Dass überall dort, wo journalistische Peinlichkeiten zu Tage treten, das Magazin "Stern" nicht weit ist, dürfte kein Geheimnis sein. Aber auch der Stern entwickelt sich weiter und ist durchaus in der Lage, sich immer wieder selbst zu unterbieten: War schon die große Wikipedia-Geschichte zum Jahresende an Oberflächlichkeit und Undifferenziertheit kaum mehr zu toppen, so hat die "Hells Angels"-Story vom Januar unzweifelhaft den Vogel abgeschossen. Mit etwas Glück handelte es sich beim abgeschossenen Vogel um den des verantwortlichen Redakteurs - dann würde der geschätzten Leserschaft eine derart übelriechende Aneinanderreihung von feuchten Männerphantasien zukünftig erspart bleiben.
Zum Inhalt: Ein Stern-Schreiberling darf eine Zeitlang mit zu Hells Angels-Treffen und sogar den einen oder anderen Rocker interviewen. Damit ist auch die gesamte Quellenlage für diesen Artikel hinreichend beschrieben, denn Außenstehende kommen gar nicht erst zu Wort - etwa Kriminalbeamte, die sicherlich einiges dazu zu sagen hätten, etwa zu den Themen Gewaltverbrechen, Drogen- und Waffenhandel und Prostitution. Nein, Polizisten spielen hier nur die Rolle von Spielverderbern, die offensichtlich auch noch unter schwerer Paranoia leiden müssen, wenn sie den großen Jungs solch böse Taten zutrauen. Um das Thema "Hells Angels und Prostitution" erschöpfend zu erläutern, lässt der Stern-Autor lieber einen der Rocker zu Wort kommen, und heraus kommt sinngemäß so etwas wie "Dem armen Bruder XY wird immer Zuhälterei vorgeworfen, dabei ist er doch nur der Vermieter von Räumlichkeiten". Zum Heulen: Passend zum ältesten Gewerbe der Welt liefert der Stern die wohl älteste Rechtfertigung der Welt.
Ein weiteres Schmuckstück dieser journalistischen Frechheit lautet - aus dem Gedächtnis zitiert - "... und zum Wochenende geht es rauf nach Skandinavien zum Bandenkrieg." Endlich wird's spannend, dachte ich, aber nein: dieser Halbsatz war tatsächlich alles zum Thema Bandenkrieg! Kein Wort davon, dass Hells Angels und Bandidos sich mit Raketen und MPs beschießen, kein Hinweis auf die zahlreichen Todesopfer, nicht eine einzige Silbe darüber, worum es in diesem Krieg überhaupt geht. Aber Halt, das würde ja auch gar nicht funktionieren - denn zu diesem Zeitpunkt ist dem Leser ja schon massiv eingebläut worden, dass die Rocker keineswegs Menschenhandel betreiben, sondern nur spielen wollen, gerne Bier trinken und auf jeden Fall Männer der Ehre sind.
Heraus kommt eine vor Testosteron triefende Leserverarschung, die mit ernstzunehmendem Journalismus so viel zu tun hat wie eine Pressemitteilung von Vattenfall. Der Autor wäre offensichtlich selbst gerne ein Hells Angel, hat aber vermutlich zu wenig Kampfgewicht auf den Rippen und trägt vermutlich auch noch eine Brille. Also blieb ihm nur übrig, seine Männlichkeit über den Umweg dieses erbärmlichen Artikels auszuleben und dabei ist ihm immerhin das Kunststück gelungen, gleichzeitig die Tastatur zu bedienen und sich brüllend auf den Brustkorb zu trommeln. Und das ist ja auch schon was.
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