Freitag, 28. Mai 2010

Ein bisschen Ruhe und Frieden, bitte

Kann es sein, dass die Vorberichterstattung über den Eurovision Song Contest jedes Jahr weiter ausufert, immer früher beginnt und immer lauter und schriller wird? Es ist ja völlig unmöglich geworden, eine Zeitung aufzuschlagen oder den Fernseher einzuschalten, ohne mit den allerneuesten Neuigkeiten über Lena Meyer-Landruts Schuhe zugedröhnt zu werden. Und was soll eigentlich diese ganze künstlich aufgeblasene nationalistische Hysterie? Es wird ja geradezu so getan, als hänge die Ehre und die Zukunft des Volkes (*schnorch*) davon ab, wie sauber die Dame ihr Liedchen trällert. Begeht man Hochverrat, wenn man sich, wie ich, keinen Fatz dafür interessiert?

Überhaupt gleicht das ganze Theater eher einer Fußball-EM als einem Gesangswettbewerb, inklusive der üblichen metaphysischen Hoffnungsrituale. Vermutlich glauben die ganzen Medienheinis, dass sich die Chancen der deutschen Teilnehmerin irgendwie erhöhen, indem man nur tonnenweise Papier, kilometerweise Band und zig Gigabyte Speicherplatz dafür verbraucht, über selbige zu sinnieren, spekulieren und schwadronieren. Und die in den letzten Wochen industriell erzeugten Fans sind zweifellos überzeugt, dass sie ihr durch möglichst intensives Mitfiebern und dadurch entstehende Gedankenstrahlen Kraft und Mut geben, so wie es Fußballfans schon seit jeher glauben. Ich bezweifele zwar, dass es im Falle eines Sieges beim ESC zu Hupkonzerten und Autokorsos käme, aber ganz sicher bin ich mir da nicht.


Meine Güte, es ist doch bloß Musik - sie gefällt einem oder eben nicht, da muss man doch nicht endlos herumlabern. Das ganze Konzept, Kunst in Ranglisten zu quetschen, ist doch hirnrissig. Und Lenas CDs werden sich trotzdem verkaufen, egal welchen Platz sie am Ende belegt. Natürlich: Wenn sie gewinnt, werden sie sich noch besser verkaufen; was wiederum das Interesse von Stefan Raab an einer möglichst großen Medienpräsenz erklärt, dem wiederum zu diesem Zweck die Sat1Pro7-Maschinerie zur Verfügung steht... ich glaube, ich habe meine Fragen damit selbst beantwortet. Dass andere Medien auf solche Züge mit aufspringen, ist ja mittlerweile ein fest verwurzelter Automatismus.

In ein paar Tagen haben wir's überstanden, dann kehrt hoffentlich ein bisschen medialer Frieden ein. Mir graut allerdings schon vor dem nächsten ESC. Vor allem, wenn die nationale Schmach eintreten sollte, dass Lena Dingenskirchen morgen nicht gewinnt - dann drehen alle Beteiligten 2011 vermutlich noch mehr durch. Vielleicht sollte ich doch mitfiebern, zum Abstimmen ins Ausland fahren und meinen Teil beitragen, um das Schlimmste zu vermeiden.

4 Kommentare:

juliaL49 hat gesagt…

Mjoa, die Welt wird Sonntag wahrscheinlich nicht untergehen, aber es wäre immerhin möglich :)

Ich finde übrigens, dass der Lena-Rausch nicht annähernd so schlimm ist wie vor 12 (?) Jahren bei Guildo. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich damals ein seiner Heimatstadt Trier gewohnt habe und da war wirklich die Hölle los.

Lassen wir uns also überraschen, was passieren wird. Und damit meine ich, dass man - wenn es sich nicht vermeiden lässt - am Sonntag im Radio oder dem allwissenden Internet über das Ergebnis stolpert.

Dr. No hat gesagt…

Naja, egal wie's ausgeht - bis das mediale Trommelfeuer abklingt, wird es wohl bis zum darauffolgenden Sonntag dauern. Verliert sie, sind wieder mal die Osteuropäer schuld, die alle unter einer Decke stecken; gewinnt sie, sind wir alle Lena.

Ich bin mir sicher, dass es sich nicht vermeiden lassen wird, das Ergebnis mitzukriegen - es sei denn, man verbringt den ganzen Tag im Bett. ;-)

ImpiVoyeurSongcontest hat gesagt…

Da Lenas Lächeln und das leicht unbeholfenen Winken ihrer Arme mein Kleinhirn auf eine zutiefst primitive Weise anspricht, kann ich der Empörung hier nichts abgewinnen.

Alles, was dazu führt, dass sie noch die nächsten ... emm ... sechs Monate auf den Bildschirmen präsent ist, begrüße ich!

Dr. No hat gesagt…

Sechs Monate?!? Gibt es heutzutage denn noch TV-Musiker, denen eine so lange Ruhmesphase vergönnt ist? ("... Lena wer?")