Freitag, 24. Juli 2009

Haaatschi! - Oink!

Davon träumen Journalisten in schwülwarmen Nächten: Nie war ein Sommerloch leichter zu füllen als das diesjährige. Die Bundeswehr führt jetzt endlich mal so richtig Krieg, Peter Harry Carstensen hat im Alleingang über eine Woche lang die Titelseiten bestückt - und wenn alle Stricke reißen, gibt es ja immer noch die Schweinegrippe. Immerhin sind jetzt auch zwei Mitglieder der "Sugababes" infiziert - das Ende der Welt, wie wir sie kennen, ist nah.

Schweinegrippe - Sie erinnern sich? Die Virusinfektion, die seit einem Vierteljahr die Menschheit auszulöschen droht, aber irgendwie nicht in die Füße kommt und daher zeitweise auch schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden war, weil es dann doch Interessanteres zu berichten gab, etwa über Arcandor, Porsche oder Michael Jackson. Wie viele Chefredakteure sich wohl in den Schlaf geweint haben, weil sie sich vorgestellt haben, was sie alles hätten machen können, wenn "Jacko" an der Schweinegrippe gestorben wäre!*

In diesen drei Monaten sind weltweit ein paar Hundert Menschen an der Infektion gestorben. Die Sterberate beträgt den offiziellen Zahlen nach - halten Sie sich fest - rund ein halbes Prozent! Das heißt andersherum betrachtet: Wenn Sie die Schweinegrippe bekommen, haben Sie lediglich eine Überlebenschance von 99,5 Prozent. Schon das Testament gemacht?

Dass bei diesen Zahlen der Schrecken nicht so richtig rüberkommt, ist den Meinungsmachern dann auch irgendwann aufgefallen. Also wird sich, um die Zeitung trotzdem voll zu kriegen, in nebulöse Schreckensszenarien geflüchtet:
  • Es rolle eine zweite Infektionswelle an, die viieeel gefährlicher werde als die erste. Und wenn die auch nicht reichen sollte, wird eine dritte und vierte erwartet.
  • Zwar sei das Virus noch nicht mutiert, aber die Betonung liegt auf NOCH! Das H1N1-Vieh könne jederzeit, auch jetzt gerade in diesem Moment, während Sie dies lesen, zum unaufhaltsamen Killervirus mutieren - und dann gute Nacht, Marie!
  • Tamiflu, das allumfassende Wundermittel, hilft nicht wirklich, weshalb die Pharmakonzerne dringend ein neues, noch wirksameres und vor allem teureres Medikament entwickeln müssen. Ein Wettlauf gegen die Zeit!
  • Und die Spanische Grippe, die vor 90 Jahren zig Millionen Menschen killte, ist auch noch aktiv! So!
Jetzt beträgt die Zahl der Erkrankten in Deutschland schon zweieinhalbtausend - Huah! Die ganzen Urlaubsrückkehrer aus Lloret de Mar und Malle sind's: Sie bringen nicht mehr nur gigantische Kopfschmerzen, Herpes und hässliche Souvenirs mit, sondern auch den Todeserreger! Ich würde sagen: Ab mit ihnen in die Quarantäne, hermetisch abgeriegelte Containerdörfer sollten an jedem Flughafen eingerichtet und die Grenzen dicht gemacht machen. Und spätestens, wenn man während des Landeanfluges über Bordfunk verdächtiges Krächzen und Schniefen hört, dürfte die von Schäuble lange geforderte Legitimation des Abschusses von Linienmaschinen gerechtfertigt sein.

Vermutlich werden wir aber demnächst wieder weniger von der Versagerseuche hören und lesen - denn die Pharmaindustrie hat ihr Ziel ja eigentlich schon erreicht: Die Bundesländer kaufen für 700 Millionen Euro Impfdosen, obwohl es streng genommen den Impfstoff noch gar nicht gibt. Aber wenn es ihn dann dereinst geben wird, sollen diese von 100 Prozent der Bevölkerung bezahlten Dosen für 30 Prozent der Bevölkerung reichen.

Ich freue mich schon darauf, hustend, grunzend und mit Ringelschwänzchen beim Arzt meines Vertrauens aufzukreuzen und ihm, bevor er mir die lebensrettende Injektion spendet, erst einmal mittels eines vom Innenministerium erstellten Formulares meine Würdigkeit, am Leben zu bleiben, nachweisen zu müssen. Gehöre ich als derzeit arbeitsloser Schreiberling zu den 30 Prozent, die es wert sind, den nächsten Sonnenaufgang zu erleben?

Ich meine: Ja, unbedingt. Journalisten werden immer gebraucht, denn die nächste Seuche kommt bestimmt und muss dann dem Volk in all ihren apokalyptischen Dimensionen nahegebracht werden. Schließlich gibt es noch viiieeele Impfstoffe und Medikamente zu verkaufen.



*Wir verkneifen uns an dieser Stelle Bemerkungen über Jacksons Nase, was gar nicht so leicht ist.

Keine Kommentare: