Freitag, 6. März 2009

Bitte beten Sie weiter - es gibt hier nichts mehr zu gestehen

Das dünkt mich doch mal ein vorbildhaftes Krisenmanagement zu sein: Die katholische Bischofskonferenz hat beschlossen, dass die durch den Holocaustleugner Richard Williamson hervorgerufene Krise innerhalb der katholischen Kirche nunmehr beendet sei. Während inzwischen also der italienische Piusbruder Giulio Tam, der Mussolini für einen Märtyrer hält und dessen Heiligsprechung fordert, beim Nazigruß fotografiert* wurde und der deutsche Oberpiusbruder Franz Schmidberger - der das Beschädigen eines Kruzifixes für schlimmer hält als die Terroranschläge vom 11. September 2001 - die Medien für vom Teufel geschwängert gelenkt hält, hält die firmeneigene Nachrichtenagentur schon eine Art historische Rückschau auf den großen Krach, konsequent in der Vergangenheitsform beschrieben. Richard wer? Piusbrüder? War da was?

Den Papst treffe keine Schuld, seine Unfehlbarkeit muss daher nicht weiter in Frage gestellt werden, so der ungefähre Tenor. Die Schäfchen insbesondere in Deutschland nerven zwar, aber mit denen wird man schon fertig; Schluss, aus, Ruhe. Nun - wenn die Oberhirten imstande sind, per Erlass mal eben die Vorhölle abzuschaffen, sollte das Abwürgen einer Antisemitismusdebatte doch ein Klacks sein. So einfach kommt man aus einem Dilemma - das könnte beispielhaft wirken: Als nächstes verkünden die Wirtschaftsweisen, dass die Finanzkrise schon seit letzten Dienstag vorbei ist.

Aber nein, da war ja tatsächlich was. Noch ist der Stachel nicht aus dem Fleisch (oder der Oblate) gezogen: Williamson, der alte Hassprediger, der Argentinien jetzt verlassen musste, da das Land bekanntlich rigide gegen Nazi-Umtriebe vorgeht. Zurück in London lief der Mann, dem der heilige Geist schon lange abhanden gekommen ist, ausgerechnet einem anderen berüchtigten Holocaust-Leugner, nämlich David Irving, zu dessen Geburtstagsfeier er auch schon mal eingeladen war, in die Arme, aber das war sicher nur ein Zufall. Denn Williamson hat sich entschuldigt. Und zwar in folgendem Wortlaut, beginnend mit:


"Der Heilige Vater und mein Oberer, Bischof Bernard Fellay, baten mich, die Bemerkungen, die ich vor vier Monaten im schwedischen Fernsehen gemacht habe, zu überdenken, weil sie so schwerwiegende Folgen hatten. Angesichts dieser Folgen kann ich wahrheitsgetreu sagen, dass ich die Aussagen bedaure und dass ich sie nicht gemacht hätte, wenn ich vorher gewusst hätte, welchen Schaden und Schmerz sie anrichten würden (...)."
Klingt irgendwie wie "Hätte ich vorher gewusst, dass meine Frau mitkriegt, wenn ich in den Puff gehe, wäre ich vorsichtiger gewesen."

Als Buße plant er, jetzt tatsächlich ein zweites Buch zum Thema Holocaust zu lesen. Das erste beruhte bekanntlich auf den berüchtigten "Leuchter-Report", ein ebenso geschichtsklitterndes wie verbrecherisches Machwerk, das nur von Alt- und Neonazis ernst genommen wird. Gut, im Zweifel für den Angeklagten: Vielleicht ließ sich Williamson ja von dem Wörtchen "Leuchter" blenden. Das klingt doch irgendwie nach "Erleuchtung", obwohl das ja wiederum eher ein buddhistisches Denkmodell ist.

Aber ich schweife ab: Das Erschreckende an der Sache ist, dass die Kirchenoberen mit ihrer "Basta!"-Krisenbewältigung voraussichtlich durchkommen. Denn das Thema Williamson beginnt ohnehin schon allmählich aus den Schlagzeilen zu verschwinden, es rückt in den Gazetten weiter nach hinten und muss mit immer weniger Druckzeilen auskommen. Das Thema ist bald "durch", und wenn nicht noch was Spektakuläres passiert, wird es sich langsam totlaufen. Vielleicht wird Williamson noch geopfert, aber die große gesellschaftliche Auseinandersetzung mit antisemitischen und reaktionären Strömungen innerhalb der Kirche wird ein weiteres Mal vertagt.

Zu den anderen Dogmen, denen die Pius- und andere Kirchenbrüder so anhängen - wie etwa Schwulsein als heilbare Krankheit oder Frauen als Diener des Mannes anzusehen, die weder Hosen tragen noch Unis von innen sehen dürfen - äußerten die Bischöfe sich indes nicht. Sie richten ihren Blick längst nach vorn. Größere Herausforderungen warten auf den einzig wahren Glauben: „Wir sind Zeugen eines Exodus der Christen aus dem Orient - jener Region, in der die Stätten des biblischen Glaubens liegen und in der Gläubige seit der Frühzeit des Christentums gesiedelt haben“, beklagt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick auf der Konferenz.

Ich hoffe nur, ihm schwebt zur Lösung dieses weltbewegenden Problems nicht das vor, woran ich gerade denken muss.



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* Nachtrag, Mai 2010: Der betreffende Artikel auf den Seiten des "Standard" ist mittlerweile nicht mehr erreichbar. Ein Schelm, wer...

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