Es ist vollbracht: Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg* ist neuer Wirtschaftsminister. Und überall werden Stimmen laut, ob der Mann dafür denn wohl geeignet sei. Alles halb so wild, versucht SPD-Vize Peter Struck Ruhe in die Debatte zu bringen: Der 37-Jährige werde sich "schnell einarbeiten", so der sozialdemokratische Pfeifenkopf, die "wesentlichen wirtschaftlichen Fragen" würden eh "vom Finanzminister bearbeitet werden", also wie bisher. Donnerwetter - offenbar ist der Job also gar nicht so schwer, wie man immer vermutet hat. Und wenn ein gelernter Müller das schafft, warum nicht jemand, dessen Vorfahren einst Müller besaßen? Tatsächlich ist es für die Union vollkommen drittrangig, ob Guttenberg geeignet ist: Er ist CSU-Mann, er ist verfügbar - das reicht.
Man muss sich ja mal von dem Gedanken frei machen, die Besetzung von Ministerposten hätte in erster Linie etwas mit fachlicher Qualifikation zu tun. Glos selbst war schließlich ein schönes Gegenbeispiel, es gibt aber auch andere: Das muntere "Stühlchen wechsel' dich"-Spiel hat auch ohne spektakuläre Rücktritte Tradition. So wechselte Finanzminister Gerhard Stoltenberg1989 im Zuge einer Kabinettsumbildung kurzerhand ins Verteidigungsministerium. Klar, wer mit Geld umgehen kann, kann auch mit Panzern umgehen. Horst Seehofer war unter Kohl erst Staatssekretär im Arbeitsministerium, dann Gesundheitsminister und dann - nach einer Denkpause - Landwirtschaftsminister (to be continued). Hans Matthöfer war nacheinander Forschungs-, dann Finanz- und schließlich Postminister. Selig ist, wer daran glaubt, dass jeder dieser Männer ein Hans Dampf in allen Gassen war.
Aber ich will beim aktuellen Fall bleiben. Das Verfahren ist immer dasselbe: Nach einer Wahl wird in den Koalitionsverhandlungen um die Ministerien gepokert, d. h. das Kabinett wird fein säuberlich zwischen den künftigen Koalitionspartnern aufgeteilt. "Pokern" ist hier ein Euphemismus für "Schachern"; denn das Gezerre um die Pöstchen stelle ich mir in etwa so vor wie eine Handvoll Jungs auf dem Schulhof, die mit Panini-Fußballerbildchen handeln. So kommt es dann etwa dazu, dass das Wirtschaftsressort an die CSU geht.
Kompliziert wird es dann, wenn es personelle Querelen gibt. Denn die CSU bekam das Wirtschaftsressort 2005 nicht zuletzt deswegen, weil Ede Stoiber es übernehmen sollte. Er hatte immerhin die Kompetenz-Kompetenz; bekam dann aber doch Fracksausen, woraufhin ein Parteikollege ranmusste. Superman Seehofer befand sich - man mag es heute kaum glauben - seinerzeit auf dem politischen Abstellgleis; Beckstein kam nicht in Frage - da muss man nicht viel erklären - und alle anderen hingen entweder im Spendensumpf drin oder konnten nicht nach Berlin, da sie ihre Führerscheine wegen Trunkenheit am Steuer abgeben mussten. Also nahm man denjenigen, der verfügbar war: Michi Glos. Der wollte zwar auch nicht, machte es aber trotzdem. Armer Kerl. Hat sich bestimmt mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, Minister zu werden. Wahrscheinlich musste Merkel ihn mit vorgehaltener Waffe dazu zwingen.
Und jetzt dasselbe Spiel von vorn - Amtsinhaber weg, Nachfolger gesucht. Und man sieht: Selbst wenn ein Ministerstuhl einer bestimmten Partei "gehört", heißt das noch lange nicht, dass innerhalb dieser Partei der geeignetste Kandidat ausgewählt wird. Nein, da werden andere Prioritäten gesetzt - schließlich wird in einem halben Jahr gewählt, und man will ja nicht die "guten" Leute verbrennen, zumal das Wirtschaftsministerium dann für die CSU wohl wegfallen wird. Also schickt man Kalle-Theodor ins Rennen, der ist noch jung genug, um auch nach September weiter an seiner politischen Karriere basteln zu können. Es hätte auch das Umwelt-, Verkehrs- oder Verteidigungsministerium sein können, das ist völlig wurscht.
Allerdings: Im Verteidigungsminiisterium möchte ich nun wirklich keinen Adligen haben.
* Der Name "Wilhelm" wurde in diesem Zusammenhang offenbar dazuerfunden - siehe Bildblog.
1 Kommentar:
Ob der neue Wirtschaftsminister nun Adeliger ist oder nicht, ist wirklich ziemlich egal. Aber es stimmt leider, dass Ministerposten ohne jede Rücksicht auf fachliche Kompetenzen vergeben werden. Es kommt nicht darauf an, was ein Amtsinhaber kann oder nicht kann, sondern darauf, was ihm die Öffentlichkeit zutraut. Das ist ärgerlich, aber so sind die Fakten.
Unter http://tonwertkorrekturen.wordpress.com/2009/02/10/auftritt/#more-46 habe ich mich auch mit dem Thema befasst.
Und falls du dich auch für Seehofer interessierst: http://tonwertkorrekturen.wordpress.com/2009/02/15/mutti/#more-108
Godwi
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