Liebe Paintballspieler! Na, da habt ihr ja noch mal eine Galgenfrist bekommen. Ihr solltet in den Nachwehen des Amoklaufs von Winnenden eigentlich auf dem Altar des politischen Aktionismus geopfert werden, damit sich überhaupt mal irgendetwas in der Debatte um Sicherheit, Erziehung und Waffenbesitz tut. Nun wird über diesen seltsamen Plan noch einmal nachgedacht, zumal ihr strenggenommen gar nichts mit dem Amokläufer zu tun hattet - aber dummerweise steht ihr nun da, wo ihr nie hinwolltet: Im Blickfeld der Öffentlichkeit. Und was man da sieht, ist alles andere als schön. "Wir sind nicht verrückt!", werdet ihr auf Spon zitiert. Doch, seid ihr. Aber darum geht es nicht.
Es ging von Anfang an nur darum, wer die Winnenden-Arschkarte bekommt. Denn irgendwas muss in solchen Fällen ja verboten werden, damit der Staat zeigen kann, dass er das Problem erkannt und - ganz wichtig - etwas getan hat. Mit einem Verbot funktioniert so etwas am besten, weil sichtbarsten.
Leider war die Auswahl an Dingen, die man verbieten könnte, denkbar gering: Waffenbesitz fiel schon einmal ganz weg. Zum einen besteht von seiten der Politik offensichtlich gar kein wirkliches Interesse daran, die Zahl der Waffen in Privathaushalten auch nur signifikant zu reduzieren; zum anderen hätten die Schützen dem Begriff "Königsschießen" am Wahltag mal eine ganz neue Bedeutung verliehen und die Jäger hätten zugleich zum großen Halali geblasen (und am Wahlabend hätte es dann "Sau tot!" geheißen). Nein, mit der Waffenlobby legt man sich nicht an, zumal sie - wie der Name bereits andeutet - bewaffnet ist.
Das oftmals medienwirksam geforderte Verbot von sogenannten Killerspielen kam dann letztlich auch nicht mehr in Frage. Nicht weil es - bei aller psychologischen Fragwürdigkeit dieser virtuellen Gewaltorgien - ohnehin vollkommen schwachsinnig gewesen wäre. Nein, so etwas spielt im Gesetzgebungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle. Es kam nicht mehr in Frage, weil irgend jemand dem Minister gesteckt hat, wie unglaublich viele Menschen im wahlfähigen (oder auch demnächst wahlfähigen) Alter diese Spiele spielen. Und was für eine Wirtschaftsleistung dahintersteht, denn diese Leute brauchen nicht nur ständig neue Ballerspiele, sondern auch noch ständig neue Computer.
Ich wäre ja dafür gewesen, Schützenvereine zu verbieten, weil sie einfach nerven mit ihren popelgrünen Uniformen und ihrem paramilitärischen Tschingderassabumm. Dafür scheint es aber keinen gesellschaftlichen Konsens zu geben. Also solltet ihr, liebe Paintballer, dran glauben. Ihr seid nämlich nur ein paar Leutchen, die stimmenmäßig nicht ins Gewicht fallen, aber gute Wahlkampfbilder liefern.
Da spielt es keine Rolle, dass Tim K. wohl gar kein Paintballer war. Er war nur so verrückt. Es spielt auch keine Rolle, dass man Paintballwaffen erst ab 18 kriegt, während in Schützenvereinen schon 14-Jährige eine großkalibrige Schusswaffe mit scharfer Munition in die Hände bekommen. Dafür spielt es eine sehr große Rolle, dass ihr, liebe Paintballer, mit euren Farbwaffen im Anschlag durch Geländefelder robbt, auf andere Menschen losballert und versucht, möglichst viele zu erwischen. Es spielt eine Rolle, dass euch dieses pubertär-martialische Gehabe selbst derart peinlich ist, dass ihr nicht von Waffen sprecht, sondern von "Markierern" und es zudem für ratsam haltet, Militärkleidung auf dem Platz zu verpönen. Dass dies überhaupt für notwendig erachtet wird, belegt deutlich, dass es genug Spieler gibt, die sich in Camouflage-Klamotten zum Ballern treffen. Und es spielt eine Rolle, dass ihr ständig davon salbadert, dass ihr Paintball als taktischen Mannschaftssport schätzt - ihr aber stets die Erklärung schuldig bleibt, warum ihr dann nicht Fußball spielt.
Und deshalb, liebe Paintballer, sage ich: Doch, ihr seid tatsächlich vollkommen und total verrückt. Irre. Durchgeknallt. Ein Haufen wahnsinniger Militariafreaks, die es aufgeilt, mit einer Waffe auf andere Menschen zu schießen. Ich fände es keine Sekunde lang schade, wenn dieser perverse Antisport auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde - halte es aber trotzdem für eine bescheuerte Idee, ihn verbieten zu wollen. Denn hier wird Politik auf einen Nebenkriegsschauplatz - wie treffend - ausgelagert, weil man sich an die eigentliche Problematik nicht herantraut. Und dafür könnt ihr ja nix.
Aber dafür, dass ihr nicht einmal davor zurückschreckt, in eurer weinerlichen Pressemitteilung zur Rechtfertigung eurer Kriegsspielleidenschaft auch noch Rosa Luxemburg zu zitieren, möchte ich euch am liebsten euren Markierer in eine bestimmte Körperöffnung stecken und auf "Autofeuer" schalten. Und nein, das ist keine Gewaltfantasie - schließlich ist es ja ein ganz normales Sportgerät, oder?
1 Kommentar:
Schön geschrieben, ich kann der Ironie einiges abgewinnen, auch der Klarheit der Worte. Und ehrlich gesagt, ich kann mit Paintball nicht viel anfangen. Ebenso wenig sind mir Menschen geheuer, die so emsig mit der Ablehnung möglicherweise gewaltbehafteter Spielarten der Gesellschaft beschäftigt sind. Auch das ist mir nicht geheuer.
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