Mannomann, sie versuchen's immer weiter und mit allen denkbaren Mitteln: Die Konservativen wollen ums Verrecken die Internetzensur einführen. Aus dem Zensursula-Desaster hat man offenbar nur den einen Schluss gezogen, dass es mit Kinderpornos irgendwie nicht klappt - zu offensichtlich waren die Mängel in der herbeikonstruierten Argumentation. Die Jungspunde der Union sind daher auf einen bahnbrechenden und geradezu genialen Plan B gekommen: Wenn Kinderpornos als Hebel zur Durchsetzung der Zensur nicht funktionieren, dann nehmen wir stattdessen doch einfach - alle Pornos!
In einer schlecht umbrochenen (und mittlerweile wieder von der Seite verschwundenen) Pressemitteilung fordert die JU nichts weniger als die Sperrung von Pornoseiten, von denen es geschätzt dreiundzwölfzig Fantastilliarden geben dürfte. Zwei davon nennen sie namentlich, ich vermute, sie haben selbige aus Gründen der Sammlung umfassender Hintergrundinformationen ausgiebig getestet und wiederholt frequentiert. Immerhin schreiben sie etwas von "Filmen mit fast unvorstellbarem Inhalt", das müssen sie ja irgendwie belegen können. Natürlich geschah dies nur aus Gründen der, sagen wir: Aufklärung. Hehehe.
Der Grund für die Forderung: Viel zu viele Kinder und Jugendliche bekämen viel zu leicht Zugang zu pornographischen Inhalten im Netz, was mittelfristig zu einer "erheblichen sexuellen Störung einer ganzen Generation" führe. Da stimme ich den Nachwuchsreaktionären ausnahmsweise einmal zu: Dass Kids, die noch vor ihrem ersten Kuss bereits Dutzende Hardcore-Streifen auf diversen Handys geguckt haben, ein normales Verhältnis zur Sexualität werden aufbauen können, bezweifele ich entschieden; und dass Pornofilme ein unsägliches, herabwürdigendes und niederträchtiges Frauenbild vermitteln, dürfte hinlänglich bekannt sein.
Aber darum geht es den Jungunionisten doch gar nicht. Das Problem ist ja nicht neu: Das Internet war schon immer mit Pornos überflutet; manche Leute behaupten gar, das wäre der Hauptgrund für seine rasante Verbreitung in den 90ern gewesen. Forderungen nach Sperrungen habe ich in der ganzen Vor-Zensursula-Zeit indes nie gehört. Erst jetzt, nachdem der erste Vorstoß der Supernanny vorerst gescheitert ist. Der Duktus ist derselbe geblieben, man muss nur an geeigneter Stelle ein "Kinder-" einfügen: "Anstatt mit aller Macht nach technischen Lösungen für die Eindämmung der Pornografie zu suchen, wird über die Meinungsfreiheit und Zensurfragen philosophiert", meckert der Berliner JU-Vorsitzende und beweist damit, dass er ein artiger Ziehsohn von Ursel ist und für diese aberwitzig undemokratischen Äußerungen von ihr sicher ein Sternchen ins schwarze Klassenbuch bekommt.
Der Zugang Minderjähriger zu pornographischen Inhalten ist bekanntlich bereits gesetzlich geregelt, das weiß jeder, der in seiner Jugend Maienblüte schon mal frustriert vor einer Videothek stand, weil er sich einen Clint-Eastwood-Streifen ausleihen wollte, wegen der Pornofilme aber nicht hineingelassen wurde. Natürlich ist der Zugriff auf solche Inhalte durch das Internet heute um Welten einfacher geworden - aber da sind, wie in allen derartigen Dingen, die Eltern gefragt; und nicht zuletzt gibt es auch Filter- und Zugangssoftware für den Hausgebrauch. Okay, zugegeben: Die Website der JU Berlin sieht nicht so aus, als hätten sie von derlei technischen Dingen viel Ahnung.
Also auf zur nächsten Runde im Gerangel um die Freiheit des Netzes *seufz*. Es wird bei diesem Aufhänger natürlich wieder auf eine Schlammschlacht hinauslaufen, diesmal auf eine noch perfidere Art: Während seinerzeit doch ein gerüttelt Maß an Boshaftigkeit dazugehörte, Zensurgegnern gleich Pädophilie zu unterstellen - ein Maß, das nur wenige aufbrachten -, so werden die Kritiker jetzt wohl reihenweise als Pornofans dargestellt. Typisch verklemmte Computernerds, die anderweitig keine sexuelle blahblahblah. Ich könnte jetzt schon kotzen.
Übrigens: Weder ist die JU alleine mit ihren Sperr-Bemühungen, noch sind Pornos das einzige Alibi für die Einführung von Zensurstrukturen: Online-Glücksspiele taugen ebenfalls dafür, die Kieler Wespenkoalition denkt auch da über Sperrungen nach.
Was wird wohl als nächstes ins Feld geführt? Die Wikipedia, weil es da Artikel zu Pornostars gibt?
Ach, und noch was zum Thema JU und, ähm, Moralaposteltum:
6 Kommentare:
Mal von der geschmacklichen Aussage abgesehen: Wenn ich mich recht entsinne, hat die Porno-Industrie in den Staaten sich auch immer wieder politisch zu Wort gemeldet. Sei es nun durch dieses "Nailin Palin"-Video, Anti-Djihad-Propaganda in Pronofilmen oder aber ganz viel "Peace"-Gedöns während des letzten Golfkriegs.
Ich will jetzt da nicht Inhalt und Form bewerten (könnte ich *hust* natürlich auch nicht) - aber Pornografie ist ja auch eine Ausdrucksform mit fließenden Rändern zu politischen Aktionen und zur Kunst. Wer Pornos verbieten will, muss genau diese Grauzonen erstmal richtig definieren.
Was defacto einer Zensur gleichkommt.
Bin übrigens mal gespannt, ob Du jetzt mit PRON, PORN, BIENCHENSEX neue Webseitenbesucher von Google bekommst. :D
Das will ich doch stark hoffen. Nur deswegen habe ich mich dieses Themas überhaupt angenommen.
Aus SEO-Gründen hätte ich allerdings vielleicht noch das eine oder andere aussagekräftige Keyword einbauen können...
Auf der JU-Berlin-Seite finde ich die Presseerklärung nicht. Wahrscheinlich ist sie dem internen Filter zum Opfer gefallen, weil "Porno" und "Sex" drin vorkam.
Tatsächlich, sie haben die PM entfernt... vermutlich ein freundlicher Anruf vom Bundesverband. Das dürfte Clemens' Parteikarriere ein paar Monate zurückgeworfen haben.
Da ist sie noch.
Oh, 30 Prozent der 8 bis 13jaehrigen haben bereits pronografische Inhalte gesehen? Und die restlichen 70 Prozent haben noch nie nackt vorm Spiegel (nicht dem Magazin jetzt) gestanden? Was fuer ein Weltbild haben die von der JU? Wahrscheinlich baden die ihre Kinder im Dunkeln, eingehuellt in Jallbiyahs. Nee, Moment, das ist ja die Kleidung der religioesen Fanatiker - obwohl, C wir christlich, sind die das nicht selbst dann?
Nicht mehr lang hin, dann werden schwarze Balken alles verdecken, was auf primaere und sekundaere Gechlechtsmerkmale hindeutet. Ok, das Bundesmerkel hat dann die Balken vorm Knie, der Guido nur bei Aufnahmen seines Rueckens. Aber was solls, schwarz war ja schon immer die Farbe der CDU.
Und beim Gluecksspielverbot: irgendwie ist dieses Auktionshaus ja auch eine Art Gluecksspiel, eh-beh?
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