Mittwoch, 26. Mai 2010

Wohlstand schaffen mit deutschen Waffen

Zwischendurch mal wieder Lust, den eigenen politisch-historischen Allgemeinbildungsstand zu testen? Da hätte ich was anzubieten. Und zwar folgende Frage: Von welchem deutschen Politiker stammt diese Aussage?
"Meine Einschätzung ist aber, dass wir insgesamt auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe - mit dieser Aussenhandelsorientierung und damit auch Aussenhandelsabhänigkeit - auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren. Zum Beispiel: Freie Handelswege. Zum Beispiel: Ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ, durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."
1. Otto von Bismarck
2. Wilhelm II.
3. Adolf Hitler
4. Horst Köhler

Die richtige Antwort lautet natürlich: 4. Niemand anderes als unser Bundeshorst und derzeitiges Staatsoberhaupt hat diesen Standpunkt, dass Deutschland also auch Kriege führen müsse, um den eigenen Wohlstand zu sichern, im Interview mit deutschlandradio vertreten.

Gut, ich gebe zu: Das war gar nicht so einfach herauszufinden. Schließlich hat deutschlandradio dieses präsidiale Säbelgerassel offenbar schnellstmöglich von seiner Seite entfernt - und die Textfassung auf die, ähem, eher harmloseren Passagen zusammengekürzt. Selbstzensur? Mangelnde Distanz zur Staatsgewalt? Politische Manipulation der Redaktion? Man weiß es nicht, nur eines ist klar: Von der Blödzeitung würde man ja nichts anderes erwarten, aber für einen öffentlich-rechtlichen Sender wäre dieser Vorgang geradezu skandalös.

Update: Ein auf andere Weise zurechtgeschnittes Interview, dass aber immerhin die delikate Passage enthält, wurde im Bereich von deutschlandradio kultur veröffentlicht - warum das Bekenntnis zu kriegerischer Machtpolitik nun gerade als kulturelles Thema gesehen wird, lasse ich mal dahingestellt. Dort findet sich jetzt jedenfalls auch eine korrekte Transkription.


Das kompette Interview (spannend wird's ab 2:30):



Via Lupe.

3 Kommentare:

AntiImpi hat gesagt…

Da wird einem die Checkbuchdiplomatie der Bonner Jahre regelrecht sympathisch.

Aber was soll man sagen: Seit 1989 befindet sich das Land in einer "nationalen Psychose" (Egotronic). Von glücklichen Ossis an der Mauer, über Auslandseinsätze der Bundeswehr, über einen "friedlichen Patriotismus" 2006 bis zur Rede Köhlers führt eine gerade Linie. Und auf ihr gehen die Generationen, die Krieg nicht mehr erlebt haben, ihn aber im Kino und am PC ziemlich cool fanden.

Dr. No hat gesagt…

Ja, so isses. Das wird auch eines meiner nächsten Themen: Die Remilitarisierung einer Gesellschaft.

juwi hat gesagt…

Als ich das Interview das erste Mal las, dachte ich so bei mir: "Ups, ob er sich da wohl verplappert hat? Nachher heißt es wieder, das habe er ja gar nicht so gemeint." Damit hatte ich dann wohl mal wieder recht. Ich glaube nicht, dass ich eine prophetische Ader habe - es sind halt immer wieder die gleichen Rituale.

Ob er sich aber einfach verplappert hat, oder nicht: Die Gedanken müssen ja in seinem Kopf gewesen sein, da wird er es schon so gemeint haben, wie er es gesagt hat. Und das Interwiew stand in direktem Zusammenhang mit seinem Besuch in Afghanistan. Von Piraten hat er nichts gesagt. Die Geschichte wird sein interner Krisenstab ihm angedichtet haben, um die Karre noch irgendwie wieder aus dem Dreck zu ziehen. Ich hoffe, dass alle, die sich in diesen Dreck und in den Sumpf der Kriegslügen begeben, bis über die Ohren darin versinken und stecken bleiben.

Ein Ergebnis der letzten ARD-Deutschlandtrend Umfrage zeigt übrigens, dass weiterhin 70 Prozent der Befragten die Bundeswehr schnellstmöglich aus Afghanistan zurückholen wollen. Köhlers Art und Weise, die deutschen Wirtschafts- und Handelsinteressen zu wahren, wird also offensichtlich von der "Breite der Gesellschaft" nicht akzeptiert. Das ist wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer.