Mittwoch, 29. April 2009

Es ist noch kein Schwein vom Himmel gefallen

Nun ist es also die Schweinegrippe. Nachdem nacheinander Ebola, Geflügelpest, BSE und Vogelgrippe nicht die an sie gestellten Erwartungen erfüllten - nämlich die Weltbevölkerung entscheidend zu dezimieren - müssen nun die mexikanischen Krankheitserreger ran und ihre Pflicht tun: nämlich die Medienmaschinerie zu füttern; die Menschheit in Angst und Schrecken zu versetzen (was im Prinzip dasselbe ist) und vor allem die Kassen der Pharmaindustie zu füllen. Denn vom Verkaufsschlager "Tamiflu" sind sicherlich noch einige Tonnen auf Lager.

Das hat schließlich schon mal funktioniert: Kaum fiel irgendwo ein totes Federvieh aus den Wolken, rannten Tausende Zeitungsleser verängstigt zu ihren Ärzten und in die Apotheken. Die Regierenden nutzten die Gelegenheit, sich als Retter des Volkes vor dem viralen Armageddon aufzuspielen und kauften waggonweise Grippemedikamente. Dummerweise spielte das Vogelgrippevirus nicht mit: Es hörte mangels Massensterbens mir nichts, dir nichts einfach auf, bedrohlich zu wirken; und die Leute verloren ihren Schrecken vor dem drohenden Tod durch Lungeauskotzen - sei es, weil der Adrenalinspiegel wieder auf ein normales Niveau absackte, sei es aufgrund normaler medialer Ermüdungserscheinungen. Also muss was Neues her! Und H1N1, das klingt ja auch schon viel gefährlicher als H5N1. H1 klingt nach First-Class-Bedrohung; H5 irgendwie nach "bloß irgend so'ne Viren-Abart".

Nicht falsch verstehen: Wenn mehrere Menschen binnen weniger Tage an einem Virus sterben, ist das nichts, was ich kleinreden oder worüber ich mich lustig machen will. Aber jedes Jahr sterben nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts bis zu 15.000 Menschen an einer Grippeerkrankung - allein in Deutschland. Ganz normale Grippe, wohlgemerkt. Dennoch: Die Hysterie wird einmal mehr geschürt. Die Zahl der Infizierten und der Opfer wurde im Stundentakt nach oben geschraubt, bis hin zu mehr als 150 Toten - jetzt sind es plötzlich nur noch sieben. Düstere Vergleiche zur Spanischen Grippe 1918 wurden gezogen, in vollkommener historischer Unbedarftheit selbstverständlich. Und obwohl bislang noch kein totes Schwein aus dem Himmel auf eine südoldenburgische Weide geknallt ist, warnten alle möglichen selbsternannten Experten vor einer weltweiten Pandemie mit zig Trilliarden Toten - die drei einsamen Infizierten in Deutschland sind nach ihrer ärztlichen Behandlung indes allesamt bereits auf dem Weg der Besserung. Die Opfer in Mexiko dürften, damit lehnt man sich sicherlich nicht allzu weit aus dem Fenster, nicht zuletzt den hygienischen und medizinischen Rahmenbedingungen des 20-Millionen-Molochs Mexiko-City geschuldet sein.

Die Nutznießer der fleißig geschürten Seuchenpanik sind einmal mehr die üblichen Verdächtigen: Die Gesundheitsindustrie verdient Geld, die Presse muss sich ein paar Tage lang keine Gedanken um den Aufmacher machen - und die Politik kann sich wieder mal als Krisenmanager aufspielen. Praktisch, so kurz vor der Wahl.

Nur wie lange diese regelmäßig neu aufgelegte Böse-Seuche-Tour noch zieht, möchte ich mal wissen. Allmählich gehen den Initiatoren nämlich die griffigen Bezeichnungen aus: Rinderwahn, Schweinepest, Geflügelpest, Vogel- und jetzt Schweinegrippe - man wiederholt sich bisweilen. Was kommt als nächstes und klingt dabei neu und unverbraucht? Katzenschnupfen? Meerschweinchenfieber? Pferdedünnschiss? Man darf gespannt sein.

1 Kommentar:

juliaL49 hat gesagt…

Wohl wahr, wohl wahr! Und auch wenn die WHO die Stufe auf 6 hochsetzt, sollte man noch nicht in Panik verfallen. Die "Witze" fangen langsam an zu nerven, aber ansonsten spüren wohl 99% noch keine Auswirkungen und sollten entsprechend handeln!