Tja, da geht den Atomlobbyisten ihr Lieblingsalibi flöten, mit dem sie uns ein Vierteljehrhundert lang in einem Anflug von Protorassismus Tschernobyl verkauft haben: Das Scheinargument, es sei nur deswegen zur Katastrophe gekommen, weil die Eingeborenen am Ort des Unglücks einfach keine vernünftigen Reaktoren bauen könnten, dürfte sich an diesem Wochenende in Fukushima erledigt haben. Schon sind überall Nachrufe auf die Kernkraft zu lesen, und ich lese sie gerne - aber kommen sie nicht zu früh? Die Regierungskoalition "setzt die Laufzeitverlängerung aus", heißt es. Ich vermute einen kleinen, aber entscheidenden Tippfehler: Müsste es nicht viel richtiger "sitzt aus" heißen? Denn das ist genau das, was ich von ihr erwarte. Nicht mehr und nicht weniger.
Derzeit verbietet die - allerdings bereits im Ausklang befindliche - Pietätsfrist zwar noch das ganz große politische Hauen und Stechen zum Thema Atomenergie. Jeder spielt zunächst die Rolle, die von ihm erwartet wird: Die Energiewirtschaft gibt sich zerknirscht und streut ein Pfund Asche auf ihre Häupter, die Regierungskoalition faselt derweil von einer "Neubewertung" der Energiepolitik und redet zugleich um den heißen Brennstäbebrei herum und die Opposition wetzt die Messer, während sie sich mit der öffentlichen Verlautbarung ihres "Ätsch-bätsch!" noch weitgehend zurückhält.
Dass das Marionettenensemble von Eons und RWEs Gnaden angesichts ihres bisherigen 150%igen Atomkurses in irgendeiner Form auf die Vorgänge in Fukushima reagieren muss, liegt auf der Hand. Aber was soll eine dreimonatige Aussetzung der Laufzeitverlängerung denn schon bringen? Eine Überprüfung der Sicherheitsstandards wird da großspurig angekündigt, und man fragt sich, ob die nicht eigentlich ohnehin ständig überprüft werden müssten. Und danach? Weitermachen wie bisher wird nicht gehen, daher werden Schrottreaktoren wie Biblis oder altersschwache wie Neckarwestheim dem atommüden Volk zum Fraß vorgeworfen und mit viel Trara und staatsmännischem Gedöns offiziell stillgelegt werden; vielleicht auch noch ein oder zwei andere.
Aber der Rest? Dass die Verschiebung der Abschaltung neuerer Meiler auf bis zum Jahr 2036 pauschal wieder auf den Stand des Atomgesetzes von 2002 zurückgenommen, ja vielleicht sogar beschleunigt wird - wer mag darauf Wetten abschließen? Ich nicht. Hier wird nichts ausgesetzt, sondern ausgesessen; und zwar keine Moratoriumsdauer, sondern die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen. Letztere Länder möchte die Union gerne erobern, erstere unbedingt behalten - und vor allem Stefan "Wasser marsch" Mappus wird es nicht nur als Bahnhofshäuslebauer, sondern auch als uneingeschränkter Atomkraft-Befürworter in seinem Ländle ohnehin schon schwer genug haben.
In drei Monaten wächst eine Menge Gras, vor allem über politischen Diskussionen. Bis dahin ticken die Geigerzähler allenfalls noch in japanischen Medien und wird man in Mitteleuropa aller Wahrscheinlichkeit auch ungestraft ein neues Standardargument pro Atomkraft totreiten dürfen: Den Mangel an Erdbeben.
1 Kommentar:
Solange die Presse darüber berichtet, wird die Wespenkönigin es dieses Mal schwer haben, die Sache auszusitzen. Und dafür, dass die Presse darüber berichtet, sorgen derzeit tausende von Bundesbürgern, die ihren Protest gegen den atomaren Blindflug der Wespen in Berlin lautstark auf die Straße tragen. Auch ich tu dafür, was ich kann ...
Kommentar veröffentlichen