Samstag, 1. August 2009

Bayrische Gipsköppe aus Teheran

Soso - ein deutscher Konzern, der im Iran tätig ist, hat seinen iranischen Mitarbeitern mit fristloser Entlassung gedroht, falls diese sich an den Demonstrationen gegen das Regime beteiligen sollten. Merkwürdig unaufgeregt wird darüber berichtet - kein Wunder eigentlich. Denn wenn deutsche Firmen es schon für legitim halten, langjährige Mitarbeiter wegen des Einsteckens eines 1,30-Euro-Pfandbons, der Entwendung von drei nicht verzehrten Brötchen, dem Retten eines gebrauchten Kinderbetts vor dem Sperrmüll oder einem erhöhten Stromverbrauch von 0,014 Cent fristlos zu feuern - dann sollte eine Entlassung ja wohl erst recht gerechtfertigt sein, wenn die Mitarbeiter versuchen, die herrschenden Verhältnisse zu verändern, nicht wahr?

Wohlgemerkt: Im Schreiben ist nicht die Rede vom Demonstrieren während der Arbeitszeit, sondern einfach nur vom Demonstrieren. Ist ja auch nur konsequent: Wenn wir schon in Sachen Lohndumping, Arbeitszeiten und Kündigungsschutz auf dem direkten Rückweg ins 19. Jahrhundert sind, warum dann nicht auch bei der Bekämpfung von Revoluzzertum? Wie wär's denn bei dieser Gelegenheit mit der Forderung nach ein paar neuen Sozialistengesetzen, wenn wir schon dabei sind? Schließlich tut es auch in Deutschland den Geschäften nicht gut, wenn die Mitarbeiter soziale Veränderungen fordern.

Nach Spon-Angaben sollen iranische Behörden Druck auf die Firma Gips Knauf ausgeübt
haben, ihrerseits die Mitarbeiter von den Protesten fernzuhalten, was die Sache aber keineswegs besser macht oder als Entschuldigung durchgehen kann. So schnell macht man sich also zum Büttel eines Blutsäufers wie Ahmadinedschad: Allein schon eine unausgesprochene Drohung mit etwaigen Schikanen führt dazu, dass sämtliche demokratischen und freiheitlichen Werte - falls die Geschäftsführung solche überhaupt besessen haben sollte - über Bord geworfen werden. Im Prinzip sind diese Leute nicht viel besser als die Bassidsch-Milizen, nur mit Mercedes und Gehaltsscheck statt Moped und Eisenstange.

Dass dann, sobald leichte Irritation aufflackert, von Seiten der Firmenzentrale in Iphofen die Standard-Entschuldigungsfloskel vom "unglücklich formulierten Schreiben", das baldigst überarbeitet werden soll, bemüht wird, verwundert dann ebenso wenig wie die Hilf- und Zahnlosigkeit des Auswärtigen Amts, das (a) nix davon weiß, obwohl das Schreiben offen verfügbar ist und (b) sich nur zu der müden Äußerung aufraffen kann, man würde es "nicht gutheißen". Da schlottert doch so manches niederbayrische Knie.

Naja, vielleicht lässt das die Firma ja umschwenken; diese Leute sind, wie wir gesehen haben, durch nebulöse Andeutungen von Regierungsseite leicht zu beeindrucken. Mehr zumindest als von einem Boykott meinerseits: "Sehr geehrte Damen und Herren! Ich protestiere auf das Schärfste gegen Ihre Firmenpolitik und werde mich, wenn ich im Jahre 2017 das nächste Mal einen Sack Gips für 5,99 brauche, zu einem Konkurrenzprodukt greifen! So!" Ich brauche das Zeug halt nur höchst selten.

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