Oft wird kritisiert, dass die Justiz hierzulande überlastet sei. Richter kämen beim Abarbeiten der Prozess-Berge kaum hinterher, Verfahren würden erst spät eröffnet und viel zu lange dauern und so weiter. Das Problem ist auch in Österreich bekannt - und dort tut man nun endlich etwas dagegen: Der Prozess gegen Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) wegen fahrlässiger Tötung dauerte von der Bekanntgabe des Verhandlungstermins bis zum Urteilsspruch gerade mal eine Stunde. Das ist nicht nur rekordverdächtig.
Fangen wir mal mit der kurzfristigen Terminierung nach dem Motto "In fünf Minuten geht's los" an. Es gibt nur einen Grund, die Prozesseröffnung erst zur Prozesseröffnung bekannt zu geben: Man will damit die Öffentlichkeit ausschließen, vor allem die lästigen Journalisten, die nun, ach, leider keine Zeit mehr hatten, zum Gericht zu eilen, um von dort zu berichten. Schließlich hätte es aller Voraussicht nach ziemlichen Rabatz gegeben, wenn normale Menschen mit angesehen hätten, wie ein hoher Politiker für die fahrlässige Tötung einer vierfachen Mutter innerhalb eines Zeitrahmens, der etwa einer Folge von "Richterin Barbara Salesch" entspricht, mit einer Geldstrafe und der Zahlung eines lächerlichen Schmerzensgeldes davonkommt. 5000 Euro war dem Gericht das Leben der 41-jährigen Beata Christandl wert.
Ein derartig schnelles Vorgehen, also den Beginn eines Strafprozesses innerhalb der nächsten fünf Minuten anzusetzen, sei möglich, heißt es, wenn sich beide Parteien - also Staatsanwalt und Verteidigung - darauf einigen. Möglich, betont ein österreichischer Jurist, aber nicht üblich. Von Seiten der Verteidigung scheint die Motivation klar: Althaus und die CDU wollen den Fall so schnell wie möglich vom Tisch haben - im August wird in Thüringen gewählt.
Aber was hat den Staatsanwalt geritten, einem auf ein solches Schnellgericht einzulassen - nicht nur im Hinblick auf den Termin, sondern auch auf die Prozessdauer? Immerhin geht es hier um ein Tötungsdelikt. Zwar um ein fahrlässiges, aber dennoch ein ganz offensichtlich von Althaus verursachtes. Die Höchststrafe dafür beträgt in Österreich immerhin ein Jahr Freiheitsstrafe - wäre das nicht Grund genug für den Ankläger, sich ein bisschen mehr reinzuhängen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser einen Stunde besonders viele Zeugen gehört oder Beweise vorgelegt wurden. Hätte nicht auch der Witwer ein Recht darauf gehabt, dass der Fall vernünftig verhandelt wird?
Ich werde das unschöne Gefühl nicht los, dass das Verfahren anders ausgesehen hätte, wenn der Angeklagte kein prominenter Politiker gewesen wäre. Werden in Österreich dann auch Autofahrer, die fahrlässig jemanden totgefahren haben - sagen wir, aufgrund überhöhter Geschwindigkeit oder weil sie beim Abbiegen nicht in den Spiegel geschaut haben - so schnell zu Geldstrafen abgeurteilt? Irgendwie kann ich mir das kaum vorstellen.
Wie dem auch sei: Auch wenn das Verfahren formalrechtlich wohl einwandfrei war, bleibt ein übler Nachgeschmack. Egal, ob Althaus selbst oder seine Partei Druck gemacht haben, um den Prozess so schnell und lautlos wie möglich über die Bühne zu bringen: Hier wurden Ansprüche der Hinterbliebenen des Opfers kaltblütig der simplen Wahlkampftaktik der CDU untergeordnet. Der Begriff "über Leichen gehen" kommt mir da in den Sinn. Muss natürlich jeder Thüringer selbst wissen, ob er von solchen Leuten regiert werden will.
Übrigens: In Österreich gilt Althaus nun als vorbestraft. Das weiß aber in ein paar Monaten keiner mehr, denn in seinem Leumundszeugnis wird die Strafe nicht erscheinen und er muss auch keine Auskunft darüber erteilen. Diese "Rechtswohltat" sieht das österreichische Recht vor - bei Bagatelldelikten.
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