Boykottieren? Oder nicht? Hat die olympische Idee mehr Gewicht als ein politisches Signal - und wäre ein Boykott überhaupt das richtige Signal? Die Frage, ob man an den Spielen in Peking teilnehmen soll, wird hitzig diskutiert. Keine einfache Frage - die großen Olympia-Boykotte von 1976, 1980 und 1984 hatten immerhin den Kalten Krieg bzw. das südafrikanische Apardheitsregime im Fokus. Würde man China mit einem solchen Schritt nicht zum Antipoden der Weltgemeinschaft erklären?
Schon nach den wenigen Tagen, in denen Tibeter wieder niedergeknüppelt und erschossen sowie etwaige Augenzeugen aus dem Land geworfen werden, ist zumindest eines klar: Die Diskussion um die Olympischen Spiele ist die einzige, die betreffend des Umgangs mit China überhaupt ernsthaft geführt wird. Den Politikern scheint's nur recht zu sein, denn die scheinen das Thema nicht mit der Beißzange anfassen zu wollen. Nehmen wir als Beispiel Außenminister Frank-Walter Steinmeier ("The next Kurti Beck"). Der sagte zum gewaltsamen Vorgehen der chinesischen Truppen: "Wir [die EU] haben appelliert, das Gespräch mit den Repräsentanten der Tibeter zu suchen, um zu einer Beilegung der aktuellen Streitigkeiten zu kommen." Whoo-hooh! Das nenne ich eine volle Breitseite. Ich hätte zu gerne gesehen, wie Hu Jintao schlotternd zu Boden gesackt ist, als ihn diese Aussage erreichte.
Nein, im Ernst: Einen noch weichgespülteren Satz kann ich mir auch aus Politikermund kaum vorstellen. Allerdings muss bei Steinmeiers Zurückhaltung ein gewisses Maß an Ehrlichkeit konstatiert werden, denn mehr als dieser nicht einmal halbherzige Appell wird nicht kommen. Zum einen vermute ich einmal, dass Angela Merkel keinen gesteigerten Wert darauf legt, dass öffentlich erörtert wird, ob der Empfang des Dalai Lama die Eskalation eventuell befördert haben könnte. Und zum anderen: Wer legt sich schon mit dem Reich der Mitte an? Sicher nicht die deutsche Politik, der die Wirtschaft im Nacken sitzt, die in den letzten Jahren unfassbare Beträge in China investiert hat. Und auch nicht der Durchschnittsbürger, der die Bilder aus Lhasa vielleicht schrecklich findet, andererseits aber auch nicht auf DVD-Player für 40 Euro verzichten mag.
Das ist die traurige Realität auf dem diplomatischen Parkett, auch im beginnenden 21. Jahrhundert: Freund ist nicht, wer dieselben Überzeugungen teilt - Freund ist, wer wirtschaftlich oder strategisch etwas zu bieten hat. Da kann Russland noch so viele Tschetschenen auf dem Gewissen haben, die USA noch so viele Angriffskriege führen oder China noch so viele Dissidenten, Uiguren, Tibeter oder wen auch immer massakrieren.
Olympische Idee? Schon die Entscheidung für Peking als Austragungsort war politisch motiviert. Olympia wird schon seit Jahrzehnten politisch instrumentalisiert. Und während sich Sportfunktionäre den Kopf darüber zerbrechen, ob die olympische Fackel durch Tibet getragen werden sollte, frage ich mich: müssen in einem Land, das die Menschenrechte offen mit Füßen tritt, eigentlich erst Spiele stattfinden, bevor öffentlich darüber gesprochen wird? Falls ja, fielen mir eine Menge Städte ein, die als nächste Austragungsorte in Frage kämen.
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