Dienstag, 24. März 2009

Mögen die Spielchen beginnen

Gong frei - oder besser: Feuer frei - zur ersten Runde im Linken-Bashing, Edition 2009: Ziemlich genau ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl wird die erste mediale Breitseite auf den politischen Gegner, auf den sich alle einigen können*, abgegeben. Den Feuerbefehl gibt der Spiegel, als Richtkanonier fungiert ein Historiker mit merkwürdigen Ansichten - und als Munition dienen Stereotypen und halbgare Scheinargumente, die vom letzten Stammtisch übrig geblieben sind, aber durch ihre vielen Wiederholungen auch nicht besser werden.

Wer ist dieser Hubertus Knabe? Zunächst einmal Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, einer Einrichtung, die sich mit der Aufarbeitung der DDR-Verbrechen befasst. Da mag man ihm zwar ein bisschen Betriebsblindheit zugestehen. Aber zugleich ist er auch jemand, der als eigentlichen "Tag der Befreiung" den 9. November 1989 sieht - und nicht den 8. Mai 1945. Damit stuft er die NS-Herrschaft zu einer bloßen Episode herab, die in ihrer historischen Bedeutung offenbar hinter dem SED-Regime zurückstehe. Außerdem sieht Knabe die Studentenbewegung der späten 60er Jahre als eine Art fünfter Kolonne der Stasi, wollte schon mal einen Preis stiften, der den Namen eines NS-Funktionärs, der mit der "Arisierung" jüdischer Vermögen zu tun hatte, tragen sollte und verurteilt Linke-Abgeordnete im Alleingang und ohne Beweise als Stasi-Leute.

Mit dieser Form von Propaganda ist Knabe gern gesehener Gast in Zeitungen wie der FAZ oder der "Welt". Letztere hat mit Überschriften wie "Die Linke als Erzfeind der Demokratie" oder "Der Feind steht links" schon geradezu Völkischer-Beobachter-Qualitäten erreicht. Gefeiert wird Knabe übrigens auch von Zeitungen wie dem "Ostpreußen-Blatt". Und auch der Spiegel greift gerne auf den von leichtem Verfolgungswahn gebeutelten Historiker zurück, wenn es darum geht, die Linke-Abwehrkanonen in Stellung zu bringen.

Und was sind nun die Worthülsen, aus denen er seine Agitation zusammenbastelt?
  • "Mehr als die Hälfte der Parteimitglieder gehörte bereits der SED an." Das ist nun leider so in einem totalitären Staat. Mehr als 2,2 Millionen Menschen gehörten 1989 der SED an - das sind aber doch nicht alles Folterknechte und Mauerschützen gewesen. Sollen die nun alle aus dem politischen Leben ausgeklammert werden?
  • "Sie [die Linke] agitiert gegen Amerika und gegen die westliche Staatengemeinschaft, auch gegen Israel. Hier werden starke antidemokratische Affekte sichtbar, die wir aus unserer Geschichte zur Genüge kennen." Mal abgesehen vom wirren Nazivergleich, für den Knabe mindestens zehn Euro ins Phrasenschwein werfen müsste - was ist wohl antidemokratischer: Kritik an der Politik anderer Staaten zu üben oder Leute, die das tun, als "antidemokratisch" zu diffamieren?
  • "Überall dort, wo die Linke an die Macht kam, hat sie ihr Parteiprogramm in den Wind geschrieben und keineswegs versucht, den Sozialismus einzuführen. Dazu fehlte ihr auch die Macht. Die bisherigen Regierungsbeteiligungen dienten einem anderen Zweck: nämlich die Partei politisch hoffähig zu machen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man dies nicht durch Revoluzzertum gefährden will." - Aha. DAS ist also der große linke Plan 9 aus dem Weltall. Raffiniert! Knabe hat SIE und ihre finsteren Weltherrschaftspläne durchschaut! Ja, wenn man die Tabletten absetzt, bekommt man den richtigen politischen Durchblick. Aber im Ernst: Wer so argumentiert - jede Begebenheit, jede Aktion und jede Information in ein vorgefertigtes und auf einem Bedrohungsszenario basierendes Weltbild aufbaut - der ist kein Wissenschaftler mehr, sondern Verschwörungstheoretiker.
Und aus diesem Grunde habe ich jetzt auch keine Lust mehr, mich weiter mit Herrn Knabe zu befassen. Wer eine aktive Rolle bei der Stasi gespielt hat, ist ebenso ungeeignet für ein politisches Mandat wie jemand, der eine leitende Funktion im Unterdrückungsapparat der DDR innehatte - so weit stimme ich ohne wenn und aber mit Knabe überein. Aber einer ganzen Partei mit immerhin 76.000 Mitgliedern, davon vielen aus Westdeutschland, die demokratische Legitimation abzusprechen - O-Ton: "Diese Partei sollte schon aus moralischen Gründen verschwinden" - das ist der Gipfel der Antidemokratie. So wie Knabe argumentieren Faschisten.

Ein Vorhutgefecht gab es in diesem Zusammenhang übrigens auch schon: Erwin Sellering, seines Zeichens SPD-Ministerpräsident in MeckPomm, hat es gewagt anzumerken, ob es nicht erlaubt sein dürfe zu fragen, ob es nicht auch ein kleines bisschen Gutes in der DDR gegeben haben könnte. Ich vermag das nicht zu beurteilen; ich habe nicht dort gelebt. Aber eines kann ich sehr wohl beurteilen: Die öffentlichen Prügel, die Sellering - der an der Tatsache, dass es sich um ein Unrechtsregime handelte, überhaupt keinen Zweifel ließ - von konservativer Seite nun bezieht, dünken mich eine weitaus größere Bedrohung demokratischer Normen zu sein als alles, was die Linke in ihr Programm schreiben könnte.

Denn hier werden schon laut geäußerte Gedanken unter mediales Kriegsrecht gestellt. Statt gebetsmühlenartig auf die Linke zu zeigen und "SED!" zu schreien, könnte es zwischendurch auch nicht schaden, mal die aktuelle politische Kultur in diesem Lande unter die Lupe zu nehmen. Denn die nimmt allmählich wirklich beängstigende Formen an.



*NPD und Konsorten sind bekanntlich keine politischen Gegner, sondern schlicht Arschlöcher.

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