Es ist nicht verwunderlich, dass es am heutigen Wahlsonntag wieder einmal nur Sieger gibt, trotz der höchst unterschiedlichen und teils überraschenden Ergebnisse. Schließlich werden Partei-Generalsekretäre für genau solche Aussagen gebraucht. Aber was fängt ein geistig normaler Bürger nun mit den Ergebnissen aus Sachsen, Thüringen und dem Saarland an? Meiner Meinung nach kann er den Strick bzw. die Schlaftabletten oder auch die geladene Pistole vorerst wieder zurück in die Schublade legen - der heutige Tag hätte weitaus Schlimmeres bereithalten können.
So bieten die "Analysen" der jeweiligen Parteispitzen durchaus humoristischen Wert: Die Union freut sich, dass sie immer noch in allen drei Ländern die stärkste Fraktion stellt; die SPD freut sich über die Verluste der CDU, die weitaus massiver ausgefallen sind als ihre eigenen; und die anderen drei Parlamentsparteien freuen sich sowieso. Und auch ich freue mich: Zum Beispiel darüber, dass die Springer-Presse es trotz ihrer ebenso aggressiven wie schmalzig-menschelnden Althaus-Propaganda nicht geschafft hat, den Thüringern ihre Hirne vollends zu vernebeln. Minus zehn bis elf Prozent: Der Mann dürfte erledigt sein. Nichts persönliches, aber politisch wäre das eine mehr als gerechte Strafe für das egozentrische Ausschlachten eines von ihm verschuldeten Todesfalls.
Schon wird in Thüringen wie auch im Saarland über rot-rot-grüne Bündnisse spekuliert. Und warum auch nicht? Die jahrzehntealte "Rote-Socken"-Kampagne wie auch die "Schmuddelkinder"- Berichterstattung sind längst ermüdend geworden. Natürlich ist das Traumergebnis der saarländischen Linken der Person Oskar Lafontaine geschuldet und kann demzufolge nicht Maßstab für andere West-Bundesländer sein. Dennoch zeigt sich nach Bremen und Hessen erneut deutlich: Die Linke ist auch im Westen eine etablierte politische Kraft, das können auch die reaktionärsten Chefredakteure nicht mehr wegleugnen.
Schon ist die Rede von nur noch zwei konkurrierenden politischen Lagern, nicht mehr von quasi dreien, da die Linke bislang ja immer außen vor gelassen wurde. Vermutlich werden morgen die Pofallas und Westerwelles dieser Welt wieder geifern und spucken, wenn ihnen nicht vorher der Kopf wegplatzt, aber heute - heute nehme ich mir heraus, wieder etwas optimistischer in die Zukunft zu blicken. Vielleicht ist eine schwarz-gelbe Atomwiedereinstiegs-von-unten-nach-oben-verteil-Überwachungsstaats-Regierung am 27. September ja doch kein unvermeidbares Schicksal. Zwar wäre es vermessen, von einem Hoffnungsschimmer zu sprechen, auch das "Licht am Ende des Tunnels" wäre noch ein zu großer Euphemismus - aber immerhin sieht man ein Glühwürmchen in der bundespolitischen Finsternis umherschwirren.
Aber natürlich gibt es auch Anlass zur Sorge. Zum Beispiel der fortschreitende Realitätsverlust bei den Sozialdemokraten, die in Thüringen in einer etwaigen rot-rot-grünen Koalition auf jeden Fall den Ministerpräsidenten stellen wollen, obwohl sie rund acht Prozentpunkte hinter der Linken liegen. Geht's noch? Liebe Genossen: Der Umstand, dass die stärkste Fraktion normalerweise den Regierungschef stellt, ist keine verstaubte großväterliche Tradition - das hat auch was mit dem Wählermandat zu tun. Findet ihr euer Ansinnen nicht ein wenig, nun ja, vermessen? Oder, um das Kind mal beim Namen zu nennen: Größenwahnsinnig? Kriegt euch mal ein und seid froh, wenn ihr überhaupt mal wieder irgendwo mitregieren dürft.
Und warum, zum Henker, laufen die Leute jetzt zur FDP? Ausgerechnet zu den Predigern des Neoliberalismus, die doch wie keine zweite Partei für das Wirtschaftssystem stehen, das jetzt mit hundertzwanzig Sachen vor die Wand gebrettert ist? Zu den besserverdienenden Schlipsträgern aus gutem Hause, die sofort "Deregulierung" quaken, wenn man ihnen am Ohr zieht? Den niederträchtigen Schmierlappen, die mit dem Motto "Arbeit muss sich wieder lohnen" hausieren gehen, den arbeitenden Massen aber keinen menschenwürdigen Mindestlohn gönnen? Die in den letzten Wahlkämpfen auf jede greifbare inhaltliche Aussage verzichtet haben?
Vermutlich genau deswegen. Und vielleicht profitiert die Partei der Bonzen und derer, die es werden wollen, vom Guttenberg-Bonus: Immerhin der beliebteste Politiker nach Merkel, und dass er eigentlich bei der CSU ist, wissen wohl nur die wenigsten - er sieht zu sehr nach FDP-Bubi aus.
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