VW-Anteile erst in absurde Höhen treiben und anschließend Gegenmaßnahmen fordern - nachdem sich jeder VW-Aktionär, der verkauft hat, über Nacht dumm und dämlich verdient hat. Die Hedgefonds hingegen nicht. Auch mal nett.

Zugegeben: Etwas unübersichtlich und schwer verständlich, das Ganze. Immerhin gibt es einen Namen für dieses seltsame Gebaren: "Casinokapitalismus". Ich finde diese Wortschöpfung ja schön, wenngleich sie auch Augenwischerei ist. Sie suggeriert nämlich, dass es sich bloß um eine Form des Kapitalismus handelt, um eine unnatürliche Abart gar, eine Perversion - aber diese Definition ist irreführend. Denn es ist ganz normaler Kapitalismus. In einem kapitalistischen System werden die Finanzjongleure immer neue Methoden zur Geldvermehrung erfinden, und je länger es gutgeht, desto abgedrehter werden diese Modelle eben. In spätestens 30 Jahren wird es wieder so sein - dann sind "Swap"-Geschäfte und "Cross-Border-Leasing" zwar alte Hüte, aber es gibt sicher was neues.

Dennoch finde ich den Begriff des Casinokapitalismus, wie gesagt, schön, denn er erlaubt treffliche Wortspiele. Denn in einem Casino gewinnt, das weiß jeder Zocker, letztlich immer die Bank.

Es sei denn natürlich, sie wird gesprengt.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Vertrauensbildende Maßnahme: Bundeswehr greift auf non-letale Methoden zurück

Es geht vorwärts im Miteinander zwischen Deutschen und Afghanen: Beim jüngsten Scheibenschießen auf ein von Zivilisten besetztes Auto bei Kundus ist es den deutschen Soldaten gelungen, niemanden zu töten. Die fünf Afghanen in dem Kleinbus, der mit MG-Feuer bestrichen wurde, weil er sich für den Geschmack der Soldaten zu schnell einem Kontrollposten näherte, wurden lediglich verletzt. Zwei von ihnen zwar ziemlich schwer, zugegeben, aber immerhin - keine Toten (sofern die beiden es überleben) und auch keine Frauen und Kinder unter den Niedergeschossenen. Die Lage bessert sich.

Nun müssten die Landser nur noch lernen, dass auch in einem kargen Drittweltland wie Afghanistan die Einwohner es mitunter mal eilig haben könnten und deswegen schneller fahren. Etwa, wenn sie - wie im aktuellen Fall - seit Kabul mit einem toten Verwandten im Auto sitzen, den sie zu seiner Beerdigung ins mehrere hundert Kilometer entfernte Badachschan bringen wollen und der sicherlich nicht angenehm roch. Solche Situationen kommen auf dem Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide natürlich eher selten vor.

Und vielleicht sollte den Soldaten endlich mal jemand erklären, dass man - wenn man in einem altersschwachen Auto auf einer schlecht befestigten Straße unterwegs ist - Warnschüsse schlicht und einfach auch mal nicht hört.

Wild loszuballern und Zivilisten zu massakrieren, weil einem die Nerven durchgehen, wenn die Einheimischen sich in ihrem eigenen Land nicht gemäß deutscher Vorschriften verhalten, dünkt mich jedenfalls kein besonders gutes Mittel zur Vertrauensbildung zu sein.

Samstag, 25. Oktober 2008

Blog-Probleme? Damit ist nicht zu spaßen!

Bloggerstarre, die [paralysis weblogans]: Zivilisationskrankheit, erstmals beschrieben 2008 von Dr. med. No.

Definition: Die B. befällt ausschließlich internetaffine Personen, die aktiven Kontakt zu sog. Weblogs haben. Die B. kann akut anfallartig auftreten und nach wenigen Tagen von selbst verheilen. Es besteht bei wiederholtem Auftreten derartiger Anfälle allerdings die Gefahr einer chronischen Erkrankung, die zum Verlust jeglicher Blogaktivität führen kann.

Pathogenese: Reizüberflutung, Overkill an bloggenswerten Themen in Verbindung mit arbeitsbedingt drastisch eingeschränkter Freizeit.

Epidemiologie: geschlechter- und altersunabhängig, schwerpunktmäßig offenbar Personen über 25 J., die sich verstärkt mit politischen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigen.

Einteilung:
1. leichte B.: Verringerung der Posting- und Kommentierungsfrequenz, Anfälle von Lustlosigkeit, Schwierigkeiten beim Ausdenken von Überschriften.
2. schwere B.: Minimale Postingaktivität, Einstellung von Kommentierungen, schwere und lang andauernde Phasen von Lustlosigkeit, psych. Druckgefühle, Verwirrungszustände.
3. chronische B.: Einstellung jeglicher Postingaktivität, Verwahrlosung des Blogs.

Lokalisierung: Gehirn; in einigen Fällen auch rein psychisch bedingt.

Diagnose: Patient wirkt lustlos und klagt über eine gewisse gedankliche Leere; P. zeigt Drang zum verstärkten Sinnlos-Surfen. Technorati-Wert sinkt rapide. Klagt der P. über ein Gefühl des "Unter Druck stehens", handelt es sich zumeist schon um einen schweren Fall der B.

Prävention: Science-Fiction-Serien schauen, Belletristik lesen, Medienkonsum reduzieren, Rotwein.

Therapie: Regelmäßiger Kontakt mit frischer Luft, Nachrichtensendungen und andere Blogs vorübergehend meiden, Katzen.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Klempner Joe rettet die Welt

Jeder zweite Filmtrailer beinhaltet einen Satz, der mit den (mit testosterongeschwängerter Brummstimme vorgetragenen) Worten "Ein Mann ..." beginnt. Ein Mann gibt nicht auf. Ein Mann stellt sich dem Feind entgegen. Ein Mann deckt die Hintergründe auf. Ein Mann rettet die Welt - und damit sind wir beim Thema. Denn bislang dachte ich, diese Ein-Mann-Schiene wäre bloß eine übel schmeckende Soße aus amerikanisch-chauvinistischem Pionierdenken, hollywoodesker Superheldenhörigkeit und quasirassistischem Überlegenheitsgefühl, die jedem Amerikaner ins Hirn gegossen wird. Nun aber weiß ich: Ein Mann kann wirklich die Welt retten! Sein Name: Joe Wurzelbacher. Sein Beruf: Klempner.

Die Geschichte dahinter ist freilich banal: Klempner Joe quatscht Barack Obama am Rande einer Wahlkampfveranstaltung an und nölt ihn voll, dass er im nächsten Jahr eine Steuerklasse höher eingestuft werden soll, weil er 250.000 Dollar mehr einnehmen wird. So weit, so wenig erwähnenswert - es gibt wohl bei jedem Wahlkampfauftritt diesen einen Menschen, der tatsächlich glaubt, den Präsidentschaftskandidaten würde sein persönliches Schicksal auch nur zwei Sekunden lang interessieren.

Interessiert hat es indes den anderen Kandidaten, John McCain nämlich. Der Republikaner, dessen politisches Profil sich im wesentlichen darin erschöpft, in Vietnam gefoltert worden zu sein, weshalb er die jetzigen Mißhandlungen in Guantanamo auch nicht so toll findet, aber dennoch so weit in Ordnung, dass er den Opfern den Rechtsweg versperren will - dieser John McCain nämlich hat Klempner Joe vor seinen Karren gespannt und ihn als zu erwartendes durchschnittliches Opfer einer etwaigen Präsidentschaft Obamas ins Feld geführt. Motto: Seht her, Obama nimmt euch euer Geld weg!

Der Haken bei der Sache ist allerdings, dass Joe der Klempner nicht Joe Sixpack ist. Der nämlich kriegt die kalte Wut, wenn er jemanden herumheulen sieht, der mehr Steuern zahlen soll, weil er seine Einnahmen um eine Viertelmillion Dollar steigern wird. Denn eine Viertelmillion sieht Joe Sixpack in seinem ganzen Leben nicht auf einem Haufen, geschweige denn innerhalb eines Jahres. Joe Wurzelbacher ist ein Unternehmer, er gehört zu der Sorte von Klempnern, die schon lange nicht mehr selbst ins Klo gegriffen hat, außer im metaphorischen Sinne.

Als McCain es also für eine gute Strategie hielt, Klempner Joe vor jede mögliche Fox-News-Kamera zu schubsen, wo er artig vom Teleprompter ablesen durfte, dass Obama für "Sozialismus" stünde - was, nebenbei gesagt, zeigt, dass Joe nicht das hellste Bürschchen ist, wobei man sich zwangsläufig fragt, warum solche Leute eigentlich so viel Geld verdienen - als McCain also Klempner Joe ins Zentrum seines Wahlkampfes rückte, schaufelte er sich sein eigenes politisches Grab. Jedes Mal, wenn McCain im TV-Duell gegen Obama Klemper Joe ins Feld führte - und das war einige Male -, sackte seine Zustimmung in der Bevölkerung um weitere drei Prozentpunkte. Ich vermute, Joe Sixpack war schlicht zu Tode genervt von dieser Art Gejammer auf hohem Niveau. Im Endeffekt ist Obama jetzt wohl nicht mehr zu stoppen, zumindest nicht ohne Gewalt, das weiß man bei den Amis ja nie so genau.

Und wie hat Klempner Joe nun die Welt gerettet?

Ganz einfach: Wenn nicht Obama, sondern John McCain Präsident werden würde, wäre Sarah Palin Vizepräsidentin. Und wenn der 72-jährige und wirklich alles andere als gesunde McCain im Laufe der nächsten Jahre ins Gras beißen sollte, würde Sarah Palin zur Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Über Mrs. Palin wurde schon terabyteweise gebloggt, deshalb hier noch einmal in Kurzform:

Sarah Palin ließ sich von einem Bischof gegen Hexerei schützen, genehmigte sich Gehaltserhöhungen und sonstige Subventionen auf Kosten ihres Heimatstaates und bezeichnet den Bau einer Gaspipeline in Alaska als "Gottes Willen". (A propos Pipeline: In dem verzweifelten Versuch einer Ehrenrettung lobte McCain die Kompetenz Palins in Energiefragen - diese erschöpft sich allerdings offenbar darin, der Öl-Lobby in den Hintern zu kriechen und Bohrungen im Naturschutzgebiet zu befürworten.) Als als der TV-Journalist Charles Gibson sie nach ihrer Meinung zur Bush-Doktrin fragte - zur Erinnerung: das ist die Doktrin, mit der sich die US-Regierung das Recht herausnimmt, jedes Land der Welt anzugreifen, bevor es die Idee haben könnte, seinerseits die USA anzugreifen - und Palin offensichtlich keinen blassen Schimmer hatte, worum es jetzt gehen soll. Ihre Antwort "In welcher Hinsicht?" bedeutet übersetzt "Häh?" und steht einer möglichen Präsidentin mit Zugriff auf die gesamte US-Militärmaschine samt Atomwaffen nicht gut zu Gesicht.

Sie wollte ihren Ex-Schwager aus dem Polizeidienst entlassen haben und feuerte, als das nicht geschah, dessen Chef. Sprich: sie missbrauchte ihre Macht, um einen persönlichen Rachefeldzug zu führen. Falls Palin Präsidentin wird, müssen wir damit rechnen, dass sie die Nationalgarde einsetzt, wenn ihr Vetter dritten Grades einen Strafzettel wegen Falschparkens in Idaho bekommt. Und zu welchen Schritten sie fähig wäre, wenn bei einem Gipfeltreffen Ljudmila Putin ein schöneres Kleid tragen sollte, können wir nur erahnen.

Sie ist eine Waffennärrin, die keine Ahnung von der Welt außerhalb der USA hat (was allerdings vermutlich auf ein Drittel aller Amerikaner zutrifft, mit ziemlicher Sicherheit aber auf den derzeitigen Amtsinhaber). Sie lehnt Aufklärungsunterricht an Schulen ab und trägt die Folgen in Form einer schwangeren 17-jährigen Tochter. (Kleiner Einschub: Die berechtigte Frage, ob die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter ihren erzkonservativen Standpunkt nicht konterkariere, beantwortet Palin mit dem lapidaren Hinweis, dass ihre Tochter demnächst heiraten werde. Ich wüsste zu gern, ob diese das überhaupt will - oder ob Palin hier, wie im tiefsten Afghanistan, eine Ehe arrangiert.)

Der Spiegel schrieb bei der Ernennung Palins, diese sei "ein meisterlicher, doch zugleich enorm riskanter Schachzug". So was schreibt man, wenn man keine Ahnung hat, sich aber keine Blöße geben will. Nun, mittlerweile weiß wohl auch der Spiegel, dass es kein meisterlicher, sondern ein unglaublich bescheuerter Schachzug war - Etwa so, als würde man seine Dame opfern, ohne eine gegnerische Figur zu bekommen. Nur dass Mrs. Palin nicht von McCain geopfert wird.

Dafür ist Klempner Joe in die Bresche gesprungen. Und auch wenn Joe ein politisch offenkundig unbedarfter Mensch ist, der sich für die kriegsgeilen Republikaner zum Hampelmann macht und für den der Begriff "Sozialismus" nicht nur ein Schimpfwort ist, sondern dazu noch eines, dessen Bedeutung er nicht mal ansatzweise kapiert hat; und obwohl sich mein Mitleid mit dem Viertelmillion-Dollar-Klempner in Grenzen hält und ich mit Joe Wurzelbacher nur ungern ein Bier trinken gehen würde, muss ich an dieser Stelle für seine tragende Rolle im Rahmen der Palin-Verhinderung deutlich sagen:

Danke, Joe !



Samstag, 18. Oktober 2008

Wall Street meldet: Rettungspaket eingetroffen, Maßnahmen werden eingeleitet!

Im Mittelalter gab es den sogenannten "Zehnt" - eine zehnprozentige Steuer, die von allen an die Kirche gezahlt werden musste, damit die sich davon teure Priestergewänder und goldene Meßbecher kaufen konnte. Diese Abgabe existierte viele Jahrhunderte, bis sie im modernen Zeitalter - ebenso wie die Allmacht der Kirche - etwas unpopulärer geworden ist.

Nun, manche Erfindungen sind zeitlos.

Nicht nur, dass der Geldmarkt schon seit Jahren quasi-religiöse Züge annimmt - mit den Börsen als modernen Kathedralen, Finanzexperten als unfehlbaren Hirten und den Dax-Nachrichten als täglicher Heilsbotschaft zur besten Sendezeit: Jetzt haben die Banker an der Wall Street auch das Prinzip des "Zehnten" wiederentdeckt und stecken sich vom 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Regierung erst einmal 70 Milliarden Dollar in die eigenen Taschen. Vermutlich mit einem amüsierten Grinsen auf dem Gesicht.

Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erkennen, dass damit keine Bank gerettet wird, sondern nur der Lebensstil der Banker. Und das mit Steuergeldern, also unter anderem auch Geldern derjenigen, die sich jeden Tag halbtot schuften, sich trotzdem kein College für ihre Kinder leisten können und nun auch noch Angst haben müssen, wegen der Machenschaften der Wall-Street-Finanzjongleure ihre Stelle zu verlieren.

Ich glaube, etwas derartig Schamloses wie diese Selbstbedienungsorgie mit unübersehbarer Stinkefingergeste in Richtung des Pöbels hätte ich mir niemals ausdenken können. Das Leben denkt sich immer noch die besten Geschichten aus. Bleibt die Frage, wie diese Aktion ankommt bei Menschen, die von den Banken gerade aus ihrem Haus geworfen wurden, aber immer noch ihren Schrank voll Schusswaffen haben.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Es ist eben auf niemanden mehr Verlass . . .

Wenn ich eines hasse*, dann sind es Besucher, die sich zu einem festen Termin angekündigt haben und dann einfach nicht erscheinen. Jawohl, IHR seid gemeint, Außerirdische von der "Föderation des Lichts"! Erst groß herumposaunen, dass ihr an diesem Dienstag landen wollt, außerdem 'ne große Lippe riskieren von wegen "Wir bringen euch Hoffnung" und so weiter - und dann? Nix Landung! Unentschuldigt gefehlt! Ihr hättet euch doch wenigstens bei eurem Medium Blossom Goodchild abmelden können. Die Ausrede "Anrufbeantworter war voll" zählt nicht, schließlich könnt ihr sie telepathisch erreichen.

Mist, mist, mist. Ich habe den ganzen Tag gewartet, wollte euch in meiner Eigenschaft als Abgesandter Nordwestdeutschlands begrüßen und euch eine Liste mit Namen von Leuten übergeben, die meiner Meinung nach nicht angetan sind, Hoffnungen zu wecken, auf dass ihr sie mit euren Strahlenkanonen vaporisiert. Sie passte sogar auf nur eine Klopapierrolle. (Eigentlich wollte ich auch zur Landestelle kommen, aber da eure Kontaktleute sich nicht sicher waren, ob diese in Wales, Alabama oder im Ural liegt, habe ich mal davon abgesehen.)

Also: Nächstes Mal bitte kommen oder rechtzeitig absagen, bevor ihr die halbe Welt kirre macht. Oder wenigstens die halbe Welt der Ufo-Freaks.





*Diese Formulierung trifft eigentlich nicht wirklich zu, denn ich hasse eine ganze Menge Dinge. Aufmerksamen Lesern dieses Blogs wird das nicht entgangen sein.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Gut gebrüllt, Löwin!

Der grünen Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk scheint die massive Kritik daran, dass die Grünen-Fraktion - entgegen aller Parolen im Wahlkampf - nun doch den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg abgenickt hat, allmählich auf die Nerven zu gehen. Es könnte sein, deutete sie vor ihren Parteigenossen an, dass man den Wählern vor dem Urnengang zuviel versprochen habe. Na ja, soll ja mitunter mal vorkommen.

Gleichwohl sprach sie sich für die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition aus - kaum überraschend, geht es dabei doch auch um ihren Posten. Wörtlich sagte sie: „Wir würden doch keinem Klimaschützer oder dem Klima nützen, wenn wir uns jetzt vom Acker machen.

Stimmt. Aber es nützt dem Klima ja offenbar auch nichts, wenn ihr dableibt.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Grußworte zum 125. Todestag von Karl Marx, Folge 6

"Generell muss man wohl sagen, dass gewisse Teile der marxistischen Theorie doch nicht so verkehrt sind."

Peer Steinbrück (SPD), Bundesminister der Finanzen, im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Dienstag, 7. Oktober 2008

Stiftung Qualentest warnt: Keine Billig-Folter aus Fernost!

Eine schöne Nachricht des Tages ist, dass das US-Militär laut Gerichtsbeschluss 17 Gefangene freilassen muss, die unschuldig in Guantanamo einsitzen. Es handelt sich dabei um chinesische Uiguren, muslimisch zwar, aber - man höre und staune - trotzdem keineswegs terrorverdächtig. Es sei denn natürlich, man fragt die Machthaber in Peking: Für das Regime, das die Uiguren seit langem systematisch unterdrückt, handelt es sich sehr wohl um Terroristen, weshalb es vehement die Auslieferung der Noch-Gefangenen fordert. Womit wir bei der unschönen Nachricht wären.

Die Wahrheit ist: Die Uiguren, die vor der Verfolgung durch die chinesischen Behörden nach Afghanistan und nach Beginn des Krieges nach Pakistan geflohen waren, sind Ende 2001 von Kopfgeldjägern an die USA verkauft worden (Stückpreis 5000 Dollar, wofür man auch zwei Iraker erschießen könnte) und sitzen seitdem in dem Militär-Gulag ein - obwohl das Pentagon spätestens seit 2005 weiß, dass sie unschuldig sind. Dennoch werden sie erst seit letzter Woche nicht mehr als "feindliche Kämpfer" betrachtet. Sie verbringen dort fast den ganzen Tag in Isolationshaft und werden in kleine Metallboxen gesperrt. Seit, um das nochmal zu verdeutlichen, sieben Jahren.

Und nun die Pointe: Die USA weigern sich seit Jahren, die uigurischen Gefangenen freizulassen, da andere Länder sich weigern, sie aufzunehmen und ihnen - man halte sich fest, das erfinde ich jetzt nicht - bei einer Rückkehr nach China Folter droht!

Ich finde es schön, dass das US-amerikanische Militär auch mal sein menschliches Antlitz zeigt. Nicht zuzulassen, dass freigelassene Gefangene in ihrem Heimatland Opfer von Folter werden, zeugt wirklich von Edelmut. Da foltert man sie doch lieber selbst - da weiß man, was man hat. Nicht diese minderwertige Billigfolter aus Fernost.

Bleibt die Frage, warum die Militärs die Uiguren damals so bereitwillig gekauft und eingekerkert hat - unter den Attentätern des 11. September 2001 waren, soweit ich mich erinnere, recht wenig chinesische Staatsbürger. Aber hey - die sehen doch sowieso alle gleich aus da unten, oder nicht?

Schlussbemerkung: Die USA weigern sich natürlich auch selbst, die Uiguren aufzunehmen - von einer Entschädigungszahlung für die erlittenen Qualen und die geraubte Lebenszeit mal ganz abgesehen. Das einzige Land, das bislang Uiguren aus Guantanamo als politische Flüchtlinge bei sich aufgenommen hat, nämlich fünf an der Zahl, ist das bitterarme Albanien.

Die Wochenschau meldet: Unsere glorreiche Marine kämpft Sturmflut nieder!

Ich unterbreche die allgemeine Wohin-mit-meinem-Sparbuch-Panik nur ungern, aber dennoch: Die große Koalition hat es mal wieder geschafft, ein Gesetz heimlich, still und leise zu verabschieden, für das sie in einer gerechteren - oder entspannteren - Welt von den Bürgern zum Teufel gejagt worden wäre: Zukünftig soll die Bundeswehr leichter im Innern eingesetzt werden dürfen. Dazu wird das Grundgesetz entsprechend geändert. Dahinter steckt - man ahnt es bereits - das Innenministerium, obwohl es strenggenommen mit den Streitkräften nichts zu tun haben sollte. Wieder einmal hat Wolfgang Schäuble einen günstigen Zeitpunkt genutzt, um die Militarisierung der Republik voranzutreiben: Die Leute haben anderes im Kopf als verfassungsrechtliche Spitzfindigkeiten. Wenn es einen Aufschrei gegeben haben sollte, habe ich ihn noch nicht vernommen.

Der Mitteilung zufolge sollen Soldaten zur „wirksamen Bekämpfung besonders schwerer Unglücksfälle“ , etwa Naturkatastrophen, herangezogen werden können, wobei auch der "Einsatz militärischer Mittel" möglich sein soll. Das halte ich für eine super Idee: Sturmfluten werden mit Kriegsschiffen und Küstenartillerie in Schach gehalten, Unwetter mit Boden-Luft-Raketen verjagt und Erdbeben mit Bombenteppichen bekämpft - wenn man brennende Ölfelder mit Sprengungen löschen kann, sollte das doch auch funktionieren.

Nein, nein, wiegelt das Ministerium ab: Ein Einsatz der Bundeswehr soll nur im Rahmen der Amtshilfe geschehen, wenn der Polizei die nötige Ausrüstung fehle. Damit könnten indes auch Panzer und Sturmgewehre gemeint sein. Bereits beim G8-Gipfel in Heiligendamm war die Bundeswehr im Rahmen der "Amtshilfe" vor Ort, was bekanntlich dazu führte, dass Jagdbomber der Luftwaffe über die Zelte der Demonstranten hinwegdonnerten. Vielleicht dürfen sie ja demnächst Tränengasraketen abschießen.

Aber halt, fast hätte ich das 08/15-Argument vergessen, mit dem jedes unpopuläre Gesetz letztlich gerechtfertigt wird. SPD-Fraktionschef und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck begründete den Schritt mit der Notwendigkeit zur Abwehr "terroristischer Angriffe von See her". Hmja, zugegeben: Bei allem Gelästere vergesse ich mitunter, wie oft es vorkommt, das Terroristen mit sprengstoffbeladenen Schlauchbooten um die halbe Welt tuckern, um den Ungläubigen einen entscheidenden Schlag zu versetzen, indem sie sich vor den Cuxhavener Fischhallen in die Luft sprengen.

Für die Soldaten würde die Neuregelung eine Verbesserung bedeuten. Jahrzehntelang durften sie nicht außerhalb und auch nicht innerhalb Deutschlands eingesetzt werden, weshalb die Kerle nur auf den Grenzzäunen herumsitzen und sich am Sack kratzen konnten. Nun dürfen sie seit geraumer Zeit draußen spielen gehen - da ist es ja nur konsequent, wenn sie es auch drinnen dürfen. Nur eines verstehe ich jetzt nicht. Laut Ministerium geht es nur um den Einsatz bei Unglücksfällen, der Koalitionspartner spricht aber von Terrorbekämpfung. Gilt ein "möglicher terroristischer Angriff von See her" nun plötzlich als Unglücksfall oder Naturkatastrophe - oder hat Struck sich schlicht verplappert?