So, die Wahl ist gelaufen. Während die einen immer noch fassungslos auf den Bildschirm starren oder sich weigern aufzustehen, nachdem sie sich gestern Abend in den Schlaf geweint haben, ist anderswo längst der Schampus leergemacht und das Aspirin eingeworfen worden. Mal von der Prämisse ausgehend, dass Merkel und Westerwelle gestern vor lauter Grinsen nicht die obere Hälfte des Kopfes abgefallen ist, sie also tatsächlich die Gewinner bleiben - wie ist das Ergebnis nun eigentlich zu deuten? Eine Analyse mit Fußballmetaphern.
Der Titelverteidiger: Die CDU ging vollkommen ideenlos ins Endspiel und konnte mit sturem Ball-hin-und-her-Geschiebe den Sieg über die Zeit retten, trotz inhaltsleeren Spielaufbaus und einer Spitze im Sturm, die nahezu jedem Zweikampf mit dem politischen Gegner aus dem Weg ging. Aber gegen den erschreckend schwachen Finalgegner hat das bisschen Kraft dann doch gereicht.
Dennoch überrascht der Wahlsieg natürlich niemanden; es ist ein wenig wie beim FC Bayern München. Die Union darf nun, da ihr ärgster Konkurrent abgestürzt ist, beruhigt in die nächste Saison blicken: Das Team bleibt zusammen und kann seine Taktik wieder um die bewährten Spieler "Überwachungsstaat", "Atomwiedereinstieg" und "Sonstiger Lobbyismus" in Ruhe eintrainieren.
Der Traditionsclub: Die SPD hat im Finale ein volles Pfund auf die Zwölf bekommen. Erst in den letzten zehn Spielminuten versuchten sie das Blatt noch zu wenden, aber da lagen sie vor halbleeren Rängen schon 0:7 zurück. Trotz Verzweiflungsmaßnahmen - am Ende standen fast nur noch Stürmer auf dem Feld, darunter der frisch eingekaufte Youngster "Mindestlohn (SPD-Variante)" und der von den Grünen ausgeliehene Routinier "Atomausstieg". Aber auch Wadenbeißer wie "Aufspaltung der CDU/CSU-Fraktion" oder Brechstangen à la "Vier Millionen neue Jobs" konnten nichts reißen, letzterer hat sogar mehrere Elfmeter verschuldet.
Es kam also, wie es auch die treuen Fans seit langem ahnten: Die SPD wurde gewissermaßen bis in die dritte Liga durchgereicht. So kann's gehen, wenn man jahrelang seine Anhängerschaft enttäuscht. Der Traditionsclub wird nun erstmal damit beschäftigt sein, ein neues Team aufzustellen. Die müden Altstars müssen verkauft und der eigene Nachwuchs in die Verantwortung gebracht werden - wer weiß, vielleicht gelingt bis 2013 ja der Wiederaufstieg.
Die Werkself: Die FDP, unbeliebtester Verein der Liga, dessen Team von irgendwelchen Konzernen zusammengekauft wurde, dümpelte mit ihren ewig gleichen Spieltaktiken jahrelang im unteren Tabellendrittel vor sich hin - nun legte sie einen beeindruckenden Spurt hin. Von der abstiegsbedrohten Plastikmannschaft zum Vizemeister. Respekt.
(Mitten in der Weltwirtschaftskrise die neoliberalen Gierschlunde von der FDP zu wählen: Kein Respekt.)
Es wird sich zeigen, ob sich die Millionärstruppe dauerhaft im oberen Segment der Tabelle etablieren kann. Denn ihre altmodische und pomadige Strategie mit Spielern wie "Deregulierung", "Unternehmensentlastungen", "Sozialabbau" und anderen ist heute eigentlich überholt.
Der Underdog: Die Linkspartei wurde von den etablierten Clubs jahrelang als Gurkentruppe verschrien, konnte sich aber dank steigendem Fanaufkommens endgültig im Tabellenmittelfeld festsetzen. Garanten für den Erfolg dürfte das Sturmduo gewesen sein, das nahezu im Alleingang für die erlangten Punkte sorgte. Das Team spielt frisch auf, ihr System um die Spieler "Mindestlohn", "Pazifismus" und "Vermögenssteuern" ist zukunftsträchtig und begeistert immer mehr Zuschauer. Mit dem Abstieg wird der Verein in den nächsten Jahren sicherlich nichts zu tun haben.
Die Unabsteigbaren: Nachdem die Grünen in der vorletzten Saison noch ganz oben mitgespielt haben, bleibt das Team nun vorerst stabil im Tabellenmittelfeld. Garant für den nachhaltigen Erfolg der Truppe ist der Mittelfeldregisseur "Umweltschutz", der als Dreh- und Angelpunkt des gesamten Spiels fungiert und der den Zenit seiner Stärke erst noch vor sich hat. Probleme hat der Club in der Spitze: Die Stürmer machen einfach nicht genug aus ihren Chancen und treffen zu selten. Zudem wurden in der Vergangenheit zu oft falsche Spieler geholt: "Krieg" und "Sozialabbau" waren eklatante und teure Fehlgriffe, die die zahlenmäßig nach wie vor große Fangemeinde der Vereinsführung bis heute nicht verziehen hat.
Dennoch: Mit konsequentem Training, einem größtenteils jungen Team und einer modernen Spieltaktik können die Grünen gelassen in die Zukunft blicken - und in der übernächsten Saison vielleicht wieder ein Wörtchen mitreden im Titelkampf.
Die Newcomer: Die Piratenpartei ist mit großen Ambitionen gestartet und hat in ihrer ersten Saison einen Achtungserfolg gelandet. Ob das junge Team allerdings fähig ist, dauerhaft mitzuspielen, muss sich erst noch zeigen - ein Star in der Mannschaft, der "Schutz vor Überwachung", reicht eben nicht aus, um langfristig erfolgreich zu sein. Bis auf weiteres wird die Truppe gegen den Abstieg kämpfen müssen; und wenn es ihr nicht gelingt, ein paar weitere namhafte Spieler aufzustellen, die auch andere Spielzüge draufhaben, werden sie vermutlich bald wieder weg vom Fenster sein.
So, Abpfiff. Und, Schiri: Wir wissen, wo dein Auto steht.
2 Kommentare:
Nun gibt's vier Jahre Pause :-)
Immerhin genug Zeit für eine ordentliche Halbzeit-Standpauke :)
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