Ich unterbreche die allgemeine Wohin-mit-meinem-Sparbuch-Panik nur ungern, aber dennoch: Die große Koalition hat es mal wieder geschafft, ein Gesetz heimlich, still und leise zu verabschieden, für das sie in einer gerechteren - oder entspannteren - Welt von den Bürgern zum Teufel gejagt worden wäre: Zukünftig soll die Bundeswehr leichter im Innern eingesetzt werden dürfen. Dazu wird das Grundgesetz entsprechend geändert. Dahinter steckt - man ahnt es bereits - das Innenministerium, obwohl es strenggenommen mit den Streitkräften nichts zu tun haben sollte. Wieder einmal hat Wolfgang Schäuble einen günstigen Zeitpunkt genutzt, um die Militarisierung der Republik voranzutreiben: Die Leute haben anderes im Kopf als verfassungsrechtliche Spitzfindigkeiten. Wenn es einen Aufschrei gegeben haben sollte, habe ich ihn noch nicht vernommen.
Der Mitteilung zufolge sollen Soldaten zur „wirksamen Bekämpfung besonders schwerer Unglücksfälle“ , etwa Naturkatastrophen, herangezogen werden können, wobei auch der "Einsatz militärischer Mittel" möglich sein soll. Das halte ich für eine super Idee: Sturmfluten werden mit Kriegsschiffen und Küstenartillerie in Schach gehalten, Unwetter mit Boden-Luft-Raketen verjagt und Erdbeben mit Bombenteppichen bekämpft - wenn man brennende Ölfelder mit Sprengungen löschen kann, sollte das doch auch funktionieren.
Nein, nein, wiegelt das Ministerium ab: Ein Einsatz der Bundeswehr soll nur im Rahmen der Amtshilfe geschehen, wenn der Polizei die nötige Ausrüstung fehle. Damit könnten indes auch Panzer und Sturmgewehre gemeint sein. Bereits beim G8-Gipfel in Heiligendamm war die Bundeswehr im Rahmen der "Amtshilfe" vor Ort, was bekanntlich dazu führte, dass Jagdbomber der Luftwaffe über die Zelte der Demonstranten hinwegdonnerten. Vielleicht dürfen sie ja demnächst Tränengasraketen abschießen.
Aber halt, fast hätte ich das 08/15-Argument vergessen, mit dem jedes unpopuläre Gesetz letztlich gerechtfertigt wird. SPD-Fraktionschef und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck begründete den Schritt mit der Notwendigkeit zur Abwehr "terroristischer Angriffe von See her". Hmja, zugegeben: Bei allem Gelästere vergesse ich mitunter, wie oft es vorkommt, das Terroristen mit sprengstoffbeladenen Schlauchbooten um die halbe Welt tuckern, um den Ungläubigen einen entscheidenden Schlag zu versetzen, indem sie sich vor den Cuxhavener Fischhallen in die Luft sprengen.
Für die Soldaten würde die Neuregelung eine Verbesserung bedeuten. Jahrzehntelang durften sie nicht außerhalb und auch nicht innerhalb Deutschlands eingesetzt werden, weshalb die Kerle nur auf den Grenzzäunen herumsitzen und sich am Sack kratzen konnten. Nun dürfen sie seit geraumer Zeit draußen spielen gehen - da ist es ja nur konsequent, wenn sie es auch drinnen dürfen. Nur eines verstehe ich jetzt nicht. Laut Ministerium geht es nur um den Einsatz bei Unglücksfällen, der Koalitionspartner spricht aber von Terrorbekämpfung. Gilt ein "möglicher terroristischer Angriff von See her" nun plötzlich als Unglücksfall oder Naturkatastrophe - oder hat Struck sich schlicht verplappert?
4 Kommentare:
Das ist für wenn eine Sturmflut oder ein Tsunami kommt:
Dann werden die nichtausgebildeten Wehrpflichtigen mit ihrer total veralteten Ausrüstung am Ufer aufgestellt und die Welle kollabiert vor Lachen.
Oder sie stellen sich in Reih und Glied ins Watt und dienen als Wellenbrecher - sind ja stahlharte Kerle.
Schön, wenn ihr darüber noch lachen könnt. Mir wird davon speiübel!
Glaub' mir: Auch ich finde die mittlerweile nicht einmal mehr schleichende, sondern ganz unverhohlen vorangetriebene Militarisierung Deutschlands auch zum Kotzen.
Aber Lachen und Empörung schließt sich ja bekanntlich nicht aus - sonst gäbe es auch kein Kabarett.
Kommentar veröffentlichen