Krieg ist in Jungs Gedankenwelt offenbar etwas, das nur die anderen machen. Niemand in der Bundesregierung hat ein Problem damit, vom Irak-Krieg zu sprechen - mit dem haben wir dank Rot-Grün nichts zu tun. Tschetschenien und Georgien, das waren Kriege. Selbst der Kosovo-Krieg wird als solcher bezeichnet, obwohl deutsche Soldaten dabei waren (aber nicht selbst geschossen haben, was wohl den kleinen Unterschied macht). Aber Afghanistan, wo die Bundeswehr doch hauptsächlich mit Brunnenbohren, Schulenbauen und Bonbonverteilen beschäftigt ist? (Überhaupt - wieviele Brunnen und Schulen gibt es denn mittlerweile in dem Land, wenn die seit mehr als sieben Jahren nichts anderes machen?) Nein, das ist kein Krieg, weil nicht sein kann, was nicht sein darf - und deshalb wollen wir im aktuellen Voting einen passenderen Begriff finden. Bitte stimmen Sie jetzt ab.
Festival der hohlen Phrasen
Es ist ja schon zum Heulen, dass man sich freuen musste, als Jung vor einem Dreivierteljahr endlich von "Gefallenen" sprach. Ein selten dämliches Wort, denn die Leute sind schließlich nicht gestolpert, gestürzt oder in ein halbkriminelles Milieu abgerutscht, sondern wurden erschossen, in die Luft gesprengt oder sonstwie frikassiert. Aber "Gefallene" ist immer noch besser als "einsatzbedingt Getötete", denn es wird allgemein immerhin mit Krieg assoziiert - "einsatzbedingt getötet" werden können auch Feuerwehrleute oder Heizungsbauer.
Leider dünsten bei dem Begriff "gefallen" auch Worte wie "Ehre" und "Tapferkeit" aus jedem Buchstaben; zwei in diesem Zusammenhang unglaublich hohle Phrasen, die zuletzt von Opi und Uropi gedroschen wurden. Es ist ja wohl kaum ehrenvoll, auf Befehl jemanden zu töten oder von jemand getötet zu werden. Ehrenvoll ist etwas ganz anderes: Sich unentgeltlich für Schwächere einzusetzen etwa oder zu einem abgegebenen Wort zu stehen, auch wenn man dafür Nachteile in Kauf nehmen muss, oder - wenn man den Begriff denn unbedingt auf das Militär anwenden will - einen völkerrechtswidrigen Befehl zu verweigern. Nach den einfachen Soldaten, die so etwas taten, werden aber in der Regel später keine Kriegsschiffe und Kasernen benannt.
Blech stanzen und Blech reden
Und was ist "Tapferkeit"? Jemand wie Anna Politkowskaja war tapfer. Die Demonstranten im Iran, in Birma oder Tibet waren tapfer. Greenpeace-Aktivisten, die ihre Schlauchboote vor die Harpunen von Walfängern steuern, sind tapfer. Möglichst viele Menschen umzubringen ist per definitionem nicht tapfer; eine Schlacht einfach nur zu überleben, auch nicht. Wird einem Trupp Soldaten befohlen, eine feindliche Stellung zu erobern, dann müssen sie das tun, weil sie sonst wegen Befehlsverweigerung dran sind - und wenn sie heil davonkommen, gelten sie als "tapfer" und werden mit ausgestanzten Blechteilen behängt.
Bislang halten sich die Belege für Tapferkeit in der Bundeswehr in Grenzen: In Afghanistan hat es bisher im Wesentlichen zu erschossenen Frauen, Jugendlichen und Kindern gelangt; und vom Deck einer hochmodernen, waffenstarrenden Fregatte aus ein Piraten-Motorboot in Schach zu halten, ist auch nur bedingt gefährlich. Natürlich gehört Mut dazu, sich in Kunduz auf Patrouille zu begeben - aber muss man dafür gleich einen Tapferkeitsorden erhalten? Ja, meint der Verteidigungsminister. Zwar nicht das Original, wie ein Parteikollege ehedem forderte, aber immerhin ein ähnliches.
Viel Jung, viel Ehr'
Auf diesem Gebiet der mythischen Überhöhung von Mord und Totschlag erweist sich der CDU-Minister als recht rührig. Auch wenn Franz-Josef Jung nach der Wahl wohl bald in die Bedeutungslosigkeit rutschen wird: Was die schleichende Militarisierung der Gesellschaft angeht, macht dem Hessen keiner etwas vor. Wer
Zwar sind wir derzeit noch weit davon entfernt, unsere Kinder in Matrosenanzüge zu stecken und Spenden für Kriegsschiffe zu sammeln. Wenn wir die Geschehnisse allein der letzten zehn Jahre einmal Revue passieren lassen, zeigt sich aber überdeutlich, wie sich die Bundesrepublik immer offener, Schritt für Schritt, wieder zu einer Krieg führenden Großmacht entwickelt - es fragt sich nur, ab wann wir das Kind auch wieder beim Namen nennen.
So wie hier:
*Eine Titulierung, auf die eigentlich Rudolf Scharping Anspruch hat - aber ohne Bodentruppen ist das irgendwie gar ja kein richtiger Krieg, nicht wahr?
3 Kommentare:
Sorry,
kleine Ergänzung: Dank der nie abgeschafften Sektsteuer aus Kaiser Wilhelms Zeiten zahlen alle Sektkonsumenten auch heute noch für "unsere" Flotte.
Es fehlen also eigentlich nur noch die Matrosenanzüge. Aber wenn bald die Schuluniformen kommen, ist es nur noch ein kleiner Schritt.
Nun ja, indirekt - meines Wissens sind die Einnahmen aus der Sektsteuer nicht mehr zweckgebunden, wandern also nicht mehr schnurstraks in den Marineetat, sondern in den Bundeshaushalt - aus dem natürlich wiederum die Marine finanziert wird. So gesehen zahlt man allerdings per MwSt eigentlich immer für die Flotte mit, wenn man was kauft...
...und Sekt trinke ich eh' nicht. Blödes Gesöff, kommt man immer so komisch drauf.
Schön auch dieses Plenarprotokoll dazu, das viel über Oppositionstaktik aussagt.
;-)
Dann dauert es bestimmt auch nicht mehr lange bis zur Proklamation der Notwendigkeit von "Lebensraum im Osten". Wobei damit NICHT die seit 20 Jahren annektierten 5 neuen Bundeslaender gelten. Afghanistan ist im Osten, oder? Also von hier aus gesehen. Und durch die deutschen Opfergaben (koennte man die Toten ja auch nennen) haben wir ja quasi Anspruch auf Entschaedigung. So ein paar Hektar Land beispielsweise. Oder ein paar Oelquellen. Oder so.
Mal sehen, kann man die Toten nicht auch "konfliktloesungsinvolvierte Verletzte ohne Ueberlebenschance" nennen? Oder einfach "Kanonenfutter"?
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