Wohlgemerkt: Die Rhetorik, nicht den Krieg selbst. Zum Teil war diese ja auch mehr als peinlich, etwa wenn das Staatsoberhaupt der einzigen Weltmacht den brutalen Diktator Saddam Hussein als "the guy who tried to kill my dad" bezeichnete (die Amis und ihr Vaterkomplex - eine wohl wirklich unendliche Geschichte). Nun gab er zu, dass Wildwest-Formulierungen wie "tot oder lebendig" wohl auch nicht geeignet waren, ihm einen Platz in den Geschichtsbüchern als Friedensengel zu reservieren. Eine brillante und höchst selbstkritische Schlußfolgerung, die ich Dabbeljuh ohne Hilfe von außen gar nicht zugetraut hätte. Die Angehörigen der rund 650.000 getöteten Iraker vermutlich auch nicht.
Nachdem er also seine unglückliche Wortwahl eingeräumt hatte, ging Bush in dem Gespräch mit Times-Journalisten in eine Art Selbstmitleids-Offensive über. Er sei frustriert, dass seine guten Taten nicht gewürdigt werden und er in Europa eine Art Buhmann sei. Seine Argumentation muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen:
“America is a force for good. America is a force for liberty. America is a force to fight disease. We've got the largest HIV/Aids initiative in the history of the world. We've got a malaria initiative that's saving babies.” (Times)
Yes, and you've got a military initiative that's killing babies, möchte man ihn anbrüllen. Über Bushs esoterische Gut-Böse-Definitionen ist jede Diskussion überflüssig. Inwieweit die USA Freiheit bringen, kann vielleicht Pervez Kambaksch Ibrahimi beantworten, der im "befreiten" Afghanistan in der Todeszelle sitzt, weil er einen islamkritischen Text kopierte. Oder die kleine Ghulam, die einen ungewaschenen alten Sack heiraten musste. Und Kern der Aids-Initiative Bushs ist offenbar das Predigen von Enthaltsamkeit, mit dem Effekt, dass der deutliche Rückgang der Zahl der HIV-Infizierten zur Zeit der Clinton-Administration zum stoppen gebracht wurde und sich nun wieder in langsamen Anstieg befindet.
Und wenn ihm schon hunderttausende tote Iraker am Allerwertesten vorbeigehen - die Angehörigen der US-Soldaten tun das nicht, behauptet er. "I try to meet with as many of the families as I can", so Bush. Für ein zweites Treffen mit der Friedensaktivistin Cindy Sheehan hat es allerdings nicht gereicht, obwohl das für ihn einfach gewesen wäre: schließlich hat sie 2005 nicht weniger als fünf Wochen lang - und seitdem noch mehrere Male - neben Bushs Ranch in Texas, auf der er Urlaub machte, kampiert.
Die zerknirschte Selbstkritik von Bush ist derartig verlogen, dass sie nicht einmal mehr eine Farce ist. Vermutlich wird er ab dem nächten Jahr, wenn er im unverdienten Ruhestand ist, Bücher schreiben (wohl eher: schreiben lassen). Da hat er dann viel Zeit und Raum für weitere Entschuldigungen: für seine Klimapolitik, seine Rüstungspolitik, seine Sozialpolitik, seine Bildungspolitik, seine Gesundheitspolitik . . . aber vermutlich werden seine Elaborate ohnehin nicht besonders textlastig, denn wie er selbst sagte: "Was an Büchern mit am besten ist: Manchmal sind da ganz phantastische Bilder drin."
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