Sonntag, 30. August 2009

Das Glühwürmchen am Ende des Tunnels

Es ist nicht verwunderlich, dass es am heutigen Wahlsonntag wieder einmal nur Sieger gibt, trotz der höchst unterschiedlichen und teils überraschenden Ergebnisse. Schließlich werden Partei-Generalsekretäre für genau solche Aussagen gebraucht. Aber was fängt ein geistig normaler Bürger nun mit den Ergebnissen aus Sachsen, Thüringen und dem Saarland an? Meiner Meinung nach kann er den Strick bzw. die Schlaftabletten oder auch die geladene Pistole vorerst wieder zurück in die Schublade legen - der heutige Tag hätte weitaus Schlimmeres bereithalten können.

Donnerstag, 27. August 2009

Heutige Hausaufgabe: Vergleichende Textanalyse

Mal eine kleine Quizfrage zwischendrin: Was ist an diesem Artikel auffällig? Und an diesem, diesem, diesem oder auch diesem, die alle dasselbe Thema behandeln? Na?

Kleine Männer mit großen Rohren

Man stelle sich folgende Situation vor: Vor dem Nachbarhaus will ein pickeliger Pubertierender vor seinen Kumpels mit seinem Moped angeben und dreht zu diesem Zweck eine halbe Stunde lang ständig den Gashebel bis zum Anschlag auf. Jeder normale Mensch würde ihn dafür anschnauzen, ihm mit der Polizei drohen und letztlich, wenn alles andere nicht hilft, ein paar an die Löffel geben. Und jeder Anwohner würde applaudieren - denn jeder empfände das Verhalten des Sandkastenrockers als unverschämt, asozial und höchst überflüssig.
Völlig anders sieht es natürlich aus, wenn derselbe Moped-Motor nicht in ein Zweirad, sondern in eine umschnallbare Pustevorrichtung eingebaut ist: Dann handelt es sich um einen Laubbläser, und der entstehende Krach muss hingenommen werden, denn schließlich ist es ja Arbeit.

Mittwoch, 26. August 2009

Just one more dead Kennedy

Oh jammer, oh Not:
Edward Kennedy ist tot.
Legt nun Mozarts Requiem ein
und trauert alle im Kerzenschein.

Hängt die Fahnen auf Halbmast,
legt an den schwarzen Trauerflor -
doch bleibt trotz Tränen stets gefasst,
auch wenn nichts mehr ist als wie zuvor.

Sonntag, 23. August 2009

Die Laus auf der Leber als Co-Autor

Zu den unerträglichsten Personen der deutschen Medienlandschaft zählt für mich schon seit langem der hochgradig selbstverliebte Henryk M. Broder, der gerne als "brillianter Polemiker" gefeiert wird, nur zu oft aber einfach nur einem polternden Motzdrang im Bereich seiner drei Lieblingsthemen nachgibt und das dann als hochwertigen Journalismus verkauft. Mit seinem aktuellen Artikel über Christiania hat er sich jetzt selbst übertroffen - mit nöligem Gejammer über eine kaputte Kamera schaffte er es auf die Spon-Homepage. Mal wieder.

Die Story lässt sich schnell zusammenfassen: Broder stattete der selbstverwalteten Kopenhagener Freistadt einen Besuch ab und hat nichts besseres zu tun, als gezielt eines der wenigen Verbote zu missachten, die die Bewohner erlassen haben - das Fotografierverbot. Die Existenz dieses Verbots kann eigentlich jeder nachvollziehen: Wer möchte schon gerne den lieben langen Tag in dem Gefühl leben, von herumstromernden Touristen in jeder denkbar unvorteilhaften Situation abgelichtet zu werden? Oder von verdeckten Polizeiermittlern, die das beliebte Kifferviertel ständig beobachten? Einige Dutzend Schilder weisen auf dieses Fotografierverbot hin.

Aber hey, es handelt sich hier schließlich um *trommelwirbel* Henryk M. Broder - der lässt sich gar nichts verbieten, schon gar nichts von ein paar ungewaschenen Althippies (deren körperlichen Verfall er auch gleich detailliert beschreiben zu müssen meint)! Also raus mit der Kamera und ein paar Leute mit fetten Joints in der Hand fotografiert. Dass es immer ein wenig nach Ärger riecht, Menschen bei strafbaren Handlungen abzulichten, hätte Broder eigentlich auch beizeiten mal dämmern können. Und tatsächlich fanden ein paar Bewohner das nicht lustig, nahmen ihm den Fotoapparat ab und warfen ihn in eine brennende Mülltonne. Broder, extrem angepisst, ging zur Polizei - die ihm allerdings mitteilte, dass sie keineswegs beabsichtigte, wegen seiner egozentrischen Scheißaktion gleich das ganze Viertel aufzumischen.

Also macht Broder das, was den allermeisten Dorfreportern viel zu peinlich wäre: Er erhebt seinen persönlichen Frust zu einem journalistischem Aufregerthema und schreibt einen Artikel über die schreiende Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren ist; er malt ein düsteres Bild über die "No-Go-Area" Christiania, wo die pure Anarchie herrscht und Dealer das Sagen haben und sich alle voll Haschisch spritzen und keine Polizei da ist, wenn man sie braucht und wo böse Hippies einfach so Kameras zerdeppern und überhaupt.

Klar - jemandem die Kamera zu zerstören ist alles andere als ein netter Zug. Peinlicherweise beruft sich Broder aber wie der piefigste Spießer auf das dänische Recht, das Fotografieren in öffentlichen Räumen nicht verbietet, und schert sich ganz offensichtlich einen Dreck darum, dass Christiania sich seit fast vier Jahrzehnten selbst verwaltet und, mehr oder weniger geduldet von der Regierung, seine eigenen Regeln aufgestellt hat - und die sollten Besucher schon allein aus Gründen der Höflichkeit beachten. Zu diesen Regeln gehört nicht nur das Verbot von Hundeleinen, wie Broder ätzt, sondern auch das Verbot von Waffen, Gewalt und harten Drogen. Gute Güte, was für ein Sündenpfuhl! Wird Zeit, dass da Recht und Ordnung einkehrt.

Das journalistische Ergebnis von Broders Frustablass ist so beschämend, dass es wehtut. In düsterem Unterton schwadroniert er über den "rechtsfreien Raum", in dem "das Faustrecht herrscht" und in dem das "Betreten nur auf eigene Gefahr" möglich sei. Er steigert sich schließlich so sehr in seinen Frust herein, dass er allen Ernstes Christiania mit Kabul vergleicht. Ich frage mich, ob er seinen eigenen Text vielleicht auch ziemlich peinlich findet, sobald sein Adrenalinpegel wieder einen Normalwert erreicht hat.

Im Unterschied zu anderen Autoren kommt Broder aber mit dieser "Liebes Tagebuch, die Welt war heute wieder gemein zu mir"-Geschichte sogar zu einer äußerst prominenten Platzierung auf Spon. Das sollte ich eigentlich auch mal versuchen, wenn ich einen schlechten Tag erwische. Aber nein, stopp, geht nicht: Die Spiegel-Redaktion verwendet nur Texte der eigenen Autoren bzw. von eigens beauftragten Verfassern, wie mir einmal auf Anfrage mitgeteilt wurde. Dann ist es offenbar auch völlig egal, was diese schreiben.

Oh je - die Geschichte des Dritten Reichs muss mal wieder neu geschrieben werden

Falls jemand im Rahmen der inflatulenz inflationären Hitler-Berichterstattung in TV und Printmedien gerade ein absolutes Reißerthema bzw. einen spektakulären Titel für eine noch zu produzierende Doku bzw. Hintergrundstory sucht: die Blödzeitung hat die Messlatte in dieser Hinsicht ziemlich hoch gelegt.

Das auf dem aktuellen Screenshot erwähnte "Geheimdokument" ist allerdings streng genommen nicht mehr so ganz geheim, nachdem sein Inhalt vor einem halben Jahr durch die üblichen Gazetten gejagt und das Papier selbst bei Sotheby's versteigert worden ist. Und worin die so verschwörerisch angekündigte "Wahrheit" bestehen soll, kommt im entsprechenden Artikel auch nicht so richtig rüber - vielleicht stanken Hitlers Pupse schlimmer als andere. Und vielleicht liegt hier auch der Grund für die braunen Uniformen. Man weiß es nicht.

Samstag, 22. August 2009

Von jetzt ab wird Dreckwurf mit Dreckwurf vergolten!

Wahlkampf ist die Fortführung des Macchiavellismus mit anderen Mitteln - das beweist derzeit wohl niemand besser als Ursula von der Leyen. Vorbei die Zeit, in der sie als immer etwas weggetreten wirkende und in ihrer persönlichen Familienidyll-Fantasie schwelgende Bundesmutti von vielen nicht für voll genommen wurde: Auf aktuellen Wahlkampfveranstaltungen - zu sehen etwa auf dem Honigbrot-Blog und nachzulesen auf netzpolitik - geriert sich die Norddeutsche durch wohlüberlegt gesetzte Emotionsausbrüche, akzentuierte Kraftausdrücke und übertriebenes "r"-Rollen wie ein Straßendemagoge der 30er-Jahre. Ja, das war jetzt ein kaum verhohlener Nazivergleich - und den nehme ich mir heraus. Denn wer den politischen Gegner auf eine Stufe mit Kinderpornofans stellt, hat's nicht besser verdient.

Ja, ich weiß: Nazivergleiche führen zu nichts und sind in aller Regel wenig stichhaltig. Aber was Ursel da auf dem Reichsparteitag der Wahlkampfveranstaltung in Sulzbach brachte, ist nicht von schlechten Elterngeldbeziehern und taugt als Lehrfilm für jeden selbsternannten Möchtegern-Volkstribun: Mit Phrasen wie "Um Himmels willen", "Das schlägt dem Fass den Boden aus" oder "Das ist das Grauen" wärmt sie gezielt die Tränen- und die Adrenalinproduktion im Publikum an. Mit von Salzsaüre durchtränkter Stimme schnarrt sie in deutlich herabwürdigendem Ton das Wort "Inforrrrmationsfrrrreiheit", als wäre dies kein schützenswertes Grundrecht, sondern ein fragwürdiges Hobby verkommener Subjekte, denen ja wohl offenbar nichts am Kindeswohl läge. Und "verfassungsrechtliche Bedenken", die sie mit deutlich hörbaren Anführungszeichen intoniert, wischt sie mit herrischer Geste vom Tisch, weil die Verfassung ja wohl keine Kinderpornos dulden dürfe. Es hätte nur noch gefehlt, dass sie den Bundestag als "Debattierclub" schmäht.

Von der Leyen kennt offenbar nicht einmal den Unterschied zwischen einer Verfassung und einem Gesetzbuch: Das Grundgesetz ist dazu da, die Grundwerte, -rechte und -regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens festzulegen und nicht, um sich mit einzelnen Straftatbeständen zu befassen. Daher können auch auf demokratischem Weg entstandene Gesetze, die eben diese Grundrechte einzuschränken geeignet sind, verfassungswidrig sein. Das hat sich in jüngster Zeit mehrfach gezeigt. Vielleicht kennt sie den Unterschied aber auch doch - und baut darauf, dass ihr Publikum dafür zu blöd ist, womit sie in beeindruckender Form ihre kombinierte Verachtung sowohl für ihre Kritiker als auch für ihre Anhänger unter Beweis stellen würde. Elitärer Machtdünkel in Reinkultur.

Aber es kommt ja noch schlimmer. Nicht nur die Intonation ihrer Rede erinnert an Propagandisten übelster Sorte, sondern ebenso die Art, Kritikern - ich formuliere es mal zurückhaltend - unlautere Motive zu unterstellen: "Dann kam der Chaos Computer Club und die Piratenpartei, die plötzlich schrien: 'Das ist Zensur!'. Meine Damen und Herren, Kinderpornographie im Internet anzuschauen ist Kindesmissbrauch...", belfert sie ihren silberlockigen Stammwählern zu, bei denen man schon statistisch durchaus davon ausgehen kann, dass die meisten Anwesenden keine allzu große Internetaffinität haben. Und wie kommt so ein Satz bei solchen Leuten an? CCC und Piratenpartei - und die Linken natürlich sowieso - kämpfen offenbar dafür, ungehindert auf Kinderpornos zugreifen zu können, und machen sich dieser Argumentation zufolge des Kindesmissbrauchs schuldig. Nicht hingegen die FDP, obwohl sie die Sperren ebenso ablehnt. Aber das ist selbstredend was anderes.

Den politischen Gegner als Kinderficker zu diffamieren - so sieht der Wahlkampf einer Bundesministerin im Jahre 2009 aus. Dass das keine einmalige Entgleisung war, sondern wohlüberlegte rhetorische Strategie, zeigen mittlerweile auch andere Mitschnitte. Man stelle sich vor, in einer solchen Veranstaltung aufzustehen und Kritik an der Zensurpolitik zu üben - binnen Sekunden würde man als vermeintlicher Kinderschänder von der aufgehetzten Menge mit Bierflaschen und Krückstöcken niedergeknüppelt.

Auf diesem Niveau wiegelten schon ganz andere Demogogen das Volk auf. Und wie diese hält auch Ursel von Pressefreiheit nicht besonders viel:




Gut - ist ja auch irgendwie verständlich, dass Zensursula bei dem jüngsten Hickhack um Internetsperren gerne mal wieder in ihrer Lieblingsrolle abgelichtet werden möchte: Als fürsorgliche Übermutter in einer Kita. Das Spiegel-TV-Team, das wahrscheinlich wieder mal irgendwelche bohrenden politischen Fragen im Notizblock hatte, nervt da ja nur ("Doch nicht vor den Kindern!"). Gastgeberin Gitta Connemann aus dem ostfriesischen Leer ist auch eher den Wohlfühljournalismus der Ostfriesen-Zeitung gewöhnt, die bis vor kurzem noch zum Medienportfolio der CDU-Hofberichterstatter der NWZ gehörte. Hier sind keine unbequemen Fragen zu erwarten, daher durften deren Lokalreporter auch bleiben. Derartiges herrisches Gebaren gegenüber Journalisten erinnert eher an autoritäre Regime in Bananenrepubliken als an die vielbeschworene stabile Demokratie in Deutschland.

Bekanntlich kommt man im Wahlkampf immer weiter, wenn man auf die Bäuche der Zuhörer abzielt und nicht auf ihre Köpfe. Auch das ist in der Geschichte der Propaganda eine Binsenweisheit und hat sich schon oft als erfolgreich dargestellt. Und damit beschließe ich meinen persönlichen Nazivergleich. Denn Ursel ist natürlich nicht Magda Goebbels. Ursel würde nie ihre Kinder vergiften.

In einem Punkt allerdings stimme ich ihr vorbehaltlos zu - nämlich als sie sagte: "Wir werden eines Tages nicht nur gefragt nach dem, was wir getan haben, sondern auch nach dem, was wir vielleicht nicht getan haben." -- Eben. Und wir werden vielleicht gefragt werden, warum wir nichts getan haben, als die Bundesrepublik in einen Überwachungsstaat umgewandelt wurde.

Dienstag, 18. August 2009

Das langsame, qualvolle und multimediale Sterben des Michael J.

Vielleicht hat's nicht jeder gemerkt: Seit Wochen fechten Redakteure überall auf dem Planeten die Weltmeisterschaft der Panorama-Berichterstattung aus. Die diesjährige Wettbewerbsdisziplin lautet: Wie lange lässt sich der Tod eines Prominenten medial ausschlachten? Die Rede ist natürlich von Michael Jackson, dessen Sterben ein langsames und qualvolles ist. Langsam, weil es seit gefühlt zig Monaten andauert. Und allmählich qualvoll für jeden, der in diesen Tagen den Panorama-Teil seiner Zeitung aufblättert.

Noch ist keine Entscheidung in Sicht, noch haben viele Zeitungen und Onlinemedien Titelchancen, indem sie immer weiter über jeden Pups des Jackson-Clans berichten und jedem noch so unbedeutenden Gerücht einen eigenen Artikel widmen. Nur das Fernsehen ist in diesem Wettbewerb allmählich ins Hintertreffen geraten; vermutlich, weil es langsam auffallen würde, Berichte über Jackson mit immer denselben Archivbildern zusammenzubasteln.

Beispiele gefällig? "Arzt ließ Jackson vor seinem Tod allein", klagt etwa Spon an, weil der Leibarzt nach der Verabreichung der Medikamente Jacksons Schlafzimmer verlassen haben soll. Skandal! Jeder normale Doktor bleibt händchenhaltend am Bett des Patienten sitzen, bis das Medikament wirkt, auch wenn es Stunden dauern sollte - das weiß doch jeder. Und dieser Quackdsalber soll stattdessen mit seiner Praxis telefoniert haben! Mit seiner Praxis! Da geht es dem King of Pop schlecht, und dieser Scharlatan fragt nach seinen anderen, normalsterblichen Patienten! Zack, Aufmacherthema fertig. Jacksons Kinder vermissen ihren Papa? Wow, was für eine Sensation - gleich einen 60-Zeiler fertig machen und ab auf die Homepage! Natürlich werden bei dieser Gelegenheit auch Zweifel an der Vaterschaft seiner Blagen genüsslich aufs Korn genommen. Irgend jemand findet sich schließlich immer, der es für wahrscheinlich hält, dass Aliens ihn seines Spermas beraubt und es Jackson, quatsch: Debbie Rowe eingepflanzt haben. Und, by the way: Vielleicht ist diese Frau ja gar nicht die leibliche Mutter. Darüber berichten wir dann nächste Woche.

Und überhaupt: Ist Jackson eigentlich schon beerdigt worden? Das sind so die Fragen, die die Menschheit in Zeiten von Antiterrorkrieg, Neoliberalismus und Umweltzerstörung bewegen. "Ja", hieß es kurz nach der ebenso pompösen wie merkwürdigen Trauerfeier, und zwar "heimlich". "Stimmt gar nicht", hieß es kurz darauf. "Wohl!", nölten dann wieder andere, und zwar nach wie vor "heimlich". Des Rätsels Lösung ist übrigens nicht minder unappetitlich: Michael Jacksons Leiche sei tiefgefroren, wird man jetzt aufgeklärt, da er erst an seinem Geburtstag in zwei Wochen beigesetzt werden soll. Falls er vorher nicht geklaut wird, heißt das.

Übrigens gibt es hier ein paar Bonuspunkte für die-topnews.de für die herrlich emotionale Wortwahl "Michael Jackson liegt eingefroren in Kellergewölben" (wo er vermutlich darauf wartet, wachgeküsst zu werden) und den famosen Einstieg "Neue Gerüchte über Michael Jackson besagen, dass ihn Ärzte noch immer anfassen können" - was auch immer der Autor dieser Zeilen damit besagen will. Zusatzpunkte würde ich auch Bild.de verleihen wollen - für den moralinsauren und zeigefingererhobenen Artikeleinstieg "Nein, sie lassen ihm keine Ruhe – im Tod so wenig wie im Leben", bevor sich das Revolverblatt anschließend genüsslich der Frage widmet, ob Jacksons Nase mit ihm beerdigt werde.

Dabei wissen die Leser dieses Blogs doch längst, dass Jackson gar nicht tot ist, höchstens totgeritten. In Wirklichkeit, so sind 60 Prozent der Teilnehmer des letzten Votings überzeugt, lebt er mit Hitler und Elvis am Südpol. Andere waren der Meinung, dass er schon seit 20 Jahren tot sei, stellten damit aber nur ebenso eine Minderheit dar wie diejenigen, die glaubten, Jacksons Implantate hätten sich zu einer eigenen Intelligenz entwickelt, die - um die Weltherrschaft erlangen zu können - ihren Wirt töten musste (je 20 Prozent).

Egal, ob tot oder nicht - wie geht's weiter? Wann findet das Finale dieser redaktionellen Sau-durchs-Dorf-treib-WM statt? Das könnte noch dauern, wenn man sich den heutigen Spon-Artikel zum Thema ansieht: "Michael Jackson darf weiter vermarktet werden", jubiliert das führende Nachrichtenmagazin und behauptet, die Fans würden "aufatmen".

Die Redakteure vermutlich auch. Und alle anderen ebenfalls - schließlich hilft es manchmal, tief durchzuatmen, wenn man Brechreiz verspürt.

Freitag, 14. August 2009

Populismus, Popularität und Politikerpopos

Bevor ich nun ins Wochenende verschwinde, gibt's noch was Gutes von Hagen Rether - und vor allem endlich mal wieder was Neues, nicht schon ein paar Dutzend mal Gehörtes:



Bis Montag in alter Frische, wie man in festen Beschäftigungsverhältnissen des öfteren zu hören bekommt - ich also nicht, hehe.


Gefunden bei Roman, mit bestem Dank an jemanden namens "Chickenfood".

Ich will auch!

Das ist ungerecht: Während anderswo schon fleißig über die Wahlplakate hergezogen wird, tut sich bei mir in Oldenburg noch so gut wie gar nichts. Bislang habe ich hier ausschließlich Wahlwerbung der Piratenpartei gesehen, die schon vor drei Wochen mit dem Plakatieren angefangen haben - und über die ich gerade nix zu lästern weiß. Was ist mit "Möge die Macht mit uns sein" (oder so ähnlich), ihr Unionisten? Wo bleibt "Wums", ihr Grünen? Ich empfinde das als unzulässige Benachteiligung meiner Bloggertätigkeit!

Ich habe ja schon in meiner Verzweiflung einen Abstecher nach Wilhelmshaven gemacht. Und was musste ich da sehen? Die ganze Stadt hängt voll mit - MLPD-Plakaten! Jaja, die Wilhelmshavener, die alten Schlawiner. Vielleicht hissen sie nach der Bundestagswahl ja rote Fahnen auf den Fregatten der Bundesmarine, nachdem sie die Offiziere über Bord geworfen haben, und gründen Arbeiter- und Soldatenräte. Wär' ja mal was. Von den etablierten Parteien aber auch hier kaum eine Spur.

Liebe Sozial-, Christ- und sonstige angebliche Demokraten: So geht das nicht! Ich weiß ja, dass ihr gar nichts habt, womit ihr werben könnt, und dass euch eure Lippenbekenntnisse sowieso niemand abkauft. Und ihr wißt, dass ich das weiß. Und ich weiß, dass ihr wißt, dass ich das weiß. Geschenkt. Aber wenn ihr schon keinerlei glaubhafte Inhalte habt, dann fangt doch wenigstens aus Gründen der Unterhaltung endlich mal an mit dem Plakatieren. Sonst weiß ich gar nicht, was ich demnächst schreiben soll.

Andererseits, wenn ich's mir recht überlege: Aus ökologischen Gründen könnt ihr diese grandiose Papier- und Holzverschwendung eigentlich auch bleiben lassen. Man muss dieselben Hackfressen, die einen jeden Tag aus der Zeitung anglotzen oder aus dem Fernseher heraus zulabern, ja nicht auch noch überdimensioniert an jeder Straßenecke sehen. Und die Lügen und falschen Versprechungen, mit denen ihr das Volk einlullt, kennen wir auch schon auswendig und müssen sie nicht noch überall lesen.

Insofern: Lasst es der Umwelt zuliebe einfach dieses Mal sein. Das Wahlplakat von McDoof reicht mir vollkommen, andere braucht es gar nicht:


Wer's nicht lesen kann: "Jetzt links". Ist halt nicht ganz einfach, aus einem fahrenden Auto heraus mit dem Handy zu fotografieren.

Donnerstag, 13. August 2009

Auf ein Wort, liebe asiatische Mitbürger!

Es ist mir ja soweit klar und leuchtet ein, dass ihr nicht alle Restaurants, Lieferdienste und Spezialitätenläden immer "Hong Kong", "Mekong" oder "Kanton(g)" nennen könnt. Verwechslungsgefahr und so. Aber das hier ist nun wirklich albern:



Hätte es da nicht einen etwas weniger lächerlichen Namen gegeben?

(Und ja, ich werde beizeiten mal in die Waschanlage fahren. Weitere Hinweise überflüssig.)

Mittwoch, 12. August 2009

Peterchens Mondfahrt

Wer bislang dachte, Steinmeiers verzweifelte Fantasterei von vier Millionen neuen Jobs sei lächerlich und unrealistisch, der wurde heute eines besseren belehrt: Es geht noch absurder. Peter Hintze (CDU) will ein deutsches Mondprogramm auflegen. Das würde, so Hintze, "viele neue Arbeitsplätze" schaffen. Wie viele genau, hat er dann nicht gesagt - da muss er vielleicht bis zum nächsten Vollmond warten, wenn er eine neue Eingebung bekommt.

Das Ganze soll zum Discountpreis von nur 1,5 Milliarden Euro zu haben sein - weniger, als in die Abwrackprämie geflossen sei, merkt der CDU-Mann im Mond zu Recht an. Und verglichen mit den Zahlungen an Banken ist dieser Betrag ja geradezu ein Witz. Aber das zeigt eigentlich nur, wie abgestumpft sowohl die Politik als auch die Bevölkerung mittlerweile sind: Im Vergleich zu den gigantischen Summen, die in die Finanzwirtschaft gepumpt werden, wirken eineinhalb Milliarden Euro derzeit tatsächlich wie ein Trinkgeld. Hätte Hintze aber noch im Jahr 2006 vorgeschlagen, so viel Geld dafür auszugeben, einen deutschen Roboter zum Mond zu schießen, wäre er vermutlich von netten Herren in weißen Kitteln vom Rednerpult gezerrt worden. So ändert sich die Wahrnehmung: Andere Zeiten, andere Summen.

Ein kleiner gedanklicher Schritt für einen Politiker, ein großer Sprung für den Wahlkampf? Kein Vorschlag scheint mehr zu grotesk zu sein, um mit ihm auf Wählerstimmenfang zu gehen. Es erinnert mich an die Kurzgeschichte von T.C. Boyle über die "Neumond-Partei", die eine Wahl gewinnt, indem sie verspricht, den alten, schäbigen, abgewetzten Mond durch einen strahlenden, nigelnagelneuen zu ersetzen, was sie dann auch tut. Eine derartige Konsequenz würde ich mir auch bei Peterchens Mondfahrt wünschen: Der Roboter soll nicht bloß ein paar langweilige Steinchen aufsammeln, sondern gefälligst eine schwarz-rot-senffarbene Fahne aufstellen, mit einem seiner Roboterarme salutieren und mit mikrochipschnarrender Stimme während einer Liveübertragung sagen: "Im Namen von *bzzzzz* Kanzlerin Angela *pfiep* nehme ich dieses *braaaatz* Land für die Bundesrepublik Deutsschland *quaaaak* in Besitz!"

Was Hintze in seinem ausgefuchsten Weltraumherrschaftsplan nicht bedacht hat, ist die Lehre aus der Geschichte: Wieder mal würden die Deutschen, wenn es noch Land zu verteilen gibt, ein paar Jahrzehnte zu spät kommen. Nun ja, dieses Mal wären wenigstens keine Einheimischen betroffen. Und außerdem fordern wir ja bloß unseren Platz an der Sonne. Ääh, auf dem Mond.

Dienstag, 11. August 2009

Da strahlt der General - und der Taliban wundert sich

Was in Computerspielen wie "Fallout" immer sehr praktisch war - die Spielfigur konnte eine etwaige radioaktive Verstrahlung durch ein Medikament heilen -, soll es laut eines Spon-Berichtes bald auch in der Realität geben: Die Spritze gegen den Strahlentod. Falls das wirklich funktionieren sollte, ergäben sich daraus derart grauenhafte und deprimierende Szenarios, dass ich heute wohl früher mit dem Saufen anfangen muss.

Ich rede hier nicht von der begrüßenswerten Möglichkeit, dass Krebspatienten mit dem Medikament eine Strahlenbehandlung besser wegstecken könnten - das wäre tatsächlich ein kleiner Fortschritt. Ich rede auch nicht von einer dadurch womöglich erhöhten Bereitschaft zu einem Atomkrieg zwischen Großmächten, denn die Spritze hilft nicht den Hunderttausenden, die in der ersten Sekunde nach der Detonation gegrillt werden. Und ich rede auch nicht von den angeblichen "schmutzigen Bomben", die Militärs sogleich als Argument vorschieben, um weitere Forschungen in diesem Bereich zu unterstützen - bislang scheint keine Terrorgruppe auch nur theoretisch dazu in der Lage zu sein, so eine Bombe zu entwickeln oder gar einzusetzen.

Nein, ich rede eher davon, dass die Atomlobby sich die Hände reiben wird, weil den Atomenergie-Gegnern ihr wichtigstes Argument entwertet wird. "Unsere Kraftwerke sind sicher", wird es von der Viererbande Vattenfall, Eon, EnBW und RWE heißen, "und für den völlig unrealistischen Fall, dass doch etwas passieren sollte, so rein hypothetisch betrachtet - dafür gibt es doch immerhin diese Spritzen!" Und hastdunichtgesehen wird die deutsche Regierung den Atomausstieg rückgängig machen, sofort 50 Millionen Dosen des Medikaments kaufen und sich darum streiten, wer die Injektionen bekommen soll und wer sie bezahlt.

Außerdem befürchte ich die Auswirkungen auf die ganz normale Kriegführung im Rahmen von Operationen wie "Enduring Freedom". Die Hemmschwelle zum Einsatz nuklearer Waffen wurde bereits von der Bush-Administration eingerissen: Die ließ sogenannte "Mini-Nukes" entwickeln und pries diese gleichzeitig als "einsetzbar". Um die nervigen Pazifisten im Land ruhigzustellen, faselten sie noch etwas von "unterirdischen Bunkern", die von diesen Waffen "geknackt" werden sollten. Unterirdisch - das tut doch keinem weh, da kommt doch keine Strahlung raus! Wie bei der Asse.

Aber wer hat denn schon solche kilometertiefen Bunker, abgesehen von der russischen Militärführung? Jedenfalls keines der Länder, die in absehbarer Zeit als Gegner in Frage kämen. Nein, um so etwas ging es nie, sondern von Anfang an um den taktischen Einsatz solcher Sprengköpfe im Gefecht. Schon bei der propagandistisch immens aufgeblasenen "Schlacht von Tora Bora" - wo ein kleiner Höhlenkomplex zur Festung des Bösen hochstilisiert wurde, weil ein Feind ohne so etwas irgendwie nicht so furchterregend wirkt - wären diese Dinger mit Sicherheit zum Einsatz gekommen, wenn der Kongress es erlaubt hätte, etwa weil es das entsprechende Medikament schon gegeben hätte. Statt wochenlanger Kämpfe wäre sie in Sekunden entschieden gewesen: Rumms - weg ist die Taliban-Ansammlung! Und auch ein Großteil des Berges, aber davon hat Afghanistan ja noch viele.

Und hinterher hätte man den Sanitätskoffer geöffnet und den Beteiligten eine Anti-Strahlen-Spritze gegeben. Denn der Knackpunkt bei taktischen Nuklearwaffen ist ja, dass bei ihrem Einsatz sowohl die vorrückenden eigenen Truppen als auch die ansässige Zivilbevölkerung ihr Fuder Strahlung abbekommen, was sich PR-technisch nicht so gut macht. Und wenn man diese nun einfach behandeln kann - welchen Hinderungsgrund gäbe es dann noch für die Generäle, auf diese Waffen zu verzichten? Etwa bei der Bombardierung sogenannter "Terrorcamps"? Eine erschreckende Vorstellung.

Nun, erstmal wird die Sache ihren üblichen Weg gehen: Der Wissenschaftler muss sich nie wieder Sorgen um die Finanzierung seiner Arbeit machen und weiterforschen; wenn er schlau ist, lässt er sich so viel Zeit wie möglich. Irgendwann wird sich das Mittel dann als brauchbar oder nicht herausstellen. In ersterem Fall dürfen wir uns zumindest auf eine neue Rüstungsspirale freuen. In letzterem Fall bedauern wir, dass es doch keine neuen medizinischen Therapieansätze geben wird. Denn das wäre mal eine sinnvolle Nutzung des Medikaments durch das Militär: NATO-Truppen könnten das Mittel im ehemaligen Jugoslawien verteilen, wo viele Menschen unter den gesundheitlichen Folgen der zigtausendfach verschossenen Uranmunition leiden.

Aber dafür wird sicherlich kein Geld übrig sein.

Montag, 10. August 2009

Schlüsselerlebnis der döspaddeligen Art

Nein, ich will mich jetzt nicht auch noch über die Braut beömmeln, die Kölner Polizisten laut AP volltrunken auf dem Rücksitz eines Autos gefunden haben. Sie wird es sowieso in sämtliche "Auch das noch"-Rubriken der Welt schaffen. Der schönste Tag im Leben restlos versaut - hahaha, wat lustich! Vermutlich wird ihre Hochzeitsfeier aber zu den eher unschönen Erinnerungen ihres Lebens gehören, wenn sie damit endete, dass die Braut sich mit einer Kiste Wodka ins Auto verzogen hat bzw. getragen wurde. Was mich persönlich viel mehr interessiert, ist die Frage, warum der armen Frau unbedingt zugemutet werden musste, durch das eingeschlagene Fenster aus dem Auto herauszuklettern.

Was sollte das denn? Scheibe einschlagen - von mir aus, wenn die Dame anderweitig nicht wachzukriegen ist und zu dehydrieren droht. Aber rausklettern? Weil der Schlüssel nicht auffindbar war, wie AP schreibt? Bei allen Autos, die ich kenne - sowohl altersschwache wie hypermoderne - kommt man auch ohne Schlüssel heraus. Zwar nicht hinein, aber heraus. Man beachte den Unterschied. Wenn es sich um ein altes Auto gehandelt haben sollte, musste man vielleicht vorher ein kleines Knöpfchen hochziehen; bei der Fahrertür aber zumeist nicht einmal das. Und an dieser intellektuellen Herausforderung scheitern nicht nur die verkaterte Braut, sondern auch alle anwesenden Polizisten?

Mannomann, ich hoffe, dass ich nie in die Situation kommen werde, Kölner Polizeibeamten einen komplizierten Sachverhalt erklären zu müssen. Das könnte schmerzhaft werden.

Sonntag, 9. August 2009

Ich mache euch ein Gesetzesangebot, das ihr nicht ablehnen könnt...

Der Wahnsinn hat Methode: Auf dem Weg zum protofaschistischen Überwachungsstaat ist offenbar kein Argument zu niederträchtig, kein Plan zu dreckig und keine Maßnahme zu skrupellos, um das Ziel zu erreichen. Wenn's auf normalem Wege nicht geht, dann wählt Wolfgang Schäuble eben einen perfiden Umweg nach dem Rezept: Man suche sich ein zu bekämpfendes Unwesen aus, an dessen Schlechtigkeit kein Zweifel bestehen kann, jage dieses Thema ein paar Tage oder Wochen lang durch die Medien, bis auch der letzte Schwachkopf von der Notwendigkeit schnellen Handels überzeugt ist - und schafft dann ruckzuck die entsprechenden rechtlichen Grundlagen, um ein weiteres Stückchen Freiheit mitsamt dem bremsspurbeklebten Fetzen Grundgesetz, mit dem man sich den Hintern abgewischt hat, die Toilette hinunterzuspülen. Und das beste daran ist: Das Hirn hinter dem Ganzen bleibt, wie ein klassischer Mafiapate, diskret im Hintergrund. Für so was hat man ja schließlich seine Leute.

Erst wird eine Infrastruktur für die Zensur von Internetseiten errichtet und als offizielle Begründung für diesen Schritt die Bekämpfung der Kinderpornographie vorgeschoben, damit bloß niemand ernsthaft dagegen protestieren kann, ohne scheel angeguckt zu werden. Nützliche Idiotin bzw. Schergin, die zum Schutzgelderpressen losgeschickt wurde: Ursel aus dem Eis, besser bekannt als Ursula von der Leyen. Das war wirklich geschickt: Während sich die gesamte Internetszene über "Zensursula" aufregt und ihren Kopf fordert, um ihn irgendwem ins Bett zu legen, sitzt Don Wolfgang händereibend in seinem Palazzo und bereitet längst den nächsten Schritt vor. Ihm wird nichts passieren, Ursel hält ihre fönfrisierte Rübe hin.

Das hat nichts damit zu tun, dass ich von der Leyen für nicht fähig halte, so etwas selber anzuleiern. Aber es geht hier um Verbrechensbekämpfung, die ja eigentlich Sache des Innenministeriums ist. Ausführendes Organ ist das BKA, das ebenfalls dem Innenministerium unterstellt ist. Warum also sollte ein solches Gesetz ausgerechnet im Familienministerium ausgearbeitet werden? Weil es um Kinder geht? Genauso logisch wäre es zu glauben, dass für die Ausweitung der Anti-Terror-Gesetze nach den geplanten Kofferbombenanschlägen das Verkehrsministerium zuständig gewesen sei, da die Bomben ja in Zügen zum Einsatz kommen sollten. Nein, da steckt der paranoide Pate vom Fehrbelliner Platz dahinter.

Nun folgt der nächste Schritt: Der von Schäuble seit langem heiß herbeigesehnte Einsatz der Bundeswehr im Innern. Dies bahnt sich schon seit einiger Zeit an, ließ sich aber nur schwer vermitteln. Zu weit weg ist die Geschichte um die drei Ferienhausterroristen, zu diffus die behauptete Bedrohung durch eine angebliche "Islamische Dschihad-Union". Da greift Don Wolfgang eben zu einem aktuelleren und für jeden verständlichen Feindbild: Somalische Piraten. Schwerbewaffnete Verbrecher, die normale, hart arbeitende Menschen monatelang als Geiseln nehmen. Mit denen hat niemand Sympathie; und die Forderung, die Bundeswehr solle aktiv gegen diese gewalttätigen Ganoven vorgehen, wird auf breites Verständnis in der Bevölkerung stoßen. Wozu haben wir denn die ganzen teuren Schiffe, wenn man mit ihnen nicht einmal Frachter befreien darf?

Der Schlägertyp, den der Pate dieses Mal losschickt, heißt Franz-Josef Jung, der nicht nur das Schutzgeld erpressen, sondern auch die Tochter des Hauses, genannt "Grundgesetz", vergewaltigen will. Gut, auf dem ersten Blick erscheint es nachvollziehbar, dass es der Verteidigungsminister ist, der mehr Rechte für die Bundeswehr einfordert. Aber was für Rechte sind das denn? Die Bundeswehr soll nach seinem Willen auch polizeiliche Aufgaben übernehmen können. Geiselnahme ist ein krimineller Akt, der Umgang damit mithin Sache der Polizei. Die Bundeswehr hat da zu Recht nichts zu suchen.

Auch wenn es logisch erscheint, wenn die Marine in solchen Fällen wie bei der "Hansa Stavanger" eingreifen dürfe, sollten wir uns nichts vormachen: Im entsprechenden Gesetz wird nicht stehen, dass Soldaten im Zweifelsfall auch mal gegen Piraten vorgehen dürfen, die Schiffe gekapert haben. Im Gesetz wird stehen, dass die Bundeswehr bei (nicht näher definiertem) Bedarf auch (nicht näher definierte) polizeiliche Aufgaben übernehmen kann, wenn die Polizei ihre Hilfe (unter nicht näher definierten Voraussetzungen) anfordert. Und wer steht hinter der Polizei, am oberen Ende der Befehlskette? Richtig. Und was gehört sonst noch alles zu den polizeilichen Aufgaben? Ebenfalls richtig.

Also: Internetzensur in die Wege geleitet, können wir abhaken. Einsatz der Bundeswehr im Innern in die Wege geleitet, ebenfalls abhaken. Auf dem Weg zu "1984" haben die Achtziger bereits begonnen. Was fehlt noch? Ach ja: Videoüberwachung von Wohnungen. Gibt es zwar schon, könnte aber noch massiv ausgeweitet werden. Als Aufhänger könnte etwa die Misshandlung wehrloser Senioren durch Pflegepersonal dienen. Das findet doch jeder schrecklich! Da muss man doch Maßnahmen ergreifen! Und wenn man per Videobeweis nur einen Opi davor bewahrt, geschlagen zu werden, hat sich das alles doch schon gelohnt.

Als Vollstrecker wird dann wohl Ulla Schmidt vorgeschickt. Und Don Wolfgang kann sich grinsend zurücklehnen und Zigarren schmauchen: Ihm kommt niemand auf die Schliche.

Freitag, 7. August 2009

Wer ist der größere Tor - der Tor oder der Tor, der über ihn schreibt?

Als unlängst alle wesentlichen Medien über Silvio Berlusconis Vorliebe für Frauen berichteten, die - rein technisch betrachtet - seine Enkelinnen sein könnten und viel besser aussehen als er, sowie über den Umstand, dass seine verklemmte Sexualität Einfluss auf die Besetzung von offiziellen Regierungsposten hat, wollte ich eigentlich etwas dazu bloggen. Heute bin ich froh, dass ich es nicht getan habe.

Ich wollte etwas dazu schreiben, mit welch unglaublich machohafter Arroganz führende Medien über Mara Carfagna berichteten. Sie erinnern sich: Das ist die Gleichstellungsministerin in der italienischen Regierung, 33 Jahre jung und ehemaliges Fotomodell. Sie hat mitunter auch für Aktfotos posiert und dadurch wohl auch einen Großteil ihrer Berühmtheit - und Berlusconis Aufmerksamkeit - erlangt. Und alle, alle machten sich darüber lustig: Ein Nacktmodell als Ministerin! Hahahahaha! Was für eine kranke Idee! Darauf kommen auch nur diese triebgesteuerten Italiener!

Ich wollte darüber schreiben, wie sehr mich diese Art der gehässigen, testosterongesteuerten Lästerei angekotzt hat. Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass ich es - ganz abgesehen davon, dass ich Berlusconi nicht nur für einen Verbrecher, sondern auch für einen Idioten halte - für eine Unverschämtheit halte, Signora Carfagna einfach so jede Eignung als Gleichstellungsministerin abzusprechen, weil sie sich irgendwann einmal für Fotos ausgezogen hat. Als ob es völlig ausgeschlossen sei, dass eine Frau, die eine Figur hat, bei der Männer zu sabbern anfangen (was viel über den Intellekt der betreffenden Männer aussagt), gleichzeitig auch über das intellektuelle Potenzial verfügen könnte, ein solches Amt zu bekleiden. Kurz: Es machte mich wütend, dass ausgebildete Journalisten - und zwar nicht nur aus der Regenbogenpresse - so denken, wie man es sonst Maurern und Straßenbauarbeitern immer zuschreibt: Dass nämlich schöne Frauen offenbar naturgemäß dumm sein müssen.

Ich wollte einräumen, dass ich die Dame natürlich nicht persönlich kenne; mag sein, dass sie wirklich nicht die tiefen Teller erfunden hat und von "Il Cavaliere" wegen ihrer Oberweite zur Ministerin ernannt wurde - aber sicher hat sich niemand der Schreiberlinge, die ihre Spottnäpfe über der Frau ausgekippt haben, die Mühe gemacht, nachzurecherchieren, ob Carfagna ihren Job vielleicht sogar ganz gut macht. Aber das würde ja die schöne Häme aus dem Artikel eliminieren. Titten und Politik - das reicht offenbar als Aufhänger.

Ich wollte anprangern, dass mit genau dieser Einstellung uralte festgelegte Rollenschemata zementiert werden. Dass die Herren (!) Redakteure, getrieben von ihren Herren (!!) Chefredakteuren, ihren Lesern mit solchen schmierlappigen Kommentaren immer wieder meinen eintrichtern zu müssen, dass eine 33-jährige hübsche Frau eine ausgemachte Hohlbirne und mithin ungeeignet sein müsse, irgendeine politische Aufgabe zu erfüllen; ein smart aussehender 37-jähriger Jungadliger allerdings natürlich per se als sowas von scharfsinnig und politisch integer gilt, dass man ihn schon mal zum Kanzler in spe ernennt. Oder nehmen wir Schwarzenegger, dessen frühere Karriere dem Bereich der Nacktbilder ziemlich nahe kommt - Zweifel an seiner Regierungskompetenz liest man so gut wie nie, und wenn, dann sind diese themengebunden - aber er wird nicht auf seinen Körper reduziert.

All das wollte ich vor ein paar Wochen schreiben, bin aber nicht dazu gekommen. Und heute bin ich froh, dass ich mir meine Brandrede zum Thema "Ehemalige Nacktmodelle können sehr wohl brauchbare Politikerinnen abgeben!" gespart habe.

Denn heute habe ich das Spon-Interview mit Kader Loth gelesen.

Und muss meine "Nacktmodell-Politik"-Theorie noch einmal überdenken.

Ein Blogger ist keine Insel

Die Visit-Zahlen bringen es an den Tag: Jeder normale Mensch, der sich in keinem festen Beschäftigungsverhältnis befindet oder der sich eine glaubhafte Ausrede für den Chef ausgedacht hatte, verbrachte die vergangenen paar Tage nicht am Computer, sondern irgendwo draußen. So auch ich. Und nun möchte ich mal eine grundsätzliche Frage in den Raum stellen: Warum, zum Geier, machen die Leute eigentlich immer so ein Getue um die Ostfriesischen Inseln?

Mittwoch, 5. August 2009

Aaach sooo!

Na endlich! Ein Wissenschaftler hat eine Erklärung für die Ursache der Finanzkrise gefunden, die jeder versteht. Nachzulesen hier:
Hirnforscher: Beim Geld setzt der Verstand aus (via dpa).

Jetzt fehlen nur noch entsprechende Medikamente.

Dienstag, 4. August 2009

Lobbyisten, die bellen, beißen nicht?

So. Nun isser nach zehn Jahren endlich da, alle warten gespannt auf Enthüllungen dramatischten Ausmaßes - und Karlheinz Schreiber, seines Zeichens berühmtester Waffenlobbyist der Republik, sagt erstmal - gar nix. Enttäuschend. Was hat er noch vor wenigen Jahren einen auf dicke Hose gemacht: "Ich werde denen noch 'ne Schlacht liefern, da können die sich drauf verlassen", bellte er in Richtung Union und vor allem in Richtung Wolfgang Schäuble, dessen Rollstuhl er eventuell zwischenzeitlich mal kräftig abgeschmiert hat. Und jetzt - nichts? Mensch, Kalle! Mach ma' Butter bei die Fische! Denn der Mann, der den Verbleib eines Koffers mit 100.000 Mark in bar bis heute nicht hinreichend erklären konnte (du aber vielleicht schon), wischt sich täglich den Hintern mit unserem Grundgesetz ab - und in acht Wochen ist Wahl.

Sonntag, 2. August 2009

Lasst uns doch mal in Ruhe darüber reden

Noch ein Knaller zum Ausgang des Wochenendes: Zensursula möchte erwartungsgemäß die Internetsperren weiter ausweiten, ihr Ministerium schiebt in heller Panik ein Dementi nach - und sie selbst möchte angesichts des ausbrechenden Wahlkampfes immerhin auch mal grundsätzlich über die ganze Sache reden:"Von der Leyen mahnt Debatte über Freiheiten und Grenzen im Netz an", titelt ddp über eine entsprechende Meldung.

Liebe Ursel: Diese Debatte läuft schon längst, seit Monaten gar, zum Beispiel hier, hier, hier, hier und hier; oder auch da, dort, hüben und drüben. Hat dir das noch keiner deiner Praktikanten ausgedruckt?

Erst kommt das Ficken, dann die Moral

Ich bin erschüttert: Die katholische Kirche investitiert Geld in Pharmakonzerne, die Antibabypillen herstellen, in Rüstungsfirmen - was bei einem Institut, das "Pax Bank" (="Friedensbank") heißt, ziemlich peinlich ist - und in Tabakkonzerne. So was! Ich dachte immer, die Kirche verdient ihr Geld seit jeher auf seriöse Art und Weise, etwa durch den Verkauf von Ablässen oder der Erhebung von Zwangssteuern. Und jetzt das! Wäre ich Katholik, würde ich mich selbst geißeln oder stundenlang beten. Bin ich aber nicht. Und ganz neu ist das alles auch nicht.

Samstag, 1. August 2009

Bayrische Gipsköppe aus Teheran

Soso - ein deutscher Konzern, der im Iran tätig ist, hat seinen iranischen Mitarbeitern mit fristloser Entlassung gedroht, falls diese sich an den Demonstrationen gegen das Regime beteiligen sollten. Merkwürdig unaufgeregt wird darüber berichtet - kein Wunder eigentlich. Denn wenn deutsche Firmen es schon für legitim halten, langjährige Mitarbeiter wegen des Einsteckens eines 1,30-Euro-Pfandbons, der Entwendung von drei nicht verzehrten Brötchen, dem Retten eines gebrauchten Kinderbetts vor dem Sperrmüll oder einem erhöhten Stromverbrauch von 0,014 Cent fristlos zu feuern - dann sollte eine Entlassung ja wohl erst recht gerechtfertigt sein, wenn die Mitarbeiter versuchen, die herrschenden Verhältnisse zu verändern, nicht wahr?

Wohlgemerkt: Im Schreiben ist nicht die Rede vom Demonstrieren während der Arbeitszeit, sondern einfach nur vom Demonstrieren. Ist ja auch nur konsequent: Wenn wir schon in Sachen Lohndumping, Arbeitszeiten und Kündigungsschutz auf dem direkten Rückweg ins 19. Jahrhundert sind, warum dann nicht auch bei der Bekämpfung von Revoluzzertum? Wie wär's denn bei dieser Gelegenheit mit der Forderung nach ein paar neuen Sozialistengesetzen, wenn wir schon dabei sind? Schließlich tut es auch in Deutschland den Geschäften nicht gut, wenn die Mitarbeiter soziale Veränderungen fordern.

Nach Spon-Angaben sollen iranische Behörden Druck auf die Firma Gips Knauf ausgeübt
haben, ihrerseits die Mitarbeiter von den Protesten fernzuhalten, was die Sache aber keineswegs besser macht oder als Entschuldigung durchgehen kann. So schnell macht man sich also zum Büttel eines Blutsäufers wie Ahmadinedschad: Allein schon eine unausgesprochene Drohung mit etwaigen Schikanen führt dazu, dass sämtliche demokratischen und freiheitlichen Werte - falls die Geschäftsführung solche überhaupt besessen haben sollte - über Bord geworfen werden. Im Prinzip sind diese Leute nicht viel besser als die Bassidsch-Milizen, nur mit Mercedes und Gehaltsscheck statt Moped und Eisenstange.

Dass dann, sobald leichte Irritation aufflackert, von Seiten der Firmenzentrale in Iphofen die Standard-Entschuldigungsfloskel vom "unglücklich formulierten Schreiben", das baldigst überarbeitet werden soll, bemüht wird, verwundert dann ebenso wenig wie die Hilf- und Zahnlosigkeit des Auswärtigen Amts, das (a) nix davon weiß, obwohl das Schreiben offen verfügbar ist und (b) sich nur zu der müden Äußerung aufraffen kann, man würde es "nicht gutheißen". Da schlottert doch so manches niederbayrische Knie.

Naja, vielleicht lässt das die Firma ja umschwenken; diese Leute sind, wie wir gesehen haben, durch nebulöse Andeutungen von Regierungsseite leicht zu beeindrucken. Mehr zumindest als von einem Boykott meinerseits: "Sehr geehrte Damen und Herren! Ich protestiere auf das Schärfste gegen Ihre Firmenpolitik und werde mich, wenn ich im Jahre 2017 das nächste Mal einen Sack Gips für 5,99 brauche, zu einem Konkurrenzprodukt greifen! So!" Ich brauche das Zeug halt nur höchst selten.