Im Mittelalter gab es den sogenannten "Zehnt" - eine zehnprozentige Steuer, die von allen an die Kirche gezahlt werden musste, damit die sich davon teure Priestergewänder und goldene Meßbecher kaufen konnte. Diese Abgabe existierte viele Jahrhunderte, bis sie im modernen Zeitalter - ebenso wie die Allmacht der Kirche - etwas unpopulärer geworden ist.
Nun, manche Erfindungen sind zeitlos.
Nicht nur, dass der Geldmarkt schon seit Jahren quasi-religiöse Züge annimmt - mit den Börsen als modernen Kathedralen, Finanzexperten als unfehlbaren Hirten und den Dax-Nachrichten als täglicher Heilsbotschaft zur besten Sendezeit: Jetzt haben die Banker an der Wall Street auch das Prinzip des "Zehnten" wiederentdeckt und stecken sich vom 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Regierung erst einmal 70 Milliarden Dollar in die eigenen Taschen. Vermutlich mit einem amüsierten Grinsen auf dem Gesicht.
Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erkennen, dass damit keine Bank gerettet wird, sondern nur der Lebensstil der Banker. Und das mit Steuergeldern, also unter anderem auch Geldern derjenigen, die sich jeden Tag halbtot schuften, sich trotzdem kein College für ihre Kinder leisten können und nun auch noch Angst haben müssen, wegen der Machenschaften der Wall-Street-Finanzjongleure ihre Stelle zu verlieren.
Ich glaube, etwas derartig Schamloses wie diese Selbstbedienungsorgie mit unübersehbarer Stinkefingergeste in Richtung des Pöbels hätte ich mir niemals ausdenken können. Das Leben denkt sich immer noch die besten Geschichten aus. Bleibt die Frage, wie diese Aktion ankommt bei Menschen, die von den Banken gerade aus ihrem Haus geworfen wurden, aber immer noch ihren Schrank voll Schusswaffen haben.
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