Also: Rund 200 Fußballspiele stehen in Verdacht, geschoben worden zu sein, die Fans schreien Zeter und Mordio, die Medien bepflastern ihre Titelseiten mit dem Wettskandal - und wie reagiert DFB-Präsident Theo Zwanziger darauf? Mit den Worten: "Ich verstehe die ganze Aufregung nicht." Ehrlich gesagt: Ich auch nicht.
Hat denn irgend jemand tatsächlich geglaubt, dass es in diesem zig-Milliarden-Euro-Geschäft keine Leute gibt, die mit allen - also auch illegalen - Mitteln versuchen, viel Geld zu machen? Und denkt jemand allen Ernstes, dass der Fußballer an sich nicht käuflich sei? Vor allem in den unteren Ligen, in denen er nicht so furchtbar viel verdient und die daher nicht zufällig im Focus der Betrüger standen? Wer so naiv ist, denkt auch, Politiker seien reine Idealisten und für materielle Einflussnahme unempfänglich.
Nein, im Profisport wird natürlich ebenso bestochen, geschmiert und gekauft wie in der ganz normalen Wirtschaft und in der Politik. Der einzige Unterschied ist: In diesen beiden Bereichen wird so etwas von den meisten Menschen achselzuckend hingenommen. Da erwartet man ja auch gar nichts anderes, bei "denen da oben", und der kleine Mann kann ja eh nichts ändern usw. blahblah.
Aber im Fußball liegt die Sache bekanntlich anders: Hier haut jede Unfairness sofort in Herz und Magen des unbedarften Fans. Ich wünschte mir, die Leute würden sich so sehr darüber aufregen, dass jemand wie 100.000-Mark-Schäuble immer noch am Lenkrad des Staates mitdreht, wie sie sich darüber echauffieren, dass das 1:1 zwischen TSV Hintertupingen gegen DSC Pusemuckel möglicherweise geschoben worden sein könnte.
Aber natürlich geht es auch dem Fan nicht allein um den Schmerz der emotionalen Enttäuschung, sondern auch um sein Geld, das er ins Wettbüro oder die Toto-Annahmestelle schleppt - in der Hoffnung, dass allein die sportlichen Umstände über Sieg und Niederlage und damit über seinen möglichen Gewinn oder Verlust entscheiden. "Es kann doch nicht sein", denkt er aus der sicheren Position des moralisch gefestigten Bürgers, der höchstens mal unberechtigterweise einen Behindertenparkplatz blockiert, "dass es im Fußball nicht mit rechten Dingen zugeht! Das wäre ja so, als wenn ... nun ... als wenn das Geld, das ich zur Bank bringe, nicht im Tresor gelagert, sondern für irgendwelche unlauteren Dinge verwendet würde - so was wie Leute aus ihren Häusern schmeißen oder Drittweltstaaten in den Ruin treiben oder so."
Die Fußballwelt scheint mir einmal mehr ziemlich abgekoppelt zu sein von der wirklichen Welt, eine Art Matrix, in der sich die Leute schlicht anders verhalten, anders denken und anders fühlen und nicht wissen oder wissen wollen, wie eigentlich die Realität aussieht. Jeden Samstagnachmittag schlucken sie brav die blaue Pille, und nun hat jemand ihnen eine rote untergejubelt. Deshalb das Geschrei und die ganze Aufregung: Die Leute ahnen, dass es den Löffel gar nicht gibt.
2 Kommentare:
Bin derselben Meinung. Dein Artikel hat mir sehr gut gefallen. Danke für das schöne Posting!
Ebenfalls danke für den schönen Spamkommentar. Hast dir ja richtig Mühe gegeben.
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