Samstag, 10. März 2012

Gute, alte, dunkle Zeit

Neulich beim Zappen versehentlich bei Maischberger hängengeblieben. Normalerweise meide ich solche Formate, es macht mehr Spaß und ergibt auch mehr Sinn, Kindergartenkinder beim Seifenblasenblasen zuzugucken, mit dem netten Nebeneffekt, dass die Blagen nur schwer brüllen können, während sie in das Plastikdings pusten. Und manchmal kommt dabei eine Blase heraus, die so schillernd ist, dass man nur noch staunend erstarren und sie anglotzen kann. Auch bei Maischberger. In diesem Fall kam sie aus dem Mund des Ex-BDI-Chefs Michael Rogowski.


"Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass Arbeit immer das Leben finanzieren kann", lautete dessen Aussage, die Sie am besten gleich nochmal lesen sollten, nachdem Sie alles Zerbrechliche aus Ihrer unmittelbaren Reichweite entfernt haben. Dass dieser Satz in unerhörtem Maße niederträchtig ist, muss man an dieser Stelle nicht eigens erläutern, zumal er von jemandem kommt, der in seinem ganzen Leben nur hochdotierte Führungsposten bekleidete, mit denen er sein eigenes Leben ganz gut finanziert bekommen hat. Aber die Aussage ist nicht nur niederträchtig. Sie ist, auch von Rogowskis Warte aus betrachtet, vor allem eines: Unglaublich dämlich.

Grundsätzlich betrachtet liegt der Hase schon bei der Überlegung im Pfeffer, was denn dann das Leben finanzieren soll, wenn es nicht Arbeit ist. Tragen wir mal Alternativen zusammen. Reich erben? Kann man sich nicht aussuchen. Reich heiraten? Gibt, beim derzeitigen Missverhältnis zwischen Reich und Arm, nicht genug Auswahl. Prostitution? Ist auch Arbeit, irgendwie. Luft und Liebe? Bloß was für Dichter. Es bleibt also nur Verhungern als konsequenter Endpunkt dieses Gedankens: Wenn Arbeit nicht das Leben finanzieren kann, dann kann es gar nichts, also stirbt man über kurz oder lang.

Daran kann aber nicht mal so ein kaltherziger Büroroboter wie Rogowski ein Interesse haben, sein Verband braucht schließlich das Millionenheer zum Hungerlohn arbeitswilliger Rabotniks. Oder täusche ich mich in diesem Punkt - braucht die Industrie dieses Heer tatsächlich nicht mehr, weil es längst ein anderes, im Hinblick auf Kosten/Nutzen viel effizienteres gefunden hat, nämlich in China und Indien? Wollen sie vielleicht einen angewandten Sozialdarwinismus, der alle Nichtmanager ausmerzt und aus Deutschland ein reines Land der Reichen macht? Das traue ich selbst diesem Aushilfs-Dagobert nicht zu.

Nein, erst mit einer anderen Blase wird ein Schuh aus seinen Ausführungen: Die Schaffung von Arbeitsplätzen habe Vorrang vor einer Anhebung von Löhnen. Auch hier muss man nicht lange darüber reden, dass diese Aussage ebenso abgenudelt wie hinterhältig ist. Aber betrachten wir sie mal durch die Dollarzeichen in den Augen Rogowskis: Viele Arbeitsplätze, die aber nicht immer das Leben finanzieren können, aber verenden sollen die Leute auch nicht. Das führt nur zu einem logischen Schluss: Der Aufstockung von Hungerlöhnen durch den Staat.

Und jetzt wird es wirklich doof, denn der Staat muss das Geld, dass er den ungewaschenen Massen vor die lumpenumwickelten Füße wirft, ja irgendwo hernehmen. Schon jetzt zahlt nur noch ein vergleichsweise geringer Teil der Arbeitnehmerschaft überhaupt noch Einkommenssteuer, ein paar Jahre weitergedacht wird diese Zahl weiter abnehmen. Es sind künftig also Leute wie Rogowski, die mit ihren Steuern die Überlebenshilfe an die Massen finanzieren. Schwer vorstellbar, dass das in seinem Interesse liegt.

Zumal solche Leute ja schon jetzt der Meinung sind, zu viele Steuern zahlen zu müssen. Wie es Rogowski persönlich hält, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass er keinen Freudentanz machen würde, sollte die Regierung eine Anhebung des Spitzensteuersatzes in Erwägung ziehen. Und die von ihm repräsentierten Unternehmen legen seit Jahrzehnten immer dieselbe Platte auf: Steuern zu hoch, Gewinn zu niedrig, Arbeitsplätze in Gefahr, blablabla.

Ich vermute, Rogowski meinte mit jener Arbeit, die das Leben nicht finanzieren müsse, schlicht "Lohnarbeit". Andere Arbeit, etwa solche, die Leute, wenn sie aufgrund neoliberaler Steuersenkungen und dem daraus folgenden Gnadenschuss für das, was vom Sozialstaat noch übrig ist, in nicht allzuferner Zukunft werden verrichten müssen, um nicht zu verhungern - etwa Gemüse im Garten hinterm Haus und Getreide in öffentlichen Parks anzubauen - und ihr bisschen Arbeitskraft aufrecht zu erhalten, um sie anschließend an die Rogowskis dieser Welt zu Dumpingpreisen zu verkaufen, zählt wohl nicht dazu. Sie wäre aus Rogowskis Sicht wohl ohnehin die sinnvollere, denn sie kostet seiner Klientel nichts. Vielleicht kann man den Staat ja sogar soweit bringen, dass er den Proletenfamilien eine Kuh und drei Hühner stellt. Und wenn die Leute dann doch mal ein paar Münzen in der Tasche haben wollen, können sie ja ein paar Tage in der Industrie - sie erinnern sich, für wen Rogowski spricht? - arbeiten.

Alles nix Neues. Doch, eines schon: Bislang dachte ich immer, die Wirtschaftsbosse arbeiten eifrig daran, die gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts wiederherzustellen. Ich war mir nicht bewusst, dass es welche gibt, die eine Rückkehr des Mittelalters anstreben.

1 Kommentar:

ulf_der_freak hat gesagt…

Ich hasse diese Gesellschaft!