Als unlängst alle wesentlichen Medien über Silvio Berlusconis Vorliebe für Frauen berichteten, die - rein technisch betrachtet - seine Enkelinnen sein könnten und viel besser aussehen als er, sowie über den Umstand, dass seine verklemmte Sexualität Einfluss auf die Besetzung von offiziellen Regierungsposten hat, wollte ich eigentlich etwas dazu bloggen. Heute bin ich froh, dass ich es nicht getan habe.
Ich wollte etwas dazu schreiben, mit welch unglaublich machohafter Arroganz führende Medien über Mara Carfagna berichteten. Sie erinnern sich: Das ist die Gleichstellungsministerin in der italienischen Regierung, 33 Jahre jung und ehemaliges Fotomodell. Sie hat mitunter auch für Aktfotos posiert und dadurch wohl auch einen Großteil ihrer Berühmtheit - und Berlusconis Aufmerksamkeit - erlangt. Und alle, alle machten sich darüber lustig: Ein Nacktmodell als Ministerin! Hahahahaha! Was für eine kranke Idee! Darauf kommen auch nur diese triebgesteuerten Italiener!
Ich wollte darüber schreiben, wie sehr mich diese Art der gehässigen, testosterongesteuerten Lästerei angekotzt hat. Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass ich es - ganz abgesehen davon, dass ich Berlusconi nicht nur für einen Verbrecher, sondern auch für einen Idioten halte - für eine Unverschämtheit halte, Signora Carfagna einfach so jede Eignung als Gleichstellungsministerin abzusprechen, weil sie sich irgendwann einmal für Fotos ausgezogen hat. Als ob es völlig ausgeschlossen sei, dass eine Frau, die eine Figur hat, bei der Männer zu sabbern anfangen (was viel über den Intellekt der betreffenden Männer aussagt), gleichzeitig auch über das intellektuelle Potenzial verfügen könnte, ein solches Amt zu bekleiden. Kurz: Es machte mich wütend, dass ausgebildete Journalisten - und zwar nicht nur aus der Regenbogenpresse - so denken, wie man es sonst Maurern und Straßenbauarbeitern immer zuschreibt: Dass nämlich schöne Frauen offenbar naturgemäß dumm sein müssen.
Ich wollte einräumen, dass ich die Dame natürlich nicht persönlich kenne; mag sein, dass sie wirklich nicht die tiefen Teller erfunden hat und von "Il Cavaliere" wegen ihrer Oberweite zur Ministerin ernannt wurde - aber sicher hat sich niemand der Schreiberlinge, die ihre Spottnäpfe über der Frau ausgekippt haben, die Mühe gemacht, nachzurecherchieren, ob Carfagna ihren Job vielleicht sogar ganz gut macht. Aber das würde ja die schöne Häme aus dem Artikel eliminieren. Titten und Politik - das reicht offenbar als Aufhänger.
Ich wollte anprangern, dass mit genau dieser Einstellung uralte festgelegte Rollenschemata zementiert werden. Dass die Herren (!) Redakteure, getrieben von ihren Herren (!!) Chefredakteuren, ihren Lesern mit solchen schmierlappigen Kommentaren immer wieder meinen eintrichtern zu müssen, dass eine 33-jährige hübsche Frau eine ausgemachte Hohlbirne und mithin ungeeignet sein müsse, irgendeine politische Aufgabe zu erfüllen; ein smart aussehender 37-jähriger Jungadliger allerdings natürlich per se als sowas von scharfsinnig und politisch integer gilt, dass man ihn schon mal zum Kanzler in spe ernennt. Oder nehmen wir Schwarzenegger, dessen frühere Karriere dem Bereich der Nacktbilder ziemlich nahe kommt - Zweifel an seiner Regierungskompetenz liest man so gut wie nie, und wenn, dann sind diese themengebunden - aber er wird nicht auf seinen Körper reduziert.
All das wollte ich vor ein paar Wochen schreiben, bin aber nicht dazu gekommen. Und heute bin ich froh, dass ich mir meine Brandrede zum Thema "Ehemalige Nacktmodelle können sehr wohl brauchbare Politikerinnen abgeben!" gespart habe.
Denn heute habe ich das Spon-Interview mit Kader Loth gelesen.
Und muss meine "Nacktmodell-Politik"-Theorie noch einmal überdenken.
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