Der Kampf der Titanen, zumindest wenn man es aus einer eher landwirtschaftlich geprägten Perspektive betrachtet, geht offenbar in die Endrunde - der Kampf zwischen Bauern und Industrie um den Milchpreis. 43 Cent fordern die Bauern pro Liter, zwischen 27 und 35 Cent bekommen sie derzeit. Seit einer Woche boykottiert ein Teil der Bauern die Milchlieferungen an die Molkereien - wie viele genau, kann niemand so richtig sagen.
Der Bundesverband der Milchviehhalter mit dem lustigen Kürzel BDM behauptet schon seit Beginn des Lieferstopps, dass die Milch nur noch tröpfchenweise in den Molkereien ankomme, die Supermarktregale bald leer seien und quasi die Ernährung Mitteleuropas gefährdet sei. Die Molkereien hingegen liessen zunächst verlauten, dass der Streik sich so gut wie gar nicht auswirke - nach ein paar Tagen nahmen sie dann doch das Wort "Engpass" in den Mund. Und der Einzelhandel wiegelte ab, die Versorgung mit Joghurt und Magerquark sei natürlich nicht im Mindesten gefährdet.
Jeder erzählte also das, was von ihm erwartet wurde - wie die Liefersituation tatsächlich aussieht, weiß wohl niemand so recht. Dennoch scheinen die Bauern erste Erfolge zu erzielen: Die Industrie hat nun ein Einsehen und kündigt an, Milch künftig "fair handeln" zu wollen, ähnlich wie bei peruanischem Kaffee oder bolivianischem Kakao. Den verarmten deutschen Milchbauern bleibt es unter Umständen also erspart, ihr kärgliches Dasein Panflöte spielend und Strickmützen verkaufend in den Fußgängerzonen fristen zu müssen.
Was allerdings in der ganzen Debatte um hungernde Milchbauern ein wenig untergeht: Der Milchpreis folgte bislang, wie alle anderen Produktpreise auch (außer vielleicht Erdöl und Gas), dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Vereinfacht gesagt: Der hohe Milchpreis im vergangenen Herbst resultierte aus einer erhöhten Nachfrage auf dem Weltmarkt, hat in der Folge zu einer deutlich erhöhten Milchprouktion geführt, was wiederum das Angebot nach oben schraubte, während die Nachfrage aufgrund des hohen Preises gesunken war - also stürzte der Literpreis eben wieder ab. That's Capitalism.
Da Kapitalismus aber keinen Spaß mehr macht, wenn man plötzlich selbst auf der Verliererseite steht, ist der nun ins Spiel gebrachte Preis von 43 Cent tatsächlich als Mindestforderung zu verstehen (höher darf der Milchpreis natürlich jederzeit gerne steigen). Das heißt: Milchbauern, die ja eigentlich Unternehmer sind und vornehmlich konservativ wählen, wollen die marktwirtschaftlichen Spielregeln für sich außer Kraft setzen. Das wirkt bei Lichte betrachtet ein bißchen verlogen. Aber egal - man ist ja schon froh, wenn in diesem Land überhaupt jemand für sein Einkommen kämpft.
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