Mittwoch, 30. Juni 2010

Wulff vs. Gauck - eine Zwischenanalyse aus purer Langeweile

Die Hauptanforderung an den zur Disposition stehenden Job erfüllte er jedenfalls: Schönreden. "Demokratie ist lebendig und funktioniert", freute sich Joachim Gauck über die 44 Wespendissidenten, die Muttis Schwiegersohn im ersten Wahlgang die Gefolgschaft versagt haben. Wir alle wissen natürlich, dass das mit einer "lebendigen" Demokratie nicht viel zu tun hatte: Die Abweichler handeln genauso aus machtpolitischem Kalkül wie die CDU-Spitze, als sie ihren Lieblingskandidaten aus dem Hut zauberte. Die paar Hanseln, die eventuell tatsächlich aus Gewissensgründen die Parteilinie verlassen haben, sind wohl zu vernachlässigen: Hier geht es um eine Palastrevolte und nichts anderes.

Letztlich wird Wulff doch noch gewinnen, die einfache Mehrheit ist ihm wohl nicht zu nehmen: Die Voraussetzung für einen Sieg Gaucks, dass nämlich die komplette Wahlmännerschar der Linken geschlossen zu ihm wechselt, ist so unrealistisch wie die Hoffnung, heute von einer Stoiberschen Stellungnahme verschont zu bleiben. Zu sehr hat Gauck sich im Vorfeld mit der Linkspartei angelegt, und zu viele Linke sehen in ihm vor allem den vernagelten Kommunistenfresser - nicht zu Unrecht.

Die Linke könnte mit einem Umschwenken zwar ihrem (von reaktionärer Seite verliehenen) Image als Stasipartei ein Stück weit entgegenwirken, aber sie werden einen Deubel tun, sich selbst zum Mehrheitsbeschaffer für Rot-Grün zu degradieren. Außerdem lassen sich linke Anhänger kaum einer taktisch motivierten Linie unterwerfen - die haben, wie die Grünen, mitunter ihren eigenen Willen.

Es war demnach von vornherein klar, dass Wulff spätestens im dritten Wahlgang auf Kniescheiben und Brustwarzen ins Ziel kriechen wird. Also alles wie gehabt?

Merkel und Wulff seien durch den Verlauf der Wahl schwer beschädigt, wird nun überall orakelt. Was heißt das schon? Wulff kann's wurscht sein - Bundespräsidenten sind in diesem Land grundsätzlich hoch angesehen, das wird auch bei ihm nicht anders sein. Ein paar Wochen noch, dann wird er als weltmännischer Repräsentant des Landes gefeiert werden, solange er nicht mit einem Schaf in einem Hotelzimmerbett erwischt wird. Und Merkel ist schon lange beschädigt.

Über die Vorfälle des heutigen Tages stürzt sie allerdings nicht automatisch, so wie es vielerorts postuliert wird. Sie stürzt, wenn die Liberalen die Koalition aufkündigen, statt der Kanzlerin bloß bei der Bundespräsidentenwahl ans Bein zu pieseln. Das werden sie aber nicht tun, außer wenn sie die Zusage für eine Ampelkoalition in der Tasche haben - die FDP-Leute sind zu machtgeil, um von sich aus ihre Regierungsbeteiligung aufs Spiel zu setzen.

Oder Merkel stürzt, wenn sie die Vertrauensfrage stellt - und verliert. Was ich kaum glaube. Zum einen erfordert diese Entscheidung ein gewisses Maß an Rückgrat, und zweitens muss sie eine Vertrauensabstimmung nicht zwingend verlieren - die Abgeordneten von Union und FDP wissen ganz genau, dass sie Neuwahlen kaum gewinnen würden. Merkel lässt sich auch nicht durch einen aussichtsreicheren Kandidaten ersetzen - dafür hat sie selbst gesorgt.

Was bliebe, wäre ein konstruktives Misstrauensvotum, aber dafür müssten die Oppositionsparteien ausnahmsweise mal an einem Strang ziehen - dass sie das nicht hinkriegen, zeigen sie heute ein weiteres Mal.

Ich glaube nicht, dass irgendwas dergleichen passieren wird. Ich glaube eher, dass Merkel mit dieser mehr symbolisch zu sehenden Schlappe auf die Art und Weise umgehen wird, von der sie am meisten versteht: Aussitzen.

4 Kommentare:

juwi hat gesagt…

Eine sehr präzise Analyse - hätte ich auch nicht detailierter hinbekommen ;o)

Aber sie auch immer: Ein ganz klitzekleines bischen schadenfroh bin ich doch für die heutige Watsche für die Wespen.

Dr. No hat gesagt…

Ja, schadenfroh bin ich auch. Und wer weiß - vielleicht stellt sich ja heraus, dass aus einer Unmenge an heißer Luft doch noch eine kleine Brise entstehen kann, die Mutti vom Sessel pustet.

Man wird ja noch hoffen dürfen... ;-)

TrackBackImpi hat gesagt…

Dies ist ein total krasser Trackback, der Dich höchstpersönlich in Kenntnis setzt, dass ich Dich auf meinem Blog verlinke. Verdammig nochmal! :)

Dr. No hat gesagt…

Ja, auf manuelle Trackbacks muss ich als blogspot-Opfer auch immer zurückgreifen... ;-)