So was - da ist man mal eineinhalb Wochen lang etwas weit ab vom Schuss, da wird gleich in einem Bundesland ein Putschversuch unternommen. Jawohl, Putsch, und zwar von oben: "Regierungskrise" ist ein viel zu verharmlosender Ausdruck für das, was der Carstensen-Harry da an intrigantem Machtspielchen aufführt. Ohne mit der Wimper zu zucken kündigt er die Koalition mit den Sozialdemokraten auf, führt sein Land in eine Phase der Kaum-mehr-Regierbarkeit und will die Auflösung des gewählten Parlaments verfügen, als wäre er der russische Zar. Schleswig-Holstein, deine Landesväter (und -mütter): Eine Lachnummer in mehreren Akten, gewissermaßen das Florida der BRD.
Politik kann also auch mal ganz schnell gehen, wenn's sein muss: Am Mittwoch die Presse informiert, am Donnerstag die Auflösung des Parlaments beantragt und bereits am Freitag darüber abgestimmt. Der Schönheitsfehler an Carstensens Masterplan zur Erringung der Weltherrschaft zwischen Fehmarn und Sylt war allerdings, dass er wenig durchdacht war: Die SPD ist immer noch groß genug, um die Selbstauflösung des Landtags zu verhindern. Gar zu gerne hätte ich am Freitag Harrys Gesichtsausdruck gesehen: "Was zum ...! Sie weigern sich? Schickt die Kosakenregimenter!" Sprach's und krönte sich im nächsten Moment selbst zum Kaiser von Schleswig und Holstein.
Zuvor muss er nun nur noch den Umweg über die Vertrauensfrage wählen und bekommt schlussendlich am kommenden Donnerstag doch noch seinen Willen, denn die SPD wird ihm - logischerweise - ihr Misstrauen aussprechen; die Oppositionsparteien sowieso. Wie man einem ganzen Land innerhalb von einer Woche seinen Willen aufzwingt: Ein Schnellkurs in drei Lektionen.
So weit unser Korrespondent aus dem Elfenbeinpalast in Kiel - zurück ins Studio, soll heißen: Zurück in die normale Welt. Denn die dürfte sich fragen, was zum Henker die Landespolitiker da eigentlich treiben. Das halbe Kabinett rausschmeißen, mit der Brechstange das Parlament auseinanderjagen, das Volk belügen und sich bei alledem auch noch im Recht fühlen - geht's noch?
Das anhaltende desaströse Umfragetief der SPD für die Forderung nach Neuwahlen zu missbrauchen und das Wählermandat, auf das man sich bei anderer Gelegenheit gerne beruft, auf diese Weise mit Füßen zu treten ist ja nichts wirklich Neues. Wie ein absolutistischer Potentat als Strafe für die Nichtkapitulation ihrer Partei die Minister seines Koalitionspartners hinauszuwerfen, ihnen selbst die Verantwortung dafür zuzuschieben und selbstherrlich nach Gutdünken den politischen Reset-Knopf betätigen zu wollen, ist da schon ein anderes Kaliber. Scheissegal, dass das Parlament immerhin bis zum Mai nächsten Jahres gewählt wurde - wen interessiert schließlich der Willen des Souveräns? L'etat, c'est Harry!
Oder wen interessiert auch nur der Willen des Koalitionspartners? Wenn Großfürst Harry verfügt, dass der HSH-Chef fast drei Millionen Euro in den Hintern geblasen bekommt, dann ist die Zustimmung der Vasallen doch bloß eine Formsache. Lüge? Ha! Da muss man nicht auf irgendwelchen Formulierungen herumreiten; so weit kommt das noch, dass der Landesvater sich vor dem niederen Volk rechtfertigen muss. Und falls doch: Vielleicht gibt Carstensen ja noch sein Ehrenwort, dass die SPD mit der Zahlung einverstanden war.
Leider, ach, bedarf es noch einer klitzekleinen Formsache, um die Machtstellung endgültig zu sichern: Die Bauern müssen noch einmal zur Wahlurne getrieben werden. Aber Kaiser Harry I. kann beruhigt in die Zukunft blicken: Seine Feinde liegen zerschmettert am Boden und sein Sieg ist relativ sicher, trotz Lügen und Machtspielchen. Die Zeiten, in denen sich die Nordlichter gegen derartige herrschaftliche Arroganz gewehrt haben, sind halt seit 500 Jahren vorbei.
P.S.: Zum 250. Post beglückwünsche ich mich an dieser Stelle selbst, wünsche ich mir alles Gute und fordere mich auf, weiter so zu machen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen