Montag, 26. Januar 2009

Die größten Kritiker der Elche . . .

. . . waren früher bekanntlich selber welche. Und in diesem Sinne meine ich, dass Spiegel Online überhaupt keinen Grund hat, verächtlich auf den Medienhype um das unsägliche Dschungelcamp herabzublicken. Denn Spon nutzt unübersehbar den Mitnahmeeffekt, und so schlecht findet man die Kakerlakenshow dort insgeheim wohl auch gar nicht.

"Wer die Berichterstattung der vergangenen zwei Wochen verfolgt hat, gewinnt den Eindruck, es handele sich bei dem Reality-TV-Format um viel mehr als das, was es dann doch nur ist: quotenstarkes Fernsehen", mokiert sich einer der selbsternannten Spon-Kulturwächter nach dem Ende der jüngsten Staffel.
Dies möchte ich konkretisieren: Wer die Spiegel-Berichterstattung zum Dschungelcamp in den letzten Jahren verfolgt hat, sollte offenbar den Eindruck gewinnen, es handele sich bei der ungezieferlastigen Sendung um mehr als um eine mediale Fäkalgrube - zum Beispiel hier, hier und hier. Mit der ihnen eigenen snobistischen Herablassung haben Spiegel-Autoren ihrer Leserschaft immer wieder einzutrichtern versucht, das Dschungelcamp sei so trashig, dass es eigentlich schon wieder genial sei.

Das ist dem Spon-Schreiberling Jan Freitag dann auch aufgefallen: "Und selbst, tja, Spiegel und Spiegel Online blieben am Ball", übt er sich in zähneknirschender, dafür aber um so scheinheiligerer Selbstkritik. Ja, "am Ball bleiben" ist ein schöner Euphemismus dafür, wenn Spon etwa bei Giulia Siegel nachbohrt, warum sie soviel geheult hat (und sich anschließend naserümpfend über den von RTL aufgezwungenen Seelenstriptease auslässt).

Spiegel: Der Zuschauer hat Sie heulend und am Boden kauernd erlebt ...
Siegel:
... in der letzten Sendung? Ich habe diese Sendung noch nicht gesehen!
Spiegel:
Nicht nur in der letzten Sendung, mindestens in den letzten beiden Sendungen hat man das immer wieder gesehen.
Siegel:
Ich hab' nur in der letzten Sendung gezeigt, welche Schmerzen ich hatte. Davor habe ich das immer verheimlicht.
Spiegel:
Der Zuschauer jedenfalls hat mindestens zwei Folgen mit einer ganz verzweifelten Giulia Siegel gesehen.
Zweifellos eine Sternstunde des Journalismus. Sich dann die erwähnte knappe Messerspitze Asche aufs Haupt zu streuen ist angesichts der erwähnten Beispiele allerdings eine ziemliche Heuchelei.

Na ja, lassen wir das. Spon ist wie jedes andere Onlinemedium zu steigenden Klickzahlen verdammt und fischt daher am trüben Rand dessen, was Harald Schmidt einmal als Unterschichtenfernsehen bezeichnet hat. Dass Spon die Zuschauer, die dem Dschungelcamp zu den hohen Quoten und dem Blatt damit zu einer Flut von Artikeln darüber verhelfen, gleichzeitig verachtet, ist zwar nochmal ein Stück hinterhältiger - aber, wenn wir mal ehrlich sind, irgendwie auch verständlich.

A propos: Ob 25 Jahre Privatfernsehen nun eine dolle Sache sind oder den Untergang des Abendlandes bedeuten, sei mal dahingestellt. Aber dem zahlenden Zuschauer in einer Sendung gleichzeitig Kai Diekmann und Henryk M. Broder zuzumuten, wie es 3Sat neulich gewagt hat: Auf eine derartig unerträgliche Qual kommen wohl doch nur die Öffentlich-Rechtlichen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Diekman/Broder-Sendung war doch lustig. Zumal in der Vorschau nur Broder als Journalist bezeichnet wurde. *g*

Ansonsten denke ich, dass ein gewisser "Snobismus" bei Spon einfach zur Verkausstrategie gehört. Der setzt sich ja quasi durch die komplette Berichterstattung. Ich würde das als eine durchaus sympathische Reserviertheit bezeichnen - auch wenn man dabei natürlich oft genug in Widerspruch zu sich selbst gerät. Aber wer tut das nicht? 8)

Dr. No hat gesagt…

Na ja - in Punkto sympathischer Reserviertheit stimme ich dir grundsätzlich zu, aber dieses Pochen auf die ultimative Deutungshoheit bei Spon hat schon etwas pathologisches. Auf Biegen und Brechen den Leuten erklären zu wollen, warum sie mit ihrer Meinung falsch liegen - Alle finden das Dschungelcamp scheisse, also muss doch etwas positives daran sein: Bei Spon steht in solchen Fällen das Fazit vor der Analyse, scheint mir.

Das erinnert mich an die Reaktion mancher linker Gruppen zum Golfkrieg 2003: Alle sind dagegen, sogar die Regierung - also muss der Krieg doch irgendwie gut sein.