Was in Computerspielen wie "Fallout" immer sehr praktisch war - die Spielfigur konnte eine etwaige radioaktive Verstrahlung durch ein Medikament heilen -, soll es laut eines Spon-Berichtes bald auch in der Realität geben: Die Spritze gegen den Strahlentod. Falls das wirklich funktionieren sollte, ergäben sich daraus derart grauenhafte und deprimierende Szenarios, dass ich heute wohl früher mit dem Saufen anfangen muss.
Ich rede hier nicht von der begrüßenswerten Möglichkeit, dass Krebspatienten mit dem Medikament eine Strahlenbehandlung besser wegstecken könnten - das wäre tatsächlich ein kleiner Fortschritt. Ich rede auch nicht von einer dadurch womöglich erhöhten Bereitschaft zu einem Atomkrieg zwischen Großmächten, denn die Spritze hilft nicht den Hunderttausenden, die in der ersten Sekunde nach der Detonation gegrillt werden. Und ich rede auch nicht von den angeblichen "schmutzigen Bomben", die Militärs sogleich als Argument vorschieben, um weitere Forschungen in diesem Bereich zu unterstützen - bislang scheint keine Terrorgruppe auch nur theoretisch dazu in der Lage zu sein, so eine Bombe zu entwickeln oder gar einzusetzen.
Nein, ich rede eher davon, dass die Atomlobby sich die Hände reiben wird, weil den Atomenergie-Gegnern ihr wichtigstes Argument entwertet wird. "Unsere Kraftwerke sind sicher", wird es von der Viererbande Vattenfall, Eon, EnBW und RWE heißen, "und für den völlig unrealistischen Fall, dass doch etwas passieren sollte, so rein hypothetisch betrachtet - dafür gibt es doch immerhin diese Spritzen!" Und hastdunichtgesehen wird die deutsche Regierung den Atomausstieg rückgängig machen, sofort 50 Millionen Dosen des Medikaments kaufen und sich darum streiten, wer die Injektionen bekommen soll und wer sie bezahlt.
Außerdem befürchte ich die Auswirkungen auf die ganz normale Kriegführung im Rahmen von Operationen wie "Enduring Freedom". Die Hemmschwelle zum Einsatz nuklearer Waffen wurde bereits von der Bush-Administration eingerissen: Die ließ sogenannte "Mini-Nukes" entwickeln und pries diese gleichzeitig als "einsetzbar". Um die nervigen Pazifisten im Land ruhigzustellen, faselten sie noch etwas von "unterirdischen Bunkern", die von diesen Waffen "geknackt" werden sollten. Unterirdisch - das tut doch keinem weh, da kommt doch keine Strahlung raus! Wie bei der Asse.
Aber wer hat denn schon solche kilometertiefen Bunker, abgesehen von der russischen Militärführung? Jedenfalls keines der Länder, die in absehbarer Zeit als Gegner in Frage kämen. Nein, um so etwas ging es nie, sondern von Anfang an um den taktischen Einsatz solcher Sprengköpfe im Gefecht. Schon bei der propagandistisch immens aufgeblasenen "Schlacht von Tora Bora" - wo ein kleiner Höhlenkomplex zur Festung des Bösen hochstilisiert wurde, weil ein Feind ohne so etwas irgendwie nicht so furchterregend wirkt - wären diese Dinger mit Sicherheit zum Einsatz gekommen, wenn der Kongress es erlaubt hätte, etwa weil es das entsprechende Medikament schon gegeben hätte. Statt wochenlanger Kämpfe wäre sie in Sekunden entschieden gewesen: Rumms - weg ist die Taliban-Ansammlung! Und auch ein Großteil des Berges, aber davon hat Afghanistan ja noch viele.
Und hinterher hätte man den Sanitätskoffer geöffnet und den Beteiligten eine Anti-Strahlen-Spritze gegeben. Denn der Knackpunkt bei taktischen Nuklearwaffen ist ja, dass bei ihrem Einsatz sowohl die vorrückenden eigenen Truppen als auch die ansässige Zivilbevölkerung ihr Fuder Strahlung abbekommen, was sich PR-technisch nicht so gut macht. Und wenn man diese nun einfach behandeln kann - welchen Hinderungsgrund gäbe es dann noch für die Generäle, auf diese Waffen zu verzichten? Etwa bei der Bombardierung sogenannter "Terrorcamps"? Eine erschreckende Vorstellung.
Nun, erstmal wird die Sache ihren üblichen Weg gehen: Der Wissenschaftler muss sich nie wieder Sorgen um die Finanzierung seiner Arbeit machen und weiterforschen; wenn er schlau ist, lässt er sich so viel Zeit wie möglich. Irgendwann wird sich das Mittel dann als brauchbar oder nicht herausstellen. In ersterem Fall dürfen wir uns zumindest auf eine neue Rüstungsspirale freuen. In letzterem Fall bedauern wir, dass es doch keine neuen medizinischen Therapieansätze geben wird. Denn das wäre mal eine sinnvolle Nutzung des Medikaments durch das Militär: NATO-Truppen könnten das Mittel im ehemaligen Jugoslawien verteilen, wo viele Menschen unter den gesundheitlichen Folgen der zigtausendfach verschossenen Uranmunition leiden.
Aber dafür wird sicherlich kein Geld übrig sein.
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