Mittwoch, 13. Mai 2009

Armut als Lösungskonzept

Endlich hat jemand den Grund dafür herausgefunden, dass so viele Kommunen finanziell in den Miesen stecken: Hartz-IV-Empfänger heizen zuviel! Sagt zumindest Bundesbankchef Thilo Sarrazin, der in dieser Position ja eigentlich nicht für politische Ansichten bezahlt wird. Auch nicht für derart schwachsinnige. Aber da er schon mal in Fahrt war, hat er im "Stern" auch gleich den zukünftigen Rentnern Armut und armen Paaren Kinderlosigkeit verordnet.

Der Hartz-IV-Empfänger an sich, so Prof. Dr. Dr. Sarrazin, sei mehr zu Hause, hätte es gerne warm und regele die Temperatur zumeist mit dem Fenster. Schließlich zahlen die Kommunen ja die Heizkosten, mokiert sich der Sozialdemokrat. Abgesehen von der diesen Aussagen zugrunde liegenden Niedertracht und Gehässigkeit, die man sonst vornehmlich von Unions- und FDP-Bubis kennt, scheint dieser hochbezahlte Genosse trotz seiner jahrelangen Tätigkeit als Berliner Finanzsenator nicht zu wissen, dass die Arge für die Heizkosten eine Pauschale pro Quadratmeter bezahlt. Diese ist nicht überbordend großzügig bemessen, sondern richtet sich nach Normalwerten. Fällt die Rechnung deutlich höher aus, kann man zwar einen Zuschuss oder die Übernahme der Mehrkosten durch die Arge beantragen - die muss das aber nicht übernehmen und in vielen Kommunen macht sie's auch nicht. Wer wirklich so unbedarft ist, wie Sarrazin es dem durchschnittlichen Hart-IV-Empfänger unterstellt, und den ganzen Tag die Heizung hochdreht und die Fenster aufreißt, wird in aller Regel verhungern, weil er die über die Pauschale hinausgehenden Kosten selbst tragen muss.

Aber das wäre ja vielleicht auch gar nicht so schlecht mit dem Verhungern bzw. Erfrieren. Dann könnte sich der Hartz-IV-Empfänger wenigstens nicht fortpflanzen. Denn "die große Frage" sei schließlich, so Sarrazin weiter, wie man es schaffen könne, dass "nur diejenigen Kinder bekommen, die damit fertig werden". Da man dies, was den psychologischen Aspekt angeht - was Sarrazin als "persönliche Eigenschaften" bezeichnet - vorher ja zumeist nicht wissen kann, wird der Mann auch gleich konkreter: Manche Frauen bekämen Kinder, obwohl sie nicht "das Umfeld" besäßen, "um die Erziehung zu bewältigen". Vermutlich meint er mit "Umfeld" auch hier Armut.

Und dann heizen diese Armen auch noch wie blöde ihre Wohnung, um es kuschelig warm zu haben und sich in Schmusestimmung zu bringen - so geht's ja nun nicht! Die Leute sollen gefälligst frieren, das kühlt die Libido. Obwohl - wenn's zu kalt wird, kuscheln sie sich ja auch wieder zusammen. Und dann kommt eins zum anderen, kennt man ja. Die Sarrazin-Lösung: Kindergeld und/oder Hartz-Regelsatz für Kinder kappen! Anders kann er es ja kaum meinen, wenn er fordert, das Sozialsystem so zu ändern, "dass man nicht durch Kinder seinen Lebensstandard verbessern kann, was heute der Fall ist".

Dumm nur, dass andererseits ja Kinder hermüssen, die später mal in die Rentenkasse einzahlen. Sonst reicht das Geld nicht. Das weiß natürlich auch Sarrazin - hat aber auch dafür einen Lösungsvorschlag parat. Renten sollen seiner Meinung nach mittelfristig auf das Niveau einer Grundsicherung fallen. Wer mehr braucht, soll es sich in seiner berufstätigen Zeit eben zurücklegen. Dumm nur, dass derselbe Berufstätige sein Geld ja gleichzeitig auch ausgeben soll, um den Konjunkturmotor am Laufen zu halten. Dumm auch, dass zurücklegen alleine nicht reicht, sondern dass das Geld angelegt werden muss, damit es nicht von der Inflation aufgefressen wird; und was mit angelegtem Geld so alles passieren kann, sieht man ja jetzt (Sarrazin-Tipp: Bundesschätzchen!). Und dumm vor allem, dass die allgemeine Lohnentwicklung schon jetzt in vielen Fällen weder das eine (konsumieren) noch das andere (sparen) zulässt.

Was soll man da tun? Sarrazin, der Mann der Stunde, hat auch dafür eine Lösung: Schwarzarbeit. Das bringt Geld und Stimmung: "Wer irgendwo ein Zimmer tapeziert, kommt abends mit besserer Laune nach Hause; er hat besser durchgeatmet und ist zu seiner Frau netter." - Aber hoffentlich nicht so nett, dass er mit ihr gleich ein Kind zeugen will. Siehe oben.