Vorangeprescht sind bei dem Boykott der Boykottfrage natürlich wieder mal die Deutschen, die jetzt klipp und klar gemacht haben, dass sie auf alle Fälle teilnehmen werden und daran erinnerten, dass der Boykott der Spiele in Moskau 1980 auch nichts gebracht habe. Vor einer Woche klang das aus dem Mund von DOSB-Chef Thomas Bach noch so: "Der Boykott wäre der falsche Weg, weil dadurch Gesprächsfäden abgeschnitten würden." Das ist natürlich Unsinn und widerspricht der IOK-Eigeninterpretation: Wenn die Spiele wirklich unpolitisch sind, bilden sie auch keine Gesprächsfäden zur chinesischen Regierung - Gespräche laufen auf dem diplomatischen Weg und nicht auf der 100-Meter-Bahn.
Sinniger ist da das Schlupfloch, das Bach zu Ostern aus dem Ärmel gezaubert hat und mit dem er die moralische Verantwortung den Athleten zuschanzt. In der offiziellen Erklärung zur Teilnahme an den Spielen heißt es:
"Der DOSB bekennt sich zum Prinzip des ,Mündigen Athleten'. Jedem Mitglied der DOSB Olympiamannschaft wird es im Rahmen der Regeln der Olympischen Charta möglich sein, seine Meinung vor, während und nach den Olympischen Spielen frei zu äußern."Dumm nur, dass die Olympische Charta im Abschnitt 51 jedwede politische Agitation untersagt: "No kind of demonstration or political, religous or racial propaganda is permitted in any Olympic sites, venues or other areas." Glückwunsch, Herr Bach, zu diesem raffinierten Trick 17, mit dem der DOSB aus dem Schneider ist. Sie könnten fast Politiker werden.
A propos Politiker. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Peter Rauen (CDU) befürwortete die Teilnahme mit der Begründung, die Spiele in Peking seien "die große Chance, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Ein Boykott der Spiele würde die Lage der Menschenrechte nur verschlechtern." Na, wir alle wissen ja, wie sehr die Olympischen Spiele von 1936 - die von keinem Land boykottiert wurden - dazu beigetragen haben, die Menschenrechtslage im Nazireich nachhaltig zu verbessern: Schließlich wurde bereits 13 Jahre später eine demokratische Verfassung erlassen. Spaß beiseite: Natürlich ist China nicht Hitlerdeutschland - aber die Vorstellung, dass ein vierwöchiges Sportfest eine Diktatur zu dauerhaftem Beachten der Menschenrechte veranlassen könnte, ist schon geradezu rührend naiv.
Fehlt nur noch IOK-Präsident Jacques Rogge, der sagte, ein Boykott würde nur "unschuldige Athleten" treffen. Nun, im Moment werden vor allem unschuldige Tibeter getroffen, und zwar von Knüppeln und Kugeln. Leitet sich daraus nicht ein gewisser, ähm, Handlungsbedarf ab? "Die Spiele müssen in einer friedlichen Atmosphäre stattfinden", legte Rogge jetzt nach, und in dem Punkt können wir beruhigt sein: In Peking wird es im August sowas von friedlich zugehen, dafür werden die Sicherheitskräfte schon sorgen. Und im Zweifelsfall blenden die beteiligten Fernsehsender dann eben hübsche Bilder von Chrysanthemen ein.
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