Erst pfiffen ihn die Bundesrichter zurück, nun versagte ihm ein Teil des Koalitionspartners die Gefolgschaft - und wenn man das Volk fragen würde, was natürlich niemand tut, so würde es mit überwältigender Mehrheit sagen, wohin Wolfgang Schäuble sich das BKA-Gesetz stecken könne. Das alles ficht ihn aber nicht an: Wenn sein neuestes Überwachungspäckchen im Bundesrat nicht durchkommt, dann müssen eben die Abstimmungsregeln geändert werden - so der jüngste Vorstoß dieses - entschuldigung - gemeingefährlichen Irren.
Enthaltungen sollten demnach nicht mehr mitgezählt werden, schlägt Schäuble vor, da sie faktisch wie eine Ablehnung behandelt würden. "Es müsse geprüft werden, ob diese Praxis dem Verständnis des Bundesrats entspreche", zitiert Spon den Innenminister. Damit könnten Gesetze künftig auch mit weniger als 50% Zustimmung in der Länderkammer abgenickt werden. Nun, sein Vorschlag entspricht nicht meinem Verständnis von demokratischen Entscheidungsinstanzen. Eine Enthaltung ist nun einmal keine Zustimmung, also ist es auch nicht problematisch, dass sie faktisch wie ein "Nein" gewertet wird.
Dieser Vorstoß ist, selbst für Schäubles sonstige Maßstäbe, in seinem Mangel an demokratischer Denkweise beängstigend. Nicht nur, dass der Innenminister nun Neigungen zeigt, verfassungsgemäße Instanzen und Strukturen nach seinen Vorstellungen und zu seinen Gunsten beliebung ändern zu wollen - eine Politik, die man bislang eher von Leuten wie Silvio Berlusconi kannte. Offenbar will er nun auch noch die kleinen Oppositionsparteien, die angesichts der komfortablen Mehrheit der Großen Koalition schon im Bundestag nichts zu melden haben, aus dem restlichen Gesetzgebungsverfahren ausschließen.
Denn welche Länder sind es denn, die sich im Bundesrat enthalten hätten? Diejenigen, in denen - von Sachsen einmal abgesehen - einer der beiden Berliner Großkoalitionäre sich die Macht mit einer der kleineren Parteien teilen muss. FDP, Grüne und Linke lehnen das BKA-Gesetz ab, also stimmen die Bundesländer, in denen sie an der Regierung beteiligt sind, nicht für das Gesetz, sondern enthalten sich - so sieht es jeder normale Koalitionsvertrag vor. Wenn Schäuble nun dieses Abstimmungsverhalten entwerten will, so heißt das letztlich: Nur die Stimmen der Länder, in denen dieselbe Koalition regiert wie in Berlin, sollen zählen. Das Ergebnis ließe sich an zwei Fingern abzählen.
Aber ich lasse Schäubles Allmachtsfantasien jetzt einmal beiseite, denn ich bin nicht der Psychotherapeut, den der Innenminister dringend bräuchte. Stattdessen möchte ich darauf hinweisen, dass es eine einfache Lösung gibt: Wenn eine Koalition in einem Bundesland keine Einigung über eine Gesetzesvorlage des Bundes erzielen kann, dann kann sie im Bundesrat ja nicht bloß per Enthaltung "faktisch wie Nein" stimmen, sondern auch gleich offiziell mit "Nein". Was spräche dagegen?
Damit müsste auch Schäuble zufrieden sein. Schließlich wollte er ja keine Enthaltungen mehr. Und Irren soll man ja bekanntlich immer recht geben.
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