Dienstag, 7. Juli 2009

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Hosianna – die Gebeine des Apostels Paulus sind entdeckt! Preiset den Herrn, errichtet eine Kathedrale und beginnt mit dem Verkauf von Heiligenbildchen und Paulus-Eierwärmern. Gut – streng genommen ist diese Neuigkeit gar keine, denn das betreffende Grab in der römischen Basilika, das der Vatikan aufbohren ließ, um die Knochen rauszuholen, gilt nach Ansicht der Kirche schon seit längerem als das eben jenes Paulus’; und das Ergebnis der jüngsten wissenschaftlichen Untersuchung der Leichenteile hat auch nicht gerade Beweiskraft. Aber darum geht’s ja auch gar nicht.

In Zeiten, in denen die Existenz Gottes offen angezweifelt oder der geistlich-moralische Führungsanspruch der Kirche in Frage gestellt wird, findet man plötzlich ein in religiöser Hinsicht höchst bedeutsames Artefakt. Was für ein Glücksfall! Guido Knopp würde an dieser Stelle mit seinem suggestivsten Tonfall rhetorisch fragen: "Zufall?" Der Fund des Grabes vor ein paar Jahren vielleicht, die jetztige angebliche Identifizierung des Toten natürlich nicht. Das Ganze hat schließlich schon früher funktioniert: Als etwa 1098 die Teilnehmer des ersten Kreuzzuges in Antiochia festsaßen und so richtig angekotzt waren, weil es unterm Helm so bullenheiß war und ein arabisches Heer krummsäbelschwingend anrückte, wurde auch ein so wunderbarer Fund getätigt: die Heilige Lanze tauchte plötzlich auf. Die Ritter fassten neuen Mut, vertrieben die Araber, zogen anschließend weiter nach Jerusalem und zeigten dort den Einwohnern mal so richtig, wo der Streithammer hängt.

Ich würde es dem stets in der Vergangenheit lebenden Vatikan durchaus zutrauen zu glauben, dass sowas heute auch wieder klappen könnte. Vielleicht sogar zu Recht, angesichts der Massen, die sich vor ihren Problemen in die Religiösität flüchten. Denn letztlich ist es eine Frage des (Aber-)Glaubens, wer da seit knapp zwei Jahrtausenden im marmornen Sarkophag vor sich hin rottet, und Hardcore-Christen – die am ehesten geeignet sind, dem Vatikan Pilgertourismus-Einnahmen in Millionenhöhe zu verschaffen – haben sicher eh’ nie bezweifelt, dass es sich um die Knochen des Kirchenvaters handelt.

Alle anderen hingegen fragen sich, was Benedikt eigentlich andauernd mit seinem Paulus hat und warum er diese Grabstory jetzt als Weltsensation verkaufen will. Denn PR-technisch ist der Möchtegern-Coup schlecht getimt: Die Neverland-Ranch hat auf absehbare Zeit sicher bessere Chancen, zu einem hoch frequentierten Wallfahrtsort zu werden als die kleine Basilika vor den Toren Roms. Also: Was will uns Benedikt mit seinem ständigen Herumgereite auf und Herbeizitieren von Paulus eigentlich sagen? Warum beschäftigt sich der Mann das ganze Jahr mit nichts anderem als dieser antiken Version eines quengeligen Leserbriefschreibers?

Weil er so tief in seinem religiös-theoretischen Geplänkelwahn steckt, dass ihm aktuelle Themen am geheiligten Arsch vorbeigehen? Vielleicht. Die Antwort dürfte aber vor allem in der Symbolik der Figur liegen: Paulus, der bekanntlich vorher Saulus hieß, war schließlich ein bekehrter Jude. Und es ist ja nun beileibe kein Geheimnis, dass die Bekehrung der Juden zum Christentum das Steckenpferd des gelernten Inquisitors Ratzinger ist. Die Herkunft des Saulus/Paulus-Sprichworts ist da vielen Menschen schon weniger geläufig.

Oder denken Sie, wenn die Rede davon ist, dass sich jemand „vom Saulus zum Paulus wandelte“, zuallererst daran, dass dieser Jemand seine bevorzugte Religion gewechselt hat? Nein, tun Sie in aller Regel nicht, behaupte ich einfach mal. Schließlich wird die fragliche Redewendung heute doch zumeist dahingehend verstanden, dass sich jemand von einer negativen, schlechten Figur zu einer positiven, redlichen ändert – vom bösen Juden zum guten Christen also. Ebenso steht das "Damaskuserlebnis" heute sprichwörtlich für ein Schlüsselerlebnis, dass jemanden dazu bringt, sein Leben oder Denken in positiver Weise zu ändern - und nicht bloß für einen Anlass zum Konvertieren.

Insofern gäbe es eigentlich wirklich einen guten Grund, einmal über Paulus zu reden; denn es kann bisweilen nicht schaden, derart hinterfotzige Sprichwörter zu entlarven. Aber wie gesagt. Alles eine Frage des Glaubens - und Glauben ist bekanntlich nicht Wissen.

2 Kommentare:

Herr Liebreiz hat gesagt…

Ich habe nicht mal die ersten fünf Worte gelesen und mein erster Gedanke war, "Verdammt, das passt zum Jackson". Und siehe da. Thematischer Übergang wurde auch hier gefunden.

Dr. No hat gesagt…

Und bei Jackson dürfte klar sein, welcher Körperteil als Reliquie am ehesten angebetet würde...