Bereits vor einem Jahr mokierte ich mich zu eben dieser Zeit über die offenbar immer früher angesetzten Jahresrückblicke. In ihrem Wahn, der Konkurrenz immer mindestens einen Tag voraus zu sein, beglückten uns Kerner und Sat1 in diesem Jahr bereits am vierten Dezember mit dem Best of 2009, in der Hoffnung, dass bis Silvester nicht noch ein wichtiger Promi oder hundert Afghanen ins Gras beissen. Es reicht ja schon, wenn die, die bereits verblichen sind, in den nächsten 24 Tagen noch einmal tausend Tode sterben - in Zeitungen, Onlineseiten und TV-Shows.
Und so werden wir in den kommenden drei Wochen wieder und wieder Zeuge werden, wie Enke sich das Leben nimmt, Lambsdorff den Krückstock abgibt und Jacko wahlweise von seinem Arzt ermordet oder von Außerirdischen entführt wird. Wir werden davon in Kenntnis gesetzt werden, dass wir uns immer noch in einer Wirtschaftskrise befinden, dass in Winnenden immer noch Fassungslosigkeit herrscht und in Nachterstedt wie auch im Bundeshaushalt immer noch riesige Löcher klaffen; wir werden an diverse Wahlen erinnert, an deren Ergebnis wir eigentlich gar nicht erinnert werden wollen - und schließlich wird auf die Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum zurückgeblickt: Der Rückblick auf den Rückblick als höchste Formvollendung dieses Genres.
Eigentlich kein Wunder, dass die Redaktionen schon so früh so weit sind: Die Rückblicke werden im Wesentlichen aus Bildern einer grinsenden oder betroffen dreinblickenden Kanzlerin, einer x-beliebigen Autofabrik, auf dem Wasser treibenden Flugzeugtrümmern, Menschen in Kaufhäusern und vorrückenden Soldaten am Hindukush bestehen - wie der im Jahr davor. Und im Jahr davor. Und ...
Aber seien wir pragmatisch und genießen wir, dass es zwischen den ganzen Jahresrückblicken überhaupt noch ein anderes Programm gibt. Denn im nächsten Jahr kommen wir nicht so einfach davon: Da muss schließlich auf das ganze Jahrzehnt zurückgeblickt werden, mit Twin Towers, Schröder-Runde und Sommermärchen.*
Ich vermute, die ersten Sender werden damit bereits im März anfangen.
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* Was sie Süddeutsche unter Ignoranz mathematischer wie sprachlicher Grundsätze ("Die Nullerjahre") bereits jetzt macht.
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