Kuba feierte den 50. Jahrestag der Revolution - offenbar in recht bescheidenem Maßstab - und Raúl Castro beschwört 50 weitere Jahre Sozialismus. Schon wird wild hin und her spekuliert und schwadroniert: Journalisten in aller Welt interpretieren die Feiern als Zeichen dafür, dass das Castro-System wie sein Gründer in den letzten Zügen liegt. Die Wirtschaft sei derart am Boden, dass sich das Regime keine großen Feierlichkeiten mehr leisten könne, behaupten die einen; die geringe Zahl der Teilnehmer an Kundgebungen zeige, dass die Leute des Sozialismus' überdrüssig seien, schreiben andere. Es sei dahingestellt, wer von diesen Schreiberlingen überhaupt schon mal auf der Insel war.
Wohl kein anderes System ist in seiner Geschichte so oft totgesagt worden wie das kubanische - und dass es trotz der vielen Nachrufe wagt, immer noch zu existieren, ärgert Viele. Aber warum eigentlich?
Liegt es daran, dass Kuba die Leute, die sich in den 90er Jahren am vermeintlichen Endsieg des Kapitalismus besoffen haben, daran erinnert, dass der ideologische Gegner von damals doch nicht so tot ist wie behauptet? Der große Börsencrash hat dies zuletzt belegt: "Verstaatlichung" ist plötzlich kein Unwort mehr. Da greifen sich die Leitartikler der Republik erschrocken an ihr Portemonnaie und blicken sich um, ob nicht ein wütender Student im Che-Guevara-Shirt hinter ihnen steht und versucht, es ihnen wegzunehmen. Den Gedanken, dass sie zu einem nicht geringen Teil selber in ihrer Studienzeit Che-Shirts getragen haben, wischen sie gerne beiseite.
Oder liegt es an der staatlichen Repression in Kuba? Kaum vorstellbar, dass dieselben Leute, die den Blutsäufern in Russland und China andauernd in den Allerwertesten kriechen und dort gar nicht mehr rauskommen wollen, sich ernsthaft über die Zahl der auf der Insel inhaftierten Journalisten mokieren - die dort im übrigen nicht als Dissidenten, sondern als Spione betrachtet werden, was angesichts der Fäden, die Exilkubaner in Florida mit Hilfe der CIA seit Jahrzehnten spinnen, nicht unbedingt allzu weit hergeholt sein dürfte. Wer von den politischen Häftlingen auf Kuba spricht, sollte über die "Miami Five" nicht schweigen. Journalist oder Spion, Freiheitskämpfer oder Terrorist, Friedenstruppe oder Besatzungsmacht - das ist letztlich immer eine Frage des Standpunkts.
Vielleicht ist es aber der Befreiungsmythos, vor dem die Westler solche Angst haben. Gerade einmal zwölf von Castros Kämpfern sind nach der Landung auf der Insel den Häschern Batistas entronnen - 25 Monate später stürzten sie den Diktator. Zwölf Menschen entfesseln eine Bewegung, die das herrschende System auf den Kopf stellt - das ist beunruhigend, wenn man sich in einem solchen System etabliert hat. Es ist so viel bequemer, wenn das Volk denkt "Man kann ja eh nüscht ändern, was soll ich kleiner Mann denn schon ausrichten..." - eine deutsche Spezialität.
Keine Frage: Kuba ist ein armes Land. Wirtschaftlich nie so richtig auf die Füße gekommen - wobei die USA sowohl vor als auch nach 1959 eine unrühmliche Rolle gespielt haben -, hing es fast die ganzen letzten 50 Jahre am Tropf anderer Staaten - erst der Sowjetunion, heute des durch Petro-Dollars wohlhabenden Venezuelas. Zwischendurch hat man begonnen, auf die Tourismuskarte zu setzen - mit der Folge, dass seit Jahren westliche Touristen ins Land stömen und für eine Runde Cuba Libre mehr Kohle auf den Tisch legen, als ein durchschnittlicher Kubaner im Monat verdient. Es ist kein Wunder, wenn die Bevölkerung einen Wandel herbeiwünscht. Vom Singen revolutionärer Parolen kann man eben keinen Kühlschrank kaufen.
Aber daraus nun zu schlußfolgern, die Kubaner sehnten Fidels Tod herbei, um sich schnellstmöglich in die bereits geöffneten Arme des Kapitals fallen zu lassen, scheint mir mehr westliches Wunschdenken als gesellschaftliche Analyse zu sein. Manche tun geradezu so, als wäre Kuba vor Castro ein reiches Land gewesen und nicht das korrupte und von US-Konzernen ausgepresste Drittweltland, das von einem Batista mit eiserner Faust regiert wurde. Ich glaube, die kubanische Bevölkerung weiß ganz gut, was am gegenwärtigen System erhaltenswert ist - etwa das Gesundheits- und Bildungssystem - und was sie unter allen Umständen verhindern wollen, nämlich eine Rückkehr zu den Zuständen der 40er und 50er Jahre, als Havanna fest im Griff der Mafia war und Nordamerikaner die Insel als eine Art Riesenbordell angesehen haben. Nein, die meisten Kubaner werden das Ableben Fidels nicht begrüßen, sondern betrauern - er ist und bleibt für sie ein Held; wenn auch einer, der seine Glanzzeit hinter sich hat.
Es wird sich zeigen, was nach den Castros kommt. Ich hoffe, dass das Land in der Umbruchzeit nicht den Weg Russlands geht und am Ende als kaum verkappte rechte Diktatur endet. Ebenso hoffe ich, dass es nicht wieder zu einer Quasi-Kolonie der USA herabgestuft wird. Groß ist meine Hoffnung diesbezüglich aber nicht.
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