Da es ja offenbar kein anderes Thema von Belang mehr gibt und sogar die Rettung der Welt vor dem Klimawandel vorerst auf den St.-Nimmerleinstag verschoben wurde, um mit den Geldern stattdessen Sozialhilfeleistungen für notleidende Banker zu finanzieren, fühle ich mich geradezu genötigt, doch auch mal was zur Weltwirtschaftskrise - noch hat niemand einen cool klingenden Euphemismus dafür gefunden - zu schreiben. Schließlich blickt vielleicht der eine oder andere nicht mehr so richtig durch.
Mal sehen, ob ich das auf die Reihe kriege.
Eine Reihe von Bankern hat Geschäfte getätigt, die es eigentlich nicht gibt, zu diesem Zweck mit Papieren gehandelt, die anderen gehören, und das alles mit Geld bezahlt, das sie nicht haben. Eigentlich kein Wunder, dass die gesamte Finanzwelt vor die Wand gefahren ist.
Nun kommt Finanzminister Peer Steinbrück und schnürt ein Care-Paket über 32.768 Fantastilliarden Euro. Damit will er die Banken retten. Er hat das Geld aber auch nicht in der Hosentasche, sondern muss es sich leihen. Von den Banken natürlich. Aha. Wenigstens ist schon geklärt, wer's letzlich zurückzahlt, nämlich wir.
Noch viel mehr Gelder, nämlich die Notgroschen auf dem Sparkonto - insgesamt etwa dreieinhalb Kubikhektar Taler - seien "sicher", sagen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück unisono zur Beruhigung des niederen Volkes, auf dass es nicht zur Bank rennt, sein sauer Erspartes abhebt und in einem Strumpf unterm Kopfkissen versteckt. Die Sparguthaben sind offenbar so sicher, dass Merkel und Steinbrück es gar nicht für nötig halten, auch ein entsprechendes Gesetz zur Sicherung zu verabschieden; die simple Ankündigung muss reichen. Wenn also alles zusammenbrechen sollte, will die Regierung die verlorenen Guthaben der Bürger ausgleichen. Mit Steuergeldern selbstredend. Von den Bürgern, die soeben alles verloren haben. Hm.
Um das Ganze noch ein wenig zu verkomplizieren, wollen die Banken nun gar keine Hilfsgelder. Die Landesbanken sind da schmerzfreier; sie sind es gewohnt, mit Steuermitteln aufgepäppelt zu werden. Aber die privaten zieren sich. Und Onkel Steinbrück muss sie jetzt regelrecht dazu zwingen, die Kohle anzunehmen. Ob diese vornehme Zurückhaltung der Geldinstitute unter Umständen wohl daran liegt, dass die Bankmanager ihre Bezüge auf 500.000 Euro reduzieren müssten, wenn sie die Mittel in Anspruch nähmen? Vielleicht haben sie aber auch nur das Interview mit dem ebenso omnipräsenten wie unerträglichen Hans-Werner Sinn gelesen und nun Angst, in Viehwaggons abtransportiert zu werden, wenn sie ihre Glastürme verlassen.
Die Börsen-Berichterstatter von Tagesschau und Heute wissen gar nicht mehr, wie sie in die Kamera gucken sollen. Sie verfügen von Berufs wegen nur über zwei Gesichtsausdrücke, nämlich einem zerknirscht-betroffenen Katastrophenblick und einem selig-bräsigem Erleichterungsgrinsen. Beide kämen derzeit in Frage: Nikkei, Dow Jones und Dax stürzen ab und verzeichnen Rekordgewinne an ein und demselben Tag. Die Kurse von 29 der 30 Dax-Unternehmen befinden sich im freien Fall; der Index selbst klettert dennoch eifrig weiter, weil Aktienhändler VW-Anteile erst in absurde Höhen treiben und anschließend Gegenmaßnahmen fordern - nachdem sich jeder VW-Aktionär, der verkauft hat, über Nacht dumm und dämlich verdient hat. Die Hedgefonds hingegen nicht. Auch mal nett.
Zugegeben: Etwas unübersichtlich und schwer verständlich, das Ganze. Immerhin gibt es einen Namen für dieses seltsame Gebaren: "Casinokapitalismus". Ich finde diese Wortschöpfung ja schön, wenngleich sie auch Augenwischerei ist. Sie suggeriert nämlich, dass es sich bloß um eine Form des Kapitalismus handelt, um eine unnatürliche Abart gar, eine Perversion - aber diese Definition ist irreführend. Denn es ist ganz normaler Kapitalismus. In einem kapitalistischen System werden die Finanzjongleure immer neue Methoden zur Geldvermehrung erfinden, und je länger es gutgeht, desto abgedrehter werden diese Modelle eben. In spätestens 30 Jahren wird es wieder so sein - dann sind "Swap"-Geschäfte und "Cross-Border-Leasing" zwar alte Hüte, aber es gibt sicher was neues.
Dennoch finde ich den Begriff des Casinokapitalismus, wie gesagt, schön, denn er erlaubt treffliche Wortspiele. Denn in einem Casino gewinnt, das weiß jeder Zocker, letztlich immer die Bank.
Es sei denn natürlich, sie wird gesprengt.
2 Kommentare:
Sprengen? Au ja.
Großartiger Artikel. :)
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