Eines muss man dem guten Mann ja lassen: Prof. Hans-Werner Sinn, Prediger, Dämon und Prophet des ungezügelten Manchesterkapitalismus, hat zumindest Sinn (harhar) für den passenden Zeitpunkt seiner geistigen Ejakulationen. Pünktlich zum runden Jahrestag des Mauerfalls - in einem Moment, in dem sich Ossis und Wessis trotz aller Probleme heulend in den Armen liegen, vor allem deshalb, weil sie sich vom öffentlich-medialen Druck dazu gezwungen sehen und Angst haben, ins Gefängnis zu müssen, wenn sie sich nicht adäquat freuen - in einem solchen Moment plädiert er dafür, den Ossis Hartz IV zu kürzen. Chapeau! Vielleicht schafft Sinn es ja doch noch, dass ihn irgend jemand für seinen niederträchtigen Glauben an die Kraft der Ellbogengesellschaft an ein Kreuz schlägt.
Was Spon, ftd und co. euphemistisch mit der Zeile "Top-Ökonom fordert regional gestaffelte Hartz-IV-Sätze" umträllern, heißt bei Lichte betrachtet nichts anderes als: Wer in einer armen Scheißgegend wie Hoyerswerda wohnt, braucht nicht so viel Kohle - und soll also auch nicht so viel kriegen wie ein gesitteter, weltläufiger und hochzivilisierter Hartz-IV-Empfänger in Glitzerstädten wie Berlin oder gar München. Sinn sieht in den neuen Bundesländern nichts anderes als eine Kolonie, die billiges Menschenmaterial bereitzuhalten hat; ein Reservoir moderner Arbeitssklaven, die froh sein können, wenn sie überhaupt irgendetwas arbeiten dürfen.
Die ausgehandelten Tariflöhne für die neuen Bundesländer bezeichnet Sinn als "Problem", das Lohnniveau dementsprechend als "zu hoch", was die "Entstehung neuer Jobs verhindert" habe. Na, was das wohl für Jobs gewesen wären! Schließlich sind ja eine ganze Menge Jobs zu Stundenlöhnen von drei Euro fuffzich entstanden; Sinns Idealvorstellung scheint folglich noch niedriger anzusetzen. Mit den "Hinzuverdienstmöglichkeiten", von denen er salbadert, geht er ja mit der neuen Wespenkoalition d'accord - und wird damit das Ziel flächendeckender Dumpinglöhne früher oder später erreichen. Science meets Politics.
Leute wie Sinn und auch Sarrazin sind dabei, das alte "Teile und herrsche"-Prinzip zu perfektionieren: Spalte die Unterschicht und hetze ihre Angehörigen gegeneinander auf, wo es nur geht - dann richten sie ihre Wut gegen sich selbst und nicht gegen die Eliten. So jemand wird dann als "Top-Ökonom" gefeiert.
Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie man künftigen Generationen erklären soll, dass man nichts gegen diese geballte Niedertracht unternommen hat.
7 Kommentare:
Ich lese in der Meldung nichts von allgemeinen Kürzungen für Ossis, sondern von der Anpassung der Regelsätze an das örtliche Preisniveau. Das kann ich nur unterstützen. Wer mal im Südbrandenburgischen einkaufen gegangen ist und zum Vergleich einen Münchner Supermarkt besucht hat (ich habe in beiden Gegenden gewohnt), wird genau wissen, wovon die Rede ist.
Oder sollte die Alternative lauten, daß Münchner Hartz4-Bezieher doch bitte nach Elsterwerda umzuziehen haben, wenn sie meinen, daß sie mit ihrem Geld nicht auskommen? Wenn ich Ihr Zitat "Wer in einer armen Scheißgegend wie Hoyerswerda wohnt, braucht nicht so viel Kohle - und soll also auch nicht so viel kriegen wie ein gesitteter, weltläufiger und hochzivilisierter Hartz-IV-Empfänger in Glitzerstädten wie Berlin oder gar München." nämlich genauso uminterpretiere, wie Sie das getan haben, dann soll das vermutlich soviel heißen wie "Die Hartz4-Empfänger in München halten sich für was Besseres und wollen nur deswegen höhere Sätze, damit sie jeden Tag auf der Leopoldstraße ihren Hummer fressen können."
Na, dazu gehört aber eine ganze Menge Uminterpretationsfreiheit - man könnte auch sagen: Ein großer Wille, die Tatsachen nach gusto zu verdrehen. Wirklich ein interessanter Diskussionsstil, den Sie da pflegen.
Es geht hier nicht darum, für was sich die Hartz-IV-Empfänger selbst halten - dazu habe ich mich nicht geäußert -, sondern wofür Sinn sie hält. Und im Falle der Ossis ist das eben, dass sie für ihn weniger wert sind und in erster Linie Kostenfaktoren darstellen.
Natürlich kann man darüber nachdenken, wie ein Hartz-IV-Empfänger in München eigentlich mit demselben Geld soll auskommen müssen wie einer im Südbrandenburgischen. Wenn Sie jedoch den Links zum Originalartikel gefolgt wären, statt Ihrer Sinnverfremdungslust freien Lauf zu lassen, hätten Sie lesen können, dass es Sinn um irgendeinen Ausgleich gar nicht geht, sondern ausschließlich darum, dass die Ossis seiner Meinung nach viel mehr Geld als nötig bekommen, sei es als Stütze oder als Lohn - und das ist reichlich perfide. Und zwar nicht nur am Jahrestag des Mauerfalls.
Auge, Splitter, Balken?
Sie sollten sich einmal Ihren eigenen Uminterpretationen der Sinn'schen Äußerungen widmen, bevor Sie anderen ihren Diskussionsstil vorhalten.
Unterstellungen, Sinnverfremdungen, haltlose Behauptungen?
Ich muss gar nichts uminterpretieren. Sätze wie «Die Ostdeutschen sind sich gegenseitig zu teuer» oder «Das Problem war, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber aus dem Westen Löhne für die Ostdeutschen ausgehandelt haben» sprechen wohl für sich. Und dass Sinn wohl keine Anhebung der Regelsätze im Westen vorschwebte, um die Preisunterschiede zum Osten auszugleichen, dürfte nach allem, was der Mann zum Thema Hartz IV bislang zum besten gegeben hat, außer Frage stehen. Also lautet die Alternative: Kürzung im Osten. Das ist eine Schlussfolgerung, keine Interpretation.
Sie sind hier derjenige, der wild heruminterpretiert, wie's ihm gerade in den Kram passt und der mir - entweder aus Mangel an stichhaltigeren Argumenten oder weil Sie nicht in der Lage sind, eine rhetorische Überspitzung zu erkennen - groteske Behauptungen à la "Hummer fressen wollen" in den Mund legen will.
Wenn Sie mit mir über Sinns Sozialvorstellungen diskutieren wollen: Gerne. Aber nicht auf diesem Niveau.
Lesen Sie sich doch einfach nochmal den ersten Absatz Ihres ursprünglichen Postings durch. Und dann erzählen Sie mir etwas über Niveau.
Sie reagieren genau wie viele andere, wenn Sie den Namen Sinn hören: Mit Schaum vor dem Mund werden Haßtiraden abgelassen, aber eine Auseinandersetzung mit dem ökonomischen Hintergrund seiner Thesen findet nicht statt.
Allmählich langweilen Sie mich mit ihrem überheblich-selbstherrlichen Diskussionsstil. Schon wieder greifen Sie zu dem einzigen rhetorischen Mittel, das Ihnen offenbar zur Verfügung steht: Dem der haltlosen Unterstellung - in diesem Fall, dass ich mich mit den Thesen des Herrn Sinn nicht auseinander gesetzt hätte. Wie - Ihrer Aussage nach - die vielen anderen auch, die es wagen, Sinn für seine asoziale Ideologie zu kritisieren.
Wenn einem nichts mehr einfällt, behauptet man einfach, der Kontrahent hätte keine Ahnung - das ist nicht einmal mehr Stammtisch-, sondern Sandkastenniveau.
Setzen Sie sich von mir aus mit dem ökonomischen Hintergrund seiner Thesen auseinander, wie sie es für richtig, wahr und alleingültig halten.
Aber bitte nicht mehr hier. Tschüss.
Ich finde auch, dass Sie fehlerhaft interpretieren, Herr Dr. No. Wirklich. Herr Sinn meinte bestimmt, dass die Hartz-IVer in den Grossstaedten einer Anhebung ihrer Saetze entgegensehen muessen. Damit sie dieselbe Kaufkraft (denn darauf kommt es dem Oekonom ja an) wie ihre armen Mitstreiter in den strukturschwachen Gebieten besitzen.
Ich habe leider auch den Eindruck, dass die aktuelle Entwicklung in Richtung Frondienst und Tageloehner laeuft, das hatte sich ja frueher bereits bewaehrt.
Kommentar veröffentlichen