Mittwoch, 1. April 2009

Schaffe, schraube, Yächtle baue

Der schwäbische Schrauben-Milliardär Reinhold Würth, übrigens ein überführter Steuerhinterzieher, hat vor wenigen Tagen seine neue Luxusyacht, die schlappe 100 Millionen Euro gekostet hat, in Empfang genommen. Zugleich hat er für einen Teil seiner Angestellten Kurzarbeit angemeldet und dem Rest der Belegschaft die Löhne gekürzt. Frage: Was ist das Außergewöhnliche an dieser Nachricht? Antwort: Nichts.

Erzähl' mir was neues

Denn diese Geschichte ist nur eine weitere in einer endlosen Reihe von Geschichten, die von arrogantem, niederträchtigem und asozialem Geschäftsgebaren künden - und daher ist auch nichts Besonderes mehr daran. Ob nun Pleitebank-Manager ihre Millionenboni einfordern, ein Zumwinkel seine 20-Millionen-Rente einsackt und in seine Raubritterburg verschwindet oder die milliardenschwere Familie Schaeffler nach Staatshilfe schreit - das Maß ist diesen Leuten schon lange abhanden gekommen; von ethischen und moralischen Grundsätzen mal ganz abgesehen. Mit diesen Geschichten verhält es sich ähnlich wie mit den irrsinnigen Milliardenbeträgen, über die die Politik diskutiert: Man hört jeden Tag eine neue, noch dollere Zahl, verliert den Überblick und stumpft ab. Die Hypo Real Estate braucht nochmal zehn Milliarden Euro? Das ist doch gar nicht so viel, oder?

Man ist noch gar nicht fertig damit, wütend auf die Selbstbedienungsorgie in Bank X zu sein, da erfährt man von der Dekadenz von Kapitalist Y. Irgendwann muss einem da doch der Kopf platzen.

Märchenhafte Vermögen und das Märchen vom Risiko

Zweifellos ist rechtlich alles in trockenen Tüchern. Banker haben gültige Verträge, nach denen sie Anspruch auf Bonuszahlungen haben - auch wenn ich als naiver Wirtschaftslaie nicht recht verstehe, warum bei Minusbilanzen überhaupt ein Bonus fällig wird. Und ein Unternehmer kann mit dem Gewinn seines Unternehmen natürlich umgehen, wie er will. Alles rechtlich einwandfrei - aber warum eigentlich?

Unternehmer wie Würth und Schaeffler erwirtschaften märchenhafte Vermögen, solange das Geschäft gut läuft. Wäre es da zuviel verlangt, von ihnen zu erwarten, dass sie - wenn's mal nicht so gut läuft - etwas von diesem Vermögen wieder in ihre Firma stecken? Oder ist das "unternehmerische Risiko", mit dem die sich immer weiter öffnende Einkommensschere gebetsmühlenartig gerechtfertigt wird, eine Einbahnstraße? Denn wo ist dieses Risiko, wenn ich als Unternehmer nicht für Verluste geradestehen muss?

Banker bekommen saftige Extrazahlungen, wenn sie das Vermögen ihrer Bank mehren. Warum bekommen sie die auch dann noch, wenn sie ihre Bank an die Wand fahren? Es geht ja gar nicht darum, dass sie ihr in besseren Zeiten angehäuftes Vermögen abgeben sollen - aber warum sollen sie Millionen dafür erhalten, Milliarden unwiederbringlich verzockt zu haben? Wenn der Geldbote einer Firma mit seinem Koffer voll Bargeld statt zur Bank zum Spielcasino fährt und alles am Roulettetisch verspielt, bekommt er dann auch eine Gehaltserhöhung?

Recht oder gerecht?

Recht hat in diesem Fall wenig mit Gerechtigkeit zu tun. Jeder Kioskbesitzer muss seinen Notgroschen anbrechen, wenn das Geschäft mal nicht mehr so gut läuft, die Miete aber trotzdem gezahlt werden muss. Jeder Hartz-IV-Antragsteller muss erstmal das Geld verleben, das er auf der hohen Kante hat, bevor er irgendeine Unterstützung vom Staat erwarten kann. Wer Schulden hat und pleite geht, muss sich in der Regel einer Zwangsvollstreckung unterwerfen - und damit auch ja kein Euro übersehen wird, muss er einen Offenbarungseid schwören. Da ist es doch vollkommen und absolut unbegreiflich, dass jemand, der mehrere Milliarden besitzt, nicht verpflichtet ist, mit seinem durch das Unternehmen erwirtschafteten Vermögen eben dieses Unternehmen zu stützen. Es ist nicht erklärbar, dass nicht schon längst ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegt.

Wenn etwa Schrauben-Würth seine Yacht zu einer Zeit bestellt hat, als der Rubel noch rollte, mag dies von mir aus so sein. Aber jetzt, wo die Auftragslage einbricht, sollen ausschließlich seine Arbeitnehmer die Zeche zahlen und er sein neues Spielzeug behalten dürfen?

Trägt also der Arbeiter an der Werkbank neuerdings das unternehmerische Risiko? Kurz gesagt: Gewinne wandern in die Taschen der Chefs, Verluste werden aus den Taschen der Beschäftigten bezahlt? Ist das unsere Vorstellung einer vernünftigen Wirtschaftsordnung?

Offenbar, wenn ich mir neuere Umfragewerte der FDP anschaue. Na dann, greift schon mal in die Taschen.

3 Kommentare:

juwi hat gesagt…

Wenn ich mal so die Tarifverhandlungen und Ergebnisse der letzten Jahre Revue passieren lasse, dann trägt der Arbeiter an der Werkbank das unternehmerische Risiko schon lange.

Mit einer in der Gesellschaft verwurzelten Vorstellung von einer vernünftigen Wirtschaftsordnung hat das alles jedoch herzlich wenig zu tun ... - eher schon mit Neokapitalismus der finstersten Art. Zu Anfang der Industriealisierung hatten ähnliche Verhaltensweisen der Arbeitgeber in Europa einmal zum "Maschinensturm" der geführt.

Dr. No hat gesagt…

Das stimmt natürlich... aber diese völlig offen zur Schau gestellte unverschämte Niedertracht einer Schaeffler oder eines Würth hätten sich die Kapitalisten mMn noch in den 80er Jahren wohl kaum leisten können, ohne massive Proteste oder Streiks zu riskieren. Heute ist so etwas oft nur noch eine Meldung auf Seite vier wert.

Anonym hat gesagt…

Man kann das auch positiv sehen: Wenigstens das Yachtbaugewerbe braucht noch keinen Schutzschirm.
Nicht, dass ich Zweifel hätte, dass es ihn kriegen würde, wenn es nur laut genug schriee.