Sonntag, 19. Oktober 2008

Klempner Joe rettet die Welt

Jeder zweite Filmtrailer beinhaltet einen Satz, der mit den (mit testosterongeschwängerter Brummstimme vorgetragenen) Worten "Ein Mann ..." beginnt. Ein Mann gibt nicht auf. Ein Mann stellt sich dem Feind entgegen. Ein Mann deckt die Hintergründe auf. Ein Mann rettet die Welt - und damit sind wir beim Thema. Denn bislang dachte ich, diese Ein-Mann-Schiene wäre bloß eine übel schmeckende Soße aus amerikanisch-chauvinistischem Pionierdenken, hollywoodesker Superheldenhörigkeit und quasirassistischem Überlegenheitsgefühl, die jedem Amerikaner ins Hirn gegossen wird. Nun aber weiß ich: Ein Mann kann wirklich die Welt retten! Sein Name: Joe Wurzelbacher. Sein Beruf: Klempner.

Die Geschichte dahinter ist freilich banal: Klempner Joe quatscht Barack Obama am Rande einer Wahlkampfveranstaltung an und nölt ihn voll, dass er im nächsten Jahr eine Steuerklasse höher eingestuft werden soll, weil er 250.000 Dollar mehr einnehmen wird. So weit, so wenig erwähnenswert - es gibt wohl bei jedem Wahlkampfauftritt diesen einen Menschen, der tatsächlich glaubt, den Präsidentschaftskandidaten würde sein persönliches Schicksal auch nur zwei Sekunden lang interessieren.

Interessiert hat es indes den anderen Kandidaten, John McCain nämlich. Der Republikaner, dessen politisches Profil sich im wesentlichen darin erschöpft, in Vietnam gefoltert worden zu sein, weshalb er die jetzigen Mißhandlungen in Guantanamo auch nicht so toll findet, aber dennoch so weit in Ordnung, dass er den Opfern den Rechtsweg versperren will - dieser John McCain nämlich hat Klempner Joe vor seinen Karren gespannt und ihn als zu erwartendes durchschnittliches Opfer einer etwaigen Präsidentschaft Obamas ins Feld geführt. Motto: Seht her, Obama nimmt euch euer Geld weg!

Der Haken bei der Sache ist allerdings, dass Joe der Klempner nicht Joe Sixpack ist. Der nämlich kriegt die kalte Wut, wenn er jemanden herumheulen sieht, der mehr Steuern zahlen soll, weil er seine Einnahmen um eine Viertelmillion Dollar steigern wird. Denn eine Viertelmillion sieht Joe Sixpack in seinem ganzen Leben nicht auf einem Haufen, geschweige denn innerhalb eines Jahres. Joe Wurzelbacher ist ein Unternehmer, er gehört zu der Sorte von Klempnern, die schon lange nicht mehr selbst ins Klo gegriffen hat, außer im metaphorischen Sinne.

Als McCain es also für eine gute Strategie hielt, Klempner Joe vor jede mögliche Fox-News-Kamera zu schubsen, wo er artig vom Teleprompter ablesen durfte, dass Obama für "Sozialismus" stünde - was, nebenbei gesagt, zeigt, dass Joe nicht das hellste Bürschchen ist, wobei man sich zwangsläufig fragt, warum solche Leute eigentlich so viel Geld verdienen - als McCain also Klempner Joe ins Zentrum seines Wahlkampfes rückte, schaufelte er sich sein eigenes politisches Grab. Jedes Mal, wenn McCain im TV-Duell gegen Obama Klemper Joe ins Feld führte - und das war einige Male -, sackte seine Zustimmung in der Bevölkerung um weitere drei Prozentpunkte. Ich vermute, Joe Sixpack war schlicht zu Tode genervt von dieser Art Gejammer auf hohem Niveau. Im Endeffekt ist Obama jetzt wohl nicht mehr zu stoppen, zumindest nicht ohne Gewalt, das weiß man bei den Amis ja nie so genau.

Und wie hat Klempner Joe nun die Welt gerettet?

Ganz einfach: Wenn nicht Obama, sondern John McCain Präsident werden würde, wäre Sarah Palin Vizepräsidentin. Und wenn der 72-jährige und wirklich alles andere als gesunde McCain im Laufe der nächsten Jahre ins Gras beißen sollte, würde Sarah Palin zur Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Über Mrs. Palin wurde schon terabyteweise gebloggt, deshalb hier noch einmal in Kurzform:

Sarah Palin ließ sich von einem Bischof gegen Hexerei schützen, genehmigte sich Gehaltserhöhungen und sonstige Subventionen auf Kosten ihres Heimatstaates und bezeichnet den Bau einer Gaspipeline in Alaska als "Gottes Willen". (A propos Pipeline: In dem verzweifelten Versuch einer Ehrenrettung lobte McCain die Kompetenz Palins in Energiefragen - diese erschöpft sich allerdings offenbar darin, der Öl-Lobby in den Hintern zu kriechen und Bohrungen im Naturschutzgebiet zu befürworten.) Als als der TV-Journalist Charles Gibson sie nach ihrer Meinung zur Bush-Doktrin fragte - zur Erinnerung: das ist die Doktrin, mit der sich die US-Regierung das Recht herausnimmt, jedes Land der Welt anzugreifen, bevor es die Idee haben könnte, seinerseits die USA anzugreifen - und Palin offensichtlich keinen blassen Schimmer hatte, worum es jetzt gehen soll. Ihre Antwort "In welcher Hinsicht?" bedeutet übersetzt "Häh?" und steht einer möglichen Präsidentin mit Zugriff auf die gesamte US-Militärmaschine samt Atomwaffen nicht gut zu Gesicht.

Sie wollte ihren Ex-Schwager aus dem Polizeidienst entlassen haben und feuerte, als das nicht geschah, dessen Chef. Sprich: sie missbrauchte ihre Macht, um einen persönlichen Rachefeldzug zu führen. Falls Palin Präsidentin wird, müssen wir damit rechnen, dass sie die Nationalgarde einsetzt, wenn ihr Vetter dritten Grades einen Strafzettel wegen Falschparkens in Idaho bekommt. Und zu welchen Schritten sie fähig wäre, wenn bei einem Gipfeltreffen Ljudmila Putin ein schöneres Kleid tragen sollte, können wir nur erahnen.

Sie ist eine Waffennärrin, die keine Ahnung von der Welt außerhalb der USA hat (was allerdings vermutlich auf ein Drittel aller Amerikaner zutrifft, mit ziemlicher Sicherheit aber auf den derzeitigen Amtsinhaber). Sie lehnt Aufklärungsunterricht an Schulen ab und trägt die Folgen in Form einer schwangeren 17-jährigen Tochter. (Kleiner Einschub: Die berechtigte Frage, ob die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter ihren erzkonservativen Standpunkt nicht konterkariere, beantwortet Palin mit dem lapidaren Hinweis, dass ihre Tochter demnächst heiraten werde. Ich wüsste zu gern, ob diese das überhaupt will - oder ob Palin hier, wie im tiefsten Afghanistan, eine Ehe arrangiert.)

Der Spiegel schrieb bei der Ernennung Palins, diese sei "ein meisterlicher, doch zugleich enorm riskanter Schachzug". So was schreibt man, wenn man keine Ahnung hat, sich aber keine Blöße geben will. Nun, mittlerweile weiß wohl auch der Spiegel, dass es kein meisterlicher, sondern ein unglaublich bescheuerter Schachzug war - Etwa so, als würde man seine Dame opfern, ohne eine gegnerische Figur zu bekommen. Nur dass Mrs. Palin nicht von McCain geopfert wird.

Dafür ist Klempner Joe in die Bresche gesprungen. Und auch wenn Joe ein politisch offenkundig unbedarfter Mensch ist, der sich für die kriegsgeilen Republikaner zum Hampelmann macht und für den der Begriff "Sozialismus" nicht nur ein Schimpfwort ist, sondern dazu noch eines, dessen Bedeutung er nicht mal ansatzweise kapiert hat; und obwohl sich mein Mitleid mit dem Viertelmillion-Dollar-Klempner in Grenzen hält und ich mit Joe Wurzelbacher nur ungern ein Bier trinken gehen würde, muss ich an dieser Stelle für seine tragende Rolle im Rahmen der Palin-Verhinderung deutlich sagen:

Danke, Joe !



1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich bin dafür, das nächste Voting Joe dem Klempner in seiner politischen Abgrenzung zu Meister Röhrich zu widmen.

PS: Oder mach halt irgendein anderes Voting. Sonst ruft bald wer das fünfte Reich aus. ;)