Nun ist es also soweit: Oskar Lafontaine hat beschlossen, sich aus der Bundespolitik zurückzuziehen. Wer kann's ihm verdenken - seiner ohnehin schon angeschlagenen Gesundheit sind die andauernden Anfeindungen, Beleidigungen und Beschimpfungen sicher nicht zuträglich, da kann man ein noch so dickes Fell haben. Die Frage ist: Was sollen die Leitartikler der Republik nun ohne ihren Lieblingsfeind anfangen?
Lafontaine wurde zumeist als eine Art Mischung aus Antisozialdemorat, Dampfprediger, Verräter an wem auch immer und Staatsfeind Nummer Eins dargestellt, und war dazu noch jemand, der keine Scheu hatte, sich öffentlich mit allen anzulegen - paradiesische Zustände für die besserverdienenden Apologeten des Neoliberalismus in den Parlamenten und Politikredaktionen, die seine Person alle paar Tage nutzten, um ihren eigenen elitären Sozialegoismus auszuleben und ihre Häme und ihren Geifer gleich mülltonnenweise über ihm auszuschütten. Ihre geradezu epische Wut auf die Linke - gepaart mit der ständigen Furcht davor, dass die Massen irgendwann ihre Wut auf sie entdecken könnten - fand in Lafontaine immer ein dankbares Ziel.
Und jetzt? Was machen die Brüderles und Westerwelles, die Kochs und Söders, die Münteferings und Steinmeiers, die Kommentatoren von Spon, Faz und Bild ohne ihren Antipoden? Heulen? Zähneklappern? Sicherlich beides erstmal ein bisschen, aber was dann? Eine andere Zielscheibe suchen? Aber wen? Gysi ist rhetorisch kaum jemand gewachsen, Bisky ist in Straßburg etwas zu weit ab vom Schuss und der bodenständig-bürgernahe Gewerkschafter Ernst eignet sich kaum als Personifizierung des Bösen.
Nein, einen Ersatz für ihren Erzfeind werden die neoliberalen Kettenhunde so schnell nicht finden. Und das ist gut so. Denn jetzt müssen sie im politischen Diskurs den schwierigeren Weg beschreiten und sich, statt immer bloß auf Lafontaine zu zeigen und "POPULIST!" zu kreischen, auch mal programmatisch mit der Linkspartei auseinandersetzen. Und vielleicht, nur vielleicht führt das ja mal dazu, dass die Linke einfach wie eine normale Partei behandelt wird - nicht mehr, nicht weniger. Das wäre doch mal was.
2 Kommentare:
Ich verfolge den Rückzug von Oskar Lafontaine mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er hat viel für die Linkspartei getan und verdient den größten Respekt, jedoch hat er ebenso Koalitionen mit der SPD oftmals verhindert, sodass dies jetzt sicher leichter werden wird. Ich frage mich jetzt, wer ein guter Nachfolger sein könnte. Gregor Gysi ist mein Favorit.
Nun ja. Die SPD hat es sich aber auch sehr einfach gemacht, ihre beleidigte-Leberwurst-Staregie angesichts der Massenabwanderung ihrer Wähler und Mitglieder nach links an der Person Lafontaines festzumachen und mit dieser Pseudo-Begründung jede Koalition auszuschließen. Es ist schon traurig, wenn man wie Münte und Steinmeier einen politischen Stillstand in Kauf nimmt, nur um seinen persönlichen Animositäten zu frönen (um dann aber natürlich hintenrum Teile des Programms der Linken zu kopieren).
Gysi will nicht - der hat schließlich schon. Ist vielleicht auch gut so, er ist an der Front besser aufgehoben.
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