Ja, ich gebe zu: Mein Beifall zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama war angesichts der geplanten Ausweitung des Afghanistankrieges vielleicht etwas verfrüht. Grundsätzlich kann ich nach wie vor zu dem stehen, was ich vor zwei Monaten geschrieben habe; ich verstehe aber auch die massiven Zweifel, die viele an dieser Entscheidung hegen. Nur eines verstehe ich nicht: Den heutigen Kommentar dazu auf Spon.
Zwar kann ich dem Grundtenor des Artikels folgen und größtenteils auch zustimmen. Aber was Gabor Steingart geritten hat, ausgerechnet Wladimir Putin als geeigneteren Preisträger anzusehen, kann ich auch unter Auferbietung all meiner Fantasie nicht erklären. Reden wir hier von demselben Putin, der Tschetschenien ins Paläolithikum zurückgebombt hat? Der in der angespannten Lage im Kaukasus kurz vor Ausbruch des Georgien-Krieges, nun ja, auch nicht gerade deeskalierend gewirkt hat? Und der bei jeder sich bietender Gelegenheit mit dem Säbel rasselt und noch vor kurzem eine massive Aufrüstung der russischen Streitkräfte angekündigt hat? Meinte Herr Steingart etwa diesen Putin? Oder gibt es noch einen anderen, einen Friedensaktivisten gar, der zufällig genauso heißt?
Aber nein, Steingart erklärt es ja: Putin, Gerhard Schröder und Jacques Chirac hätten den Preis verdient, weil sie sich 2003 der US-Kriegstreiberei im Hinblick auf den Irak verweigert haben. Nun, das war sicherlich nicht die schlechteste Entscheidung, die die drei im Laufe ihrer Karrieren getroffen hatten - aber auch nur eine Entscheidung unter vielen. Nicht nur, dass es höchst naiv wäre, Friedensliebe als tragendes Handlungsmotiv für Putins Anti-US-Position anzunehmen - auch Schröder hat bekanntlich noch mehr getan, nämlich Deutschland zum ersten Mal nach 1945 wieder in einen Krieg geführt, und zwar 1999 in den Kosovo. Und 2001 beeilte er sich bekanntlich, Bush seine "uneingeschränkte Loyalität" zu versichern, weshalb wir heute noch Truppen in Afghanistan und Kriegsschiffe im Indischen Ozean haben.*
Ich hoffe ja, dass es sich bei dem Kommentar lediglich um eine verunglückte Überspitzung des Themas mit schlecht erkennbarer Pointe handelt. Denn ein solches Maß an politischer und zeitgeschichtlicher Kurzsichtigkeit mag ich mir bei dem Autor kaum vorstellen.
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* Zumindest die, die im Rahmen von "Enduring Freedom" dort stationiert sind, was man vom Anti-Piraten-Einsatz "Atalanta" unterscheiden muss. Auch wenn es die Regierungen mit dieser Unterscheidung nicht ganz so ernst nehmen.
1 Kommentar:
Ich will mehr Putin-Nacktbilder bei Dr. No!
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