Freitag, 20. November 2009

Stell' dir vor, wir schreiben vom Krieg und keiner geht hin

"Fußballkrieg in Afrika" - so martialisch beginnt die dpa heute eine Meldung, offenbar in der Hoffnung, durch die reißerische Betitelung mehr aus den Geschehnissen zu machen, als sie eigentlich sind: Nämlich chauvinistisch aufgeheizte Fankrawalle in den Nachwehen eines Länderspiels. Was die dpa damit allerdings viel mehr verdeutlicht, ist vor allem ihre eigene historische Ignoranz. Denn einen "Fußballkrieg" gab es in der Geschichte tatsächlich schon einmal - und da flogen nicht nur Steine gegen Botschaftsgebäude, sondern waschechte Projektile gegen Menschen, und es brannten auch nicht bloß Flaggen.

1969 eskalierte die durch salvadorianische Flüchtlingsströme aufgeheizte Stimmung zwischen Honduras und El Salvador; und die Niederlage Honduras' im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen den Nachbarstaat gilt seither als Auslöser für den Ausbruch des Krieges zwischen beiden Ländern knapp drei Wochen später. Dazwischen hatte es auf beiden Seiten Randale und Agitation gegeben - darin liegt tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit zu den Vorfällen in Ägypten. Aber das war's dann auch schon. Ägypten und Algerien stehen sich trotz aller Differenzen nicht mit dem Krummdolch zwischen den Zähnen gegenüber.

Wenn man das als "Krieg" bezeichnen will, befand sich 2006 ja offenbar die halbe islamische Welt im Krieg gegen Dänemark (und gegen die Schweiz; zumindest diejenigen, die die beiden Nationalfahnen nicht unterscheiden konnten) - im Karikaturenkrieg also. Und in Kreuzberg bricht jedes Jahr am 1. Mai konsequenterweise ein Bürgerkrieg aus. Was allerdings Afghanistan angeht, ist man sich in manchen Redaktionen immer noch nicht sicher und spricht lieber nach wie vor vom "Bundeswehreinsatz". Das ist doch lächerlich.

An den "Fußballkrieg", der keine Woche dauerte, wird heute häufig mit leicht humoristischem Unterton erinnert - haha, das waren ja wohl mal wirklich schlechte Verlierer! Dabei wird in der Regel außer Acht gelassen, dass dabei mehr als 2000 Menschen ums Leben kamen. Ein unschöner Abschnitt in der verwickelten und spannungsreichen lateinamerikanischen Geschichte, der es gleichwohl verdient hätte, angemessen erinnert zu werden - und nicht zu einer bloßen Floskel zu verkommen, mit der Krawalle medial aufgesext werden. Gerade von Journalisten muss man erwarten dürfen, dass sie mit solchen Begrifflichkeiten etwas sorgsamer umgehen... ja, ja, ich weiß: Das war ein guter Witz.

2 Kommentare:

Blinkfeuer hat gesagt…

Daß Ägypten und Algerien nicht mit dem Krummdolch wedeln, das ist doch klar.
Europa liefert effizientere Waffen, bestellt Kriege, wenn sie passen.
Aber nicht kurz vor dem Fest der Bimmelbanden, nö.

Dr. No hat gesagt…

Und das wäre ja auch ein wirklich lukratives Geschäft: Da Ägypten und Algerien keine direkten Nachbarn sind, kann man ihnen sogar auch noch Schiffe verticken.

Oder alternativ dazu das dazwischen liegende und mithin bedrohte Libyen gleich mit aufrüsten. Darf man jetzt ja. Ist ja mittlerweile einer von den Guten, der olle Muammar.