Stellen Sie sich folgendes vor: Sie werden nichtsahnend während eines Auslandsaufenthalts aufgrund einer Namensähnlichkeit mit einem Al-Qaida-Terroristen festgehalten, vom CIA nach Afghanistan entführt und dort monatelang geschlagen und erniedrigt. Sie sind so verzweifelt, dass Sie in einen Hungerstreik treten, aber auch das hilft nichts. Die eigene Regierung kümmert sich einen Dreck darum, was die Verbündeten mit einem anstellen, hängt eventuell sogar selbst mit drin - und schließlich wird man nach einem halben Jahr irgendwo im Wald ausgesetzt, darf selbst sehen, wie man nach Hause kommt und muss feststellen, dass man von der größten Tageszeitung des Landes alle paar Tage an den Pranger gestellt wird. Was glauben Sie, wie es danach um ihre psychische Gesundheit bestellt sein würde?
Khalid al-Masri, der dies 2004 durchmachte und von der "Bild" bis heute nicht in Ruhe gelassen wird, könnte dazu eine Menge sagen. Nach seiner Rückkehr aus dem Foltergefängnis sind seine Versuche, auf juristischem Wege irgendeine Art von Wiedergutmachung zu erlangen, ohne Begründung vom obersten Gerichtshof der USA abgewiesen worden. Außerdem haben die Vereinigten Staaten von vornherein klargestellt, die beteiligten CIA-Agenten, nach denen weltweit gefahndet wird, im Falle ihrer Festnahme nicht an die deutsche Justiz auszuliefern. Seit Jahren muss sich al-Masri an den Gedanken gewöhnen, dass er wohl keine Gerechtigkeit mehr erfahren wird. Ob das der seelischen Genesung zuträglich ist?
Der durch die Folter offenbar schwer traumatisierte Mann steht nun erneut in den Schlagzeilen, weil er zu Aggressivität neigt und zum wiederholten Mal straffällig geworden ist - "typisches Verhalten von Folteropfern", attestierte ein psychologischer Gutachter schon 2007. Nun hat er den Neu-Ulmer Bürgermeister angegriffen; über seine Motive schweigt er. Zuvor habe er ihm schon einen "wirren" Brief geschrieben. Ein Zeitungsbericht, nach dem al-Masri den OB Mitverantwortung für seine Entführung unterstellt haben soll, wurde von der Staatsanwaltschaft eilig dementiert. Man wird sehen, was daraus wird, es dürften aber begründete Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit bestehen. Al-Masri ist mit Sicherheit ein gebrochener Mensch, was seine Gewaltakte zwar natürlich nicht besser macht, aber durchaus erklärt.
Eines sieht man indes jetzt schon: Die Springer-Presse nutzt den Vorfall sofort erneut zur Hexenjagd. Der 46-Jährige sei "also doch durchgeknallt", triumphiert das Schmierblatt, das al-Masri auch schon als "Irren" bezeichnete, der "die Öffentlichkeit terrorisiert". Munter geht's also weiter mit der (diesmal medialen) Dresche und der Erniedrigung; man könnte meinen, die Redakteure hätten es sich zum Ziel gemacht, die Arbeit des CIA zu vollenden und den Mann endgültig zu zerstören.
Ist das angesichts der psychischen Schäden, mit denen al-Masri zu kämpfen hat und die sich dadurch sicherlich nicht bessern, nicht auch eine Form von vorsätzlicher Körperverletzung?
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