Na, ihr Spiegel-Vorzeigejournalisten, das war ja wohl nix: Wild habt ihr zu Wochenbeginn über die Gründe für Lafontaines Rückzug von der Parteispitze spekuliert, gar genüsslich erotische Verwicklungen ins Feld geführt - und nun hat der Mann keine Affäre, sondern Krebs; er muss sich operieren lassen und weiß nicht, ob er gesund genug aus der Sache herauskommen wird, um weiterhin mitmischen zu können. Ich hoffe, ihr habt euch wenigstens ein bißchen dafür geschämt. Gelesen habe ich diesbezüglich allerdings nichts.
Was habt ihr auf die Pauke gehauen: Eine Irreführung seiner Anhänger sei dies gewesen (als ob sich der Spiegel plötzlich um das Wohlergehen ausgerechnet der linken Basis sorgen würde), ja sogar eine Täuschung der Wähler: die in seinem Fall natürlich per se viel, viel unlauterer gewesen sein muss als die schon jetzt gebrochenen Wahlversprechen der Wespenkoalition. "Lafontaines großer Bluff" habt ihr getitelt und dem Leser damit ein absichtliches und geplantes Vorgehen suggeriert.
Besonders schön ist aber das Gerücht, auf das ihr euch gestürzt habt wie die Aasgeier - und wie ihr, um nicht offen als solche erkannt zu werden, zunächst eine Phrase zum journalistischen Ethos abgesondert habt, nur um selbiges im nächsten Satz beiseite zu schieben:
"Es ist eine Geschichte, in der es um die Privatsphäre von drei Politikern geht, und die ist normalerweise für die Öffentlichkeit tabu. Doch in diesem Fall muss sie erzählt werden, weil hier das Private höchst politische Folgen hat. Es geht um Lafontaine, um seine Ehefrau Christa Müller, die auch familienpolitische Sprecherin der Saar-Linken ist, und es geht um Sahra Wagenknecht ... . Lafontaine und Wagenknecht, so heißt es, seien sich in der Vergangenheit nicht nur inhaltlich nahegekommen. Von einer Affäre ist die Rede, von einer Beziehung mit konkreten Folgen für die Politik." (Quelle)
Ja, da stand er euch wohl so richtig hoch, der redaktionelle Schniedel. Man beachte den wiederholten Hinweis auf die enormen "Folgen für die Politik", die es hat, wenn Linke-Politiker A mit Linke-Politikerin B ins Bett geht - unschwer zu erkennen, dass euch dies lediglich als Alibi dafür dient, diese feuchten Journalistenträume zum Politik-Aufmacher zu befördern. Und ihr habt euch seinerzeit darüber aufgeregt, wie die Clinton-Lewinsky-Affäre in den USA ausgewalzt wurde - laßt es euch kurz von mir erklären: Diese Geschichte musste erzählt werden, weil hier das Private höchst politische Folgen hatte. Oder etwa nicht, wenn gegen den mächtigsten Mann der Welt ein Amtsenthebungsverfahren droht?
Ich hoffe, ihr habt wenigstens den Anstand, die neueste Hetzjagd jetzt einfach mal abzublasen. Der Mann ist schwer krank. Und bis er genesen ist, könnt ihr euch ja vielleicht mal ein bißchen über die Begriffe "privat" und "politisch" nachdenken.
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