Dienstag, 22. Juni 2010

Ob's edler im Gemüt, die Tritte und Grätschen des wütenden Geschicks erdulden ...

Ich bin ja bekanntlich kein Fußballfreak, aber Weltmeisterschaften sehe ich mir doch ganz gerne an, zumindest die eine oder andere Partie. Und kaum wird alle vier Jahre der Vorhang aufgezogen für die Darbietungen auf den Grashalmen, die die Welt bedeuten, fällt mir auch wieder ein, warum ich kein Fußballfreak bin: Wegen der aberwitzig peinlichen Randaspekte, die aus dem Spiel bisweilen ein schlechtes Schauspiel machen, mit ihm allerdings ebenso untrennbar verbunden zu sein scheinen wie dämliche Kommentatorensprüche. Es müsste eigentlich ein Fußball-Äquivalent zum Oscar geben, oder besser: Zur Goldenen Himbeere ("Gib' mich die Himbeere!"). Ich würde diese Auszeichnung "Rossi" nennen wollen, in Anlehnung an diesen ambitionierten Nachwuchsdramatiker. Die Top Five des lächerlichen Laienspiels in kurzen Hosen:

Platz 5: Das ewige Herumgemeckere - inklusive flehender Gesten - nach Gelben Karten. Als ob jemals ein Schiedsrichter eine Verwarnung zurückgenommen hätte, nachdem ihm die Argumente eines Spielers überzeugt hatten. Ein Untervariante in dieser klassischen Aufführung ist der betont unschuldige "Wer, ICH?!?"-Blick, während das Opfer der soeben vollzogenen Blutgrätsche in Einzelteilen per Rettungshubschrauber vom Platz geschafft wird.

Platz 4: Das nach einem Aus aufkommende Winken sämtlicher Spieler im Umkreis von 20 Metern Richtung Schiedsrichter, um anzuzeigen, dass nicht die Spur eines Zweifels daran bestehen könne, dass der fällige Einwurf bzw. die Ecke von Rechts wegen der eigenen Mannschaft zusteht. Dieses Winken wird am vehementesten von jenem Spieler vollzogen, der ganz genau weiß, dass er selbst es war, der den Ball ins Aus gedroschen und jeder im Stadion das auch gesehen hat.

Platz 3: Wenn dann der Einwurf schließlich durchgeführt werden soll, sind zwei Dinge offenbar unumgänglich: Erstens niemals an der Stelle einzuwerfen, an der der Ball ins Aus gegangen ist, sondern mindestens fünf Meter weiter in Richtung gegnerisches Tor. Und zweitens möglichst lange so zu tun, als würde man verzweifelt einen freien Mitspieler suchen, dem man das Leder zuwerfen kann und dabei unauffällig noch zehn weitere Meter zu schinden.

Platz 2: Die Steigerung davon ist das hochgradig albern aussehende Trippeln der Abwehrmauer in Richtung Freistoßschütze, eine Art dickbeinige Ballettparodie aus den Untiefen der Hölle. Kaum hat der Schiedsrichter die Kicker dort platziert, wo seines Erachtens der Abstand von 9,15 Metern zum Ball zu verorten ist, fangen sie an, in winzigen Schrittchen nach vorne zu hoppeln, während sie sich dabei den Sack halten. Das sieht irgendwie aus, als müssten alle dringend aufs Klo.

Und natürlich die ganz hohe Kunst, ein Evergreen und seit Jahrzehnten im Tourneeplan enthalten, der unangefochtene Platz 1: Das nach einem Foul eintretende Auf-dem-Boden-wälzen-und-schmerzverzerrtes-Gesicht-zeigen, während man sich einen Körperteil hält, der mehrere Meter von der Stelle entfernt ist, die der Gegenpieler tatsächlich getroffen hat. Falls er überhaupt eine getroffen hat, siehe Rossi. Das Sahnehäubchen in dieser Fremdschämdarbietung ist, wenn der Laiendarsteller seine Sterbender-Schwan-Nummer für eine halbe Sekunde unterbricht, um zu checken, ob der Schiedsrichter auch guckt. Tut er es, geht das theatralische Heulen und Zähneklappern um so oscarreifer weiter. Tut er es nicht, macht der Spieler lustlos noch ein paar Sekunden weiter, damit es nicht gar so lächerlich wirkt, steht auf, verzerrt noch einmal die Mundpartie, humpelt zwei Schritte - und ein Wunder geschieht: Der Lahme kann wieder laufen. Hosianna!

Und das wollen erwachsene Männer sein. Tststs. Da lobe ich mir doch Eishockey.

Übrigens: Das obige Zitat stammt aus Shakespeares "Hamlet", einem Stück, benannt nach einem dänischen Libero der 60er Jahre. Der gesamte Vers lautet im Original:

Foul oder Nichtfoul; das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüt, die Tritte und Grätschen
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von gelben Karten,
Durch Widerstand sie enden?
Hinfallen ... Wälzen ...


Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Wälzen
Das Fußweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, ’s ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Hinfallen – wälzen –
Wälzen! Vielleicht auch schreien! Ja, da liegts.

Usw.

Immer wieder schön auch das hier:

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie passend!
Betitelte doch erst gestern der Gatte den Fußball als "zunehmend Theatersport".

Dr. No hat gesagt…

Der Unterschied ist: Im Theater treten ja eher die Charakterdarsteller auf.